Luxemburg / Nur wenige Landwirte stellen auf Bio um – Besuch bei einer Ausnahme
Eine flächendeckende biologische Landwirtschaft gilt als einer der Auswege aus der Klimakrise. 2018 gibt sich die aktuelle Regierungskoalition das Ziel, 20 Prozent der landwirtschaftlich bearbeiteten Landesfläche auf Bio umstellen zu wollen. An Argumenten dafür fehlt es nicht. Untersuchungen belegen die Belastungen vieler konventionell hergestellter Produkte. Trotzdem wagen nur wenige Landwirte die Umstellung ihrer Betriebe. Eine Spurensuche.
Daniel Rossler (50) hat es gewagt. Er ist einer derjenigen, die entgegen aller Ängste aktuell mitten in der Umstellung des Betriebes auf Bio sind. Wenn er heute so an die Anfänge 2018 zurückdenkt, war der Ehrgeiz, einen zukunftsfähigen Betrieb zu hinterlassen, stärker als alles andere. „Ich will meinen Betrieb überlebensfähig machen“, sagt er. Er ist einer von wenigen.
Gerade einmal 33 Betriebe haben 2021 die Umstellung gewagt oder waren mittendrin. 1.869 Bauernbetriebe gibt es zu dem Zeitpunkt insgesamt. Das geht aus dem letzten verfügbaren Geschäftsbericht des Landwirtschaftsministeriums hervor. Insgesamt bewirtschaften in dem Jahr 188 Betriebe 7.900 Hektar im Land biologisch. Das wiederum entspricht 6,1 Prozent der gesamten Agrarfläche Luxemburgs und ist weit von 20 Prozent entfernt.
Entscheidungen wie diese fallen nicht über Nacht. Schon vor dem Weg in die Bio-Landwirtschaft experimentiert Landwirt Rossler mit umweltschonenderen Verfahren auf seinem 220 Hektar großen Hof. Die Jahre davor fühlt er sich unwohl auf seinem Traktor, wenn er mit der Spritzpumpe über seine Felder fährt. Er fängt an, wegzulassen, und fühlt sich zunehmend besser, wenn der Vertreter für Düngemittel- und Unkrautvernichtungsmittel ihm eine Gutschrift ausstellen muss.
Bio-Champignons statt Schlachtschweine
Er gibt die Chemie immer öfter zurück und sagt heute: „Wir brauchen nicht immer die Spritze.“ Zu der Zeit verlassen im Durchschnitt noch 6.000 Schlachtschweine pro Jahr den Hof, den er in dritter Generation betreibt. Wie die zwei Generationen vor ihm arbeitet er konventionell. Es sind schließlich äußere Umstände, die ihn bewegen, auf biologische Landwirtschaft umzustellen und Bedenken zu überwinden. Das Schwerwiegendste ist die immer wieder zitierte Befürchtung, zu wenig Einkommen während der dreijährigen Umstellungsphase zu haben und laufende Kredite nicht befriedigen zu können.
„Das ging mir nicht anders”, sagt er, der selbst vor nicht allzu langer Zeit investiert hat und noch Raten abzahlen muss. Er beschließt, Schritt für Schritt umzustellen. Die Schweine kommen zwischen 2018 und 2019 weg und zwei Drittel des Landes, auf dem er früher Futter für die Tiere angebaut hat, sind aktuell in der Umstellungsphase. Die Böden erholen sich. Das letzte Drittel Landfläche ist dieses Jahr an der Reihe. Langfristig will er darauf Getreide für den menschlichen Verzehr anbauen.
Der Hof funktioniert zwischenzeitlich als „Ferme pédagogique“. Vornehmlich Schulklassen erfahren bei ihm in Knaphoscheid, woher das Essen auf dem Teller kommt. „Die Fragen der Kinder haben mich oft in Erklärungsnot gebracht“, sagt er. Seine eigenen meiden den Schweinestall. Als der Preis für Schweinefleisch zusammenbricht, ist der Moment gekommen. Zusätzlich stört Corona die internationalen Lieferketten und es stehen Investitionen für eine artgerechtere Haltung an. 30 bis 40 Prozent des aus seinen Schweinen gewonnenen Fleisches gehen damals ins Ausland.
Heute weiß er: „Wir können hier nicht dauerhaft damit leben, unser Fleisch nach Spanien oder sogar China zu exportieren.“ 2018 kann ihm aber niemand sagen, wie er artgerecht umbauen muss, damit es 20 Jahre konform ist. Die Vorschriften ändern sich alle paar Jahre. „Ich kenne keinen Wirtschaftszweig, der nur auf eine Sicht von mehreren Jahren investiert und sich verschuldet“, sagt der Landwirt. Den Ausweg bietet eine Vorliebe von ihm.
