Esch / Öko-Initiative steht vor Insolvenz: Benu wartet vergeblich auf eine Million Euro
Benu steht kurz vor dem Aus. Eigentlich hat die Öko-Initiative Konventionen mit der Stadt Esch, die genügend finanzielle Mittel versprechen. Doch jetzt fehlt eine Million Euro. Die Suche nach dem Schuldigen hat begonnen.
Wenn es um Kreislaufwirtschaft geht, gibt es in der Großregion wohl kein Projekt, das so konsequent ist wie Benu. Die Initiative kocht aus ungewollten Lebensmitteln Abendessen, schreinert aus weggeschmissenem Holz Möbel und erschafft aus ausgemusterten Stoffen Kleidung. Es ist ein Vorzeigeprojekt für die Stadt Esch. Doch die Vereinigung ohne Gewinnzweck steht kurz vor der Insolvenz, wie eine mit dem Dossier vertraute Quelle dem Tageblatt gegenüber bestätigt.
Was ist passiert? Benu hatte bisher drei Konventionen mit der Stadt Esch. Die bisher letzte läuft am 31. Dezember 2023 aus. Laut der zweiten Konvention, 2020 bis 2022, stellt die Stadt dem Verein ein Budget von einer Million Euro für drei Jahre zur Verfügung. Sollte das Umweltministerium das Projekt mitfinanzieren, würde der Staat eine weitere Million beisteuern. Im Wortlaut heißt es in der zweiten Konvention: „Die Stadt wird die notwendigen Schritte unternehmen, um die Bestätigung der Kofinanzierung zu erhalten und jedes Jahr die notwendigen Formalitäten erledigen, um die jährliche Kofinanzierung fristgerecht zu erhalten.“
Das Geld sollte in drei Phasen ausbezahlt werden. Das Ministerium hat seinen Teil allerdings nie bezahlt und der Stadt Esch mitgeteilt, dass es diese Kosten nicht übernehmen werde. Laut Quelle wusste Benu zwar, dass der Staat seine Tranchen noch nicht bezahlt hatte, doch die Gemeinde habe dem „Conseil administratif“ von Benu nie kommuniziert, dass überhaupt kein Geld mehr kommen würde. Die Initiative habe dieses Jahr durch Zufall erfahren, dass nicht mehr mit weiterem Geld zu rechnen sei.
40 Jobs stehen auf dem Spiel
Die drei Konventionen mit Benu
Die erste Konvention (2017-2019): Die Stadt Esch und das Umweltministerium bezahlten jeweils eine Million Euro über drei Jahre.
Die zweite Konvention (2020-2022): Die Konvention war zwischen Benu und der Stadt Esch. Die Gemeinde hat knapp eine Million Euro über drei Jahre ausbezahlt. Laut Quelle rechnete Benu mit einer weiteren Million vom Staat.
Die dritte Konvention (2021-2023): 4,4 Millionen Euro über drei Jahre von der Stadt Esch – laut Quelle ist das Geld nicht für das operative Geschäft gedacht. Der Schwerpunkt liege auf dem Ausbau und der Renovation des Benu Village.
Benu kann die Gehälter und ausstehenden Rechnungen seit Ende September nicht mehr oder nur beschränkt ausbezahlen – und steht somit kurz vor der Insolvenz. Aktuell arbeiten dort mehr als 40 Menschen, davon befinden sich zwei in der Lehre und mehr als zehn wurden als Teil einer Inklusionsinitiative eingestellt. Mehrere Partnerunternehmen gaben bereits an, im Fall einer Schließung, um ihre finanzielle Zukunft zu fürchten. Bisher konnte sich das Unternehmen über Wasser halten in der Hoffnung, das Geld würde noch überwiesen.
Benu hat den Escher Schöffenrat am 13. September über die finanziellen Schwierigkeiten in einer E-Mail unterrichtet und eine „lettre recommandée“ verschickt. Bis heute hat laut Quelle kein Schöffe auf die Mail reagiert. Gleichzeitig hat die Stadt Esch mit dem Staat eine neue Konvention ausgehandelt, die am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Das Problem: Das erste Geld dieser neuen Konvention fließt frühestens im März. Der Initiative ist es unmöglich, bis dahin auszuharren. Wegen der hohen Zinsen komme auch ein Kredit nicht infrage.
Georges Kieffer, Gründer und Direktor von Benu, wollte dem Tageblatt keine Details geben, nannte die Situation allerdings „sehr kritisch“. Der Austausch mit der Gemeinde sei nicht einfach, aber er laufe noch. Kieffer bestätigte, dass die Gemeinde ihn oder seinen Verwaltungsrat nicht mündlich oder schriftlich über das Ausbleiben der Zahlung durch das Ministerium informiert habe. Das Komitee und die Mannschaft von Benu würden bis zum Schluss kämpfen und nicht aufgeben.
„Klipp und klare“ Kommunikation
Umweltministerin Joëlle Welfring („déi gréng“) weiß von den finanziellen Problemen bei Benu. Ihr Ministerium habe einer Co-Finanzierung der Konvention von 2020 bis 2022 nie zugesagt. „Wir haben eine Ablehnung der Finanzkontrolle erhalten, die zu Recht gesagt hat, dass unser Umweltfondsgesetz es überhaupt nicht erlaubt, eine Asbl zu unterstützen“, so Welfring zum Tageblatt. Das Ministerium habe der Escher Kommune „klipp und klar“ in einem Schreiben mitgeteilt, dass es gesetzlich nicht möglich sei, das Projekt finanziell zu unterstützen. „Es wurde nichts versprochen, was nicht eingehalten wurde“, so Welfring.
