/ Ohne bunten Zylinder ist das Leben langweilig: Véronique Scholler ist Hutmacherin
Hüte sind ein Accessoire aus einer anderen Zeit: früher ein gewöhnliches Kleidungsstück, heute ein Statement. Véronique Scholler aus Eischen hat sich dem fast vergessenen Handwerk des Hutmachers verschrieben.
Véronique Schollers Kunsthandwerk nimmt viel Raum in ihrem Zuhause ein. Beim Betreten der offenen Küche fallen sie sofort ins Auge: Hüte, die über den gesamten Raum verteilt sind. Auf der Küchentheke liegen welche aus Filz – die neueste Idee von Véronique. Vor den weitläufigen Fