Nationalvorstand / OGBL-Präsidentin Nora Back: Gegen Kristallkugel-Politik und Kommerzialisierung
Der OGBL-Nationalvorstand ist vor der Sommerpause ein letztes Mal zusammengekommen. Eine klare Wahlempfehlung für eine einzelne Partei gibt es keine. Die Wahlvorschläge von Patronatsseite sind bis auf eine Ausnahme auf wenig Gegenliebe gestoßen.
Der OGBL verabschiedet sich mit einem letzten Nationalvorstand in die Sommerpause. Dabei haben die Gewerkschafter auf die vergangenen Monate und Jahre zurückgeblickt und über die Herausforderungen der Zukunft und insbesondere die kommenden Chamber-Wahlen diskutiert, wie OGBL-Präsidentin Nora Back auf einer anschließenden Pressekonferenz am Dienstagnachmittag bekannt gab. „Es hat eine starke Gewerkschaft in den vergangenen Monaten und Jahren gebraucht“, ist sich Back sicher. Die Gewerkschaft habe einen Teil ihrer Forderungen, darunter die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation, während der Tripartite-Verhandlungen durchsetzen können. „Das war ein wichtiger Durchbruch, nachdem in den vorherigen Monaten immer gesagt wurde, das sei politischer Harakiri.“ Angesichts dessen, dass die Steuertabelle noch immer an 5,5 Indextranchen angepasst werden müsste, bleibt die langjährige Forderung des OGBL aber weiterhin bestehen.
Die Zusammenkunft des Nationalvorstandes am Dienstag war der zweitletzte vor den anstehenden Parlamentswahlen. „Im Oktober wird die generelle politische Orientierung des Landes festgelegt“, sagte Nora Back. „Das betrifft uns alle.“ Der OGBL sei parteipolitisch unabhängig, aber keineswegs politisch neutral. „Wir haben die für uns wichtigsten programmatischen Punkte in einer Broschüre festgeschrieben“, sagte Back. Diese politischen Prioritäten des OGBL könnten die Parteien dann auch in ihre Wahlprogramme einbauen. „Wir geben keine Wahlempfehlung für eine Partei oder eine Person raus“, so Back. Stattdessen solle sich jeder die programmatischen Punkte des OGBL anschauen und diese mit denen der Parteien vergleichen. In eine Richtung dürfe es aber unabhängig der Wahlprogramme nicht gehen: „Wir werden uns gegen einen Rechtsruck wehren.“
Rundtischgespräch am 13. September
Zur allgemeinen Orientierung hat der OGBL einzelne Parteien zu einem Rundtischgespräch am 13. September gebeten. „Wir wollen dann unsere Hauptthemen ansprechen und erhoffen uns eine animierte Debatte“, kündigte Nora Back an. Langweilig dürfte es bis dahin aber nicht werden. „Nachdem wir unsere Programmpunkte vorgestellt haben, hat die UEL ihre Gegenvorschläge präsentiert.“ Diese wurden unter dem Titel „Nachhaltige Talente“ vorgestellt. „Wir müssen Arbeitsbedingungen schaffen, damit die Talente auch nachhaltig hier arbeiten können“, sagte Back. Die derzeitige Feststellung laute, dass ein Arbeitskräftemangel herrsche. „Die Vorschläge von Patronatsseite schrecken aber eher ab, als dass sie den Arbeitsplatz attraktiv gestalten.“
Die Diskussion zur Flexibilisierung der Arbeitszeit muss so geführt werden, dass die Arbeitnehmer nicht zusätzlich belastet werden
BSH Luxembourg und Coca-Cola
Der OGBL hat sich angesichts der geplanten Schließung* der „BSH Luxembourg“-Filialen überrascht gezeigt. „Erst im vergangenen Jahr hat BSH Luxembourg einen weiteren Laden in Luxemburg eröffnet“, sagte Back. Insgesamt sind 50 Arbeitsplätze von der Schließung betroffen. Weitere Details konnten noch nicht bekannt gegeben werden. Eine erste Versammlung zwischen Direktion, Personaldelegation und Gewerkschaft soll am Mittwoch stattfinden.