„Wir hatten damals keine direkte Beziehung mit Benu, das lief nur über die Gemeinde“, sagte ein Mitarbeiter des Umweltministeriums gegenüber dem Tageblatt. Demnach habe das Ministerium der Gemeinde rechtzeitig mitgeteilt habe, dass der Staat keine Kosten übernehmen könnte.
Für Welfring bleibt Benu eine „gute Initiative“, die Unterstützung verdiene. „Das sind wichtige Pilotprojekte“, so die Ministerin. Die Chamber habe im Juli ein neues Gesetz gestimmt, das es dem Staat ermögliche, eine Asbl zu finanzieren. Dieser Text sei seit dem 4. September rechtskräftig. „Deswegen sind wir jetzt auch mit Herrn Kieffer und der Escher Gemeinde in Kontakt, um zu schauen, wie wir gemeinsam die nächste Phase ab 2024 unterstützen können“, so Welfring. Das Umweltministerium hat sich laut Ministeriumsmitarbeiter am vergangenen Freitag mit der Escher Gemeinde getroffen und beide hätten beschlossen, „in Zukunft zusammen mit Benu Projekte zu machen“. „Es wurde bis jetzt nur noch keine Summe festgelegt, aber wir werden Benu einen Brief schreiben – der ist quasi fertig“, so der Mitarbeiter.
„Klar wie Kloßbrühe“
Meris Sehovic, Schöffe der Stadt Esch von „déi gréng“, versteht nicht, „wie man mit einer Million Euro rechnen kann, wenn die Konvention schon abgelaufen ist – wissend, dass keine staatliche oder kommunale Verwaltung retroaktiv irgendein Geld ausbezahlen kann“. Auf die Frage, ob Benu schriftlich über die Nichtbeteiligung des Staates aufgeklärt wurde, meint Sehovic: „Das war für jeden klar wie Kloßbrühe.“ Wie die Kommunikation genau gewesen sei, könne er nicht sagen, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Teil des Schöffenrates war.
Die Stadt Esch habe jedenfalls dreimal 333.333 Euro überwiesen, wie es in der Konvention 2020 bis 2022 definiert sei. Und: Die Gemeinde habe Anfang August die ausstehenden Finanzmittel der Konvention 2021 bis 2023 ausbezahlt. Das seien rund 600.000 Euro gewesen. „Wir können jetzt nicht so ohne Weiteres wieder Geld überweisen“, so der grüne Politiker. „Wir müssten in den Gemeinderat gehen und eine Genehmigung vom Innenministerium bekommen – das ist ein Prozess, der Monate dauert.“
Der Stadt Esch stehe trotzdem hinter dem Projekt. „Der Schöffenrat hat in der Vergangenheit alles gemacht, um eine Perspektive für Benu zu erschaffen“, sagt Sehovic. Die Verantwortung der Finanz- und Personalverwaltung liege nicht bei der Stadt Esch, sondern bei Benu. Die Initiative müsse sicherstellen, dass die Mittel der Gemeinde ausreichen. „Wenn das nicht der Fall ist, dann tut mir das Leid und dann muss man sich seitens Benu Fragen stellen und das werden wir sicher machen.“
Dass die Absage des Umweltministeriums für Probleme sorgen könnte, war den Verantwortlichen jedenfalls von Anfang an bewusst. In der Gemeinderatssitzung vom 25. September 2020 hatte der damalige grüne Schöffe Martin Kox gesagt, dass das Ministerium das Projekt noch akkordieren müsse, „sonst haben wir sicherlich ein Problem“. Eine Lösung dieses Problems ist momentan nicht in Aussicht. Dem einstigen Vorzeigeprojekt Benu droht die Insolvenz.
- PAG abgeändert: Gemeinde erlaubt den Bau von Tiny Houses - 11. November 2024.
- Die Berichterstattung über „Dëppefester“ ist ein essenzieller Teil unserer Gesellschaft - 4. November 2024.
- Tierschutzverein stößt an seine Grenzen: „Schafft euch nur ein Tier an, wenn ihr Zeit habt“ - 31. Oktober 2024.
Es ist ja schön und gut, dass solche Projekte eine Anschubfinanzierung bekommen. Irgendwann müssen sie dann aber auf eigenen Beinen stehen können, sonst sind es eben keine tragfähigen, nachhaltige Projekte. Es kann nicht sein, dass der Steuerzahler jahrelang Millionenbeträge in ein Fass ohne Boden pumpt, um die Visionen einiger Idealisten zu finanzieren.
Kreislaufwirtschaft muss sich auch finanziell rechnen, zumal eine asbl ja keine Steuern zahlt.
Gerade die Stadt Esch hat viele Probleme mir der Infrastruktur und im sozialen Bereich und hätte Besseres zu tun mit den vielen Millionen!
Es ist Zeit, daß für NEUE Produkte endlich die ECHTEN Preise bezahlt werden (keine Ausbeutung und Umweltschutz bei Rohstoffföderung und Produktion), damit sich „Öko-Initiativen“ lohnen und nicht mehr auf Zuschüsse angewiesen sind.
Die Folgen unserer Wegwerfmentalität werden jedenfalls nicht von den Ver- und Käufern bezahlt…
@Den Escher
„Es ist ja schön und gut, dass solche Projekte eine Anschubfinanzierung bekommen. Irgendwann müssen sie dann aber auf eigenen Beinen stehen können, sonst sind es eben keine tragfähigen, nachhaltige Projekte.“
Aha, also wie das Schwimmbad, die Bibliothek, die Sportstätten, …