Meinung / Nur einer kann die SPD-Kandidatendebatte beenden: Boris Pistorius
Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht totschweigen. Sie bleiben da, gehen nicht weg oder werden eher noch schlimmer, wenn man sie ignoriert. Es gibt auch Dinge, die werden weder durch Schweigen noch durch konstantes Reden besser. Zu letzterem gehört die SPD-Kanzlerkandidatenfrage. Denn so absurd es ist: Obwohl sich der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz erneut für eine Wiederwahl bewirbt, die gesamte SPD-Prominenz Scholz den Rücken stärkt und auch der vermeintliche Ersatzkandidat Boris Pistorius sich für Scholz ausspricht, geht die Debatte um Scholz’ Eignung vor dem Hintergrund von Pistorius’ hoher Beliebtheit weiter.
Es wäre naiv, anzunehmen, dass Scholz das bis zum Neuwahltermin am 23. Februar ignorieren könnte. Denn das „Grummeln“, von dem jüngst SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach, um es zugleich kleinzureden, könnte sich bis zur geplanten Kandidatenkür am 11. Januar zu deutlich mehr auswachsen: lauten Rufen nach einem Umsatteln auf Pistorius. Erst recht, weil anzunehmen ist, dass Scholz in der kurzen Wahlkampfzeit von drei Monaten seine Botschaften nicht vermitteln kann und die Umfragen zu seinen Gunsten nicht drehen kann, wenn da immer weiter diese Debatte über einen vermeintlich besseren Kandidaten köchelt.
In der SPD kann jetzt aber nur einer für Klarheit sorgen: Boris Pistorius. Zwar hat er schon mehrfach deutlich gemacht, dass er sich hinter Scholz stellt und gern weiter Verteidigungsminister bleiben würde. Was aber noch fehlt, ist dieser eine unmissverständliche Satz in diesem Stadium der Debatte: Ich stehe nicht zur Verfügung für die Kanzlerkandidatur. Meint Pistorius das wirklich so, braucht es diesen Satz sehr zeitnah und an prominenter Stelle, abends zur besten Sendezeit etwa. Meint er es allerdings nicht so und glaubt er, dass es Scholz nicht reißen wird für die SPD, müsste Pistorius jetzt rasch handeln und prominente Verbündete mit viel politischem Gewicht suchen.
Kandidatenwechsel im Januar?
Dabei hat er Nachteile: Es gilt als eine seiner Schwächen, dass er in der SPD nicht so gut vernetzt ist wie Scholz. Auch hat er weniger Regierungserfahrung auf Bundesebene als Scholz. Aber: Sollten Pistorius, wichtige Funktionäre und auch die Parteispitze in der nächsten Zeit zu dem Schluss kommen, dass mit Scholz nichts mehr im Februar zu gewinnen ist, dürfte es eher einen späten Kandidatenwechsel geben, wahrscheinlich im Januar. Dann könnte man in der SPD nämlich darauf hoffen, ähnlich wie nach dem Wechsel von Joe Biden auf Kamala Harris bei den US-Demokraten, eine Welle der Euphorie zu erzeugen und vor einer möglichen Entzauberung des amtierenden Verteidigungsministers die Umfragen zu drehen – also vor einem Strömungsabriss wie bei Harris. Bestenfalls käme der Kandidatenwechsel durch Selbsterkenntnis von Scholz zustande, was aber unwahrscheinlich ist.
Bliebe die unmissverständliche Absage von Pistorius aus und würde man sich in der SPD wirklich noch für einen K-Wechsel entscheiden, käme es auf Parteichef Lars Klingbeil an. Nur er hätte wohl ausreichend Autorität, um Scholz zum Rückzug zu bewegen. Die nächsten Tage und Wochen werden es zeigen.
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