Die Kollektivvertragsverhandlungen bei Coca-Cola seien indes ins Stocken gekommen. Dort werde demnächst wohl die Schlichtungsprozedur eingeleitet werden.
Die von Patronatsseite geforderte „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit und die immer häufiger ausgestellten Arbeitsverträge mit begrenzter Laufzeit würden bei der Gewerkschaft die Alarmglocken läuten lassen. „Die Diskussion zur Flexibilisierung der Arbeitszeit muss so geführt werden, dass die Arbeitnehmer nicht zusätzlich belastet werden“, sagte Back. Lediglich der Patronatsforderung nach einer Harmonisierung der Homeoffice-Regelungen sei man positiv gegenübergestellt.
Rentenmauer im Jahr 2070?
Entgegengesetzter Meinung ist der OGBL aber dann, wenn es um die Reform des Rentensystems geht. „Arbeitnehmer sollen länger arbeiten gehen und die Beschäftigten mit höherem Einkommen sollen weniger zahlen“, resümierte Back die Forderungen des Patronats. „Das ist natürlich das genaue Gegenteil, von dem, was wir wollen“, so Back. Insgesamt würden sich die Angriffe auf das Rentensystem eher auf „Vorhersagen aus einer Kristallkugel“ als auf seriösen wirtschaftlichen Projektionen basieren. „Wenn jetzt von einer Rentenmauer im Jahr 2070 geredet wird, kann das nicht stimmen“, so Back. Die letzten drei Jahre hätten gezeigt, dass es zu viele Variablen gibt, die man nicht vorhersehen könne. Was man aber jetzt sagen könne, sei, dass der „Fonds de compensation“ mit 24,5 Milliarden Euro noch „komfortable Reserven“ habe. Im Gegensatz zu den momentanen Spartendenzen, die sich auch auf europäischer Ebene herauskristallisieren würden, müsse man Teile der Rentenreform von 2012 wieder umkehren. Eine Rentenreform, die auf Basis von Projektionen durchgeführt wurde, die nach zehn Jahren bereits hinfällig waren, so Back. „Die Rentenreform hat eine ganze Menge Verschlechterungen mit sich gebracht.“
Wenn denn „alle Stricke reißen“ sollten, sei man aber nicht dafür, das Rentenalter nach oben anzupassen und den Beitragsdeckel zu senken, wie das Patronat es vorschlage. „Dann sollten wir eher den Beitragsdeckel entfernen, da wir die niedrigsten Raten in Europa haben“, sagte Back. Ein weiteres No-Go des Luxemburger Patronats: „Die Entscheidungskraft bei Arbeitsverträgen wieder in die Hände der Arbeitgeber geben“, erklärte Back. „Das liegt ebenfalls weit weg von den Empfehlungen auf EU-Ebene.“ Im Gegenteil brauche es mehr Kollektivverträge. „Deshalb muss der Reformstau im Arbeitsministerium endlich angegangen werden“, sagte Back und zählte das Kollektivvertragsgesetz, die Diskussion zur Arbeitszeit und den Mindestlohn als Beispiele auf.
Eines der wichtigsten Themen aber werde die Gesundheitspolitik sein, meinte Back. „Die AMMD und andere politische Kräfte wollen das Gesundheitssystem in Richtung Kommerzialisierung steuern“, warnte Back. Luxemburg habe ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem, das das Land durch die Corona-Pandemie geführt habe. „Wir sind froh, dass sich Gesundheitsministerin Paulette Lenert und der Minister für soziale Sicherheit, Claude Haagen, für weitere Verbesserungen des Gesundheitssystems einsetzen“, sagte Back. Den Gesundheitsplan könne man befürworten, insofern er auch konsequent umgesetzt werde. „Darin ist auch festgehalten, dass das Gesundheitssystem in öffentlicher Hand bleiben muss.“
Der OGBL wolle zudem auch am Umzug des Pride-Festivals teilnehmen. „Der OGBL steht zur Diversität, der Gleichstellung von Mann und Frau“, so Back.
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