„Ich liebe Champignons“, sagt er. Damit müsste man doch etwas machen können. Heute erntet er auf 450 Quadratmetern 1.200 Kilo braune und weiße Champignons pro Woche in dem Stall, wo früher die Ferkel aufgezogen und gemästet wurden. Die Biogenossenschaften des Landes nehmen ihm die Ware ab und Rat hat er beim „Institut für biologesch Landwirtschaft an Agrarkultur“ (IBLA) gefunden.
Die Tatsache, dass sich nur wenige auf diesen Weg machen, wiegt umso schwerer, als es Untersuchungen dazu gibt, dass viele Lebensmittel belastet sind. Bio ist nicht nur eine Frage des Klimas, sondern auch der Gesundheit. Die Abteilung Lebensmittelsicherheit des Gesundheitsministeriums untersucht regelmäßig Proben der Erzeugnisse aus konventioneller und biologischer Landwirtschaft.
Konventionelle Produkte sind häufig belastet
Aus den letzten beiden verfügbaren Berichten, 2020 und 2021, geht hervor, dass in konventionell hergestellten Proben Pestizidrückstände gefunden wurden. Dabei steht 2020 die heimische Produktion schlecht da, obwohl der „Run“ auf regional produzierte Lebensmittel gerade beginnt. In dem Jahr werden in 39,4 Prozent der Proben, die aus einheimischer konventioneller Produktion stammen, Rückstände gefunden.
Insbesondere Obst ist sehr häufig belastet – meistens von mehreren Pestiziden gleichzeitig. Das schreibt das „Mouvement écologique“ in einer Pressemitteilung zum 2021er-Bericht. Knapp zwei Prozent aller Proben lagen damals deutlich über den erlaubten Werten. Dieser Wert bestätigt sich 2021. Bezüglich der Ergebnisse zu den untersuchten Bio-Produkten sowohl im 2020er- als auch im 2021er-Bericht halten sich die Verfasser der Ministeriums auffallend kurz. „Keines der in dieser Studie untersuchten Bio-Produkte war nicht konform“, heißt es in beiden. Von 100 Prozent untersuchten Proben stammte 2021 jede fünfte aus biologischem Anbau.
Zurück zu den Bauern, den Hauptakteuren beim Umbau der Landwirtschaft: Warum stellen so wenig um? „Viele können die Frage, wie soll ich extensivieren, also weniger Ertrag erzielen, obwohl ich eigentlich mehr machen müsste, um finanziell über die Runden zu kommen, nicht für sich beantworten“, sagt Daniela Noesen (54) von der „Vereenegung fir Biolandwirtschaft Lëtzebuerg“.
Die 82 Betriebe, die der Vereinigung angehören, sind Überzeugungstäter. Aber auch dort hat man sich Frage gestellt, warum so wenig Landwirte umstellen. Ein Grund liegt in einem in der Branche üblichen Grundsatz. „Jahrzehntelang wurden die Landwirte – schon in der Ausbildung – darauf getrimmt, ihren Betrieb zu intensivieren, um möglichst hohe Erträge zu erzielen“, sagt Noesen. Bei Bioproduktion fällt der Ertrag aber niedriger aus als bei konventioneller Herstellung.
„Um das auszugleichen, bräuchte man mehr Land in einem Land, in dem Gelände teuer und begrenzt ist. „Das schafft natürlich Unsicherheiten”, sagt die Agrar-Ingenieurin, die auf letzte Berechnungen verweist. 60 Prozent der Fläche könnten bis 2050 in Luxemburg umgestellt sein, ohne mehr Land zu verbrauchen. Das hat eine bereits 2017 veröffentlichte Studie ergeben. Dabei spielen zwei Bedingungen eine wichtige Rolle. „Das geht nur, wenn weniger tierische Produkte konsumiert und weniger weggeworfen wird“, zitiert Noesen die Forscher.
Förderungen müssen attraktiver werden
Und als gäbe es in der Thematik nicht schon Widersprüche genug, tut die Nachfrage nach Bio-Produkten noch das Ihrige hinzu. 2020 belegt Luxemburg bei den Ausgaben für Bio-Produkte pro Kopf den dritten Platz hinter Spitzenreiter Schweiz und dem zweitplatzierten Dänemark. Der Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) hat ein Ranking gemacht. Und dann gibt es noch den Bereich Zuschüsse, der die Bauern direkt betrifft.
„Die Bio-Variante muss von den staatlichen Förderungen her gesehen so gut sein, dass es nicht mehr interessant ist, konventionell zu bleiben”, sagt Noesen. Für sie ist der Plan der Regierung ehrgeizig und lobenswert, aber nicht bis zu Ende gedacht. „Wir bräuchten 20 Prozent mehr Geld in allen Bereichen. Das gilt für die Forschung auf diesem Gebiet und 20 Prozent Bioprodukte in öffentlichen Kantinen.“
Biolandwirtschaft ist ein Thema, das nicht nur draußen auf dem Feld eine Rolle spielt. Gerade erst hat der Weltklimarat wieder gemahnt, Europa verspricht mehr Tempo und eigentlich müssten viel mehr Produzenten auf den Zug aufspringen. Landwirt Rossler sagt nach mehr als 20 Jahren konventionellen Wirtschaftens und noch mitten in der Umstellung heute: „Ich hätte das schon viel früher machen sollen.“
Lebensmittel und deren Belastung durch Pestizide
Es spricht vieles dafür, biologische Lebensmittel zu verzehren und den Anbau zu fördern. Trauben sind im Land die Kultur, die am häufigsten gespritzt wird: durchschnittlich 22-mal pro Jahr. Diese Frequenz gibt das Landwirtschaftsministerium für 2018 an. Gleich danach kommen die Kartoffeln. Platz drei belegt der Raps. Das sagt Roger Dammé. Der Imker ist Mitglied des Vorstands des „Mouvement écologique“ und beschäftigt sich seit Jahren mit Pestiziden. Die Berichte des Gesundheitsministeriums, die in Teilen veröffentlicht werden, ergeben im Nebeneffekt die hohe Abhängigkeit der heimischen Lebensmittelversorgung vom Ausland.
Vieles muss importiert werden, weil sonst der Bedarf nicht gedeckt werden kann. Auch Orangen. „Aus dem Bericht von 2020 der ‚Administration luxembourgeoise vétérinaire et alimentaire’ geht hervor, dass 91 Prozent der hier verkauften Orangen belastet sind”, sagt er. Das Verbot von Glyphosat in Luxemburg im Jahr 2021 im Land wertet er zwar als „starkes Signal” und „mehr als einen symbolischen Akt”. “Aber es ist ein Produkt unter Hunderten“, sagt er auf Anfrage des Tageblatt. Wer nur die Liste der Pestizide einsieht, auf die geprüft wurde, weiß, dass er Recht hat. Es gibt noch viel mehr Spritzmittel auf dem internationalen Markt. Er kritisiert die Berichte des Gesundheitsministeriums als teilweise unvollständig: „Aus den Analyseresultaten kann man viel mehr machen und ablesen.“ Mit Rücksicht auf die Landwirte im Land wird nicht explizit erwähnt, dass biozertifizierte Lebensmittel aus Luxemburg zu 100 Prozent frei von Pestiziden sind.
Erfreulich ist, dass zwischen 2020 und 2021 die Zahl der Proben deutlich angestiegen ist. 2020 wurden 479 Proben untersucht, 2021 beziehen sich die Ergebnisse auf 709 Proben. Wurden 2020 noch in 39,4 Prozent der Proben Rückstände gefunden, so waren es 2021 bereits 40,6 Prozent. Bei knapp 2 Prozent der beprobten Lebensmittel wurden die Grenzwerte für Pestizide überschritten, was den Rückruf dieser Produkte zur Folge hatte. Auch andere haben sich mit dem Thema Schadstoffrückstände beschäftigt. Aus einer Studie des Luxembourg Institute of Health (LIH) von Juli 2022 geht hervor, dass in den Haaren luxemburgischer Kinder bis zu 88 verschiedene Schadstoffe gefunden wurden. Kinder, die sich überwiegend biologisch ernähren, wiesen die deutlich niedrigere Konzentrationen von 17 Schadstoffarten in ihrem Haar auf, schreiben die Forscher.
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Wir haben 1000 Hobbybauern zu viel, so wird das nie was.
Wir sollen regional kaufen, mache ich persönlich mit Freude.
Warum unsere Bauern als Hobbybauern bezeichnen? Diese Mitmenschen arbeiten jeden Tag hart um uns mit wertvollen, regionalen Produkten zu versorgen👍👍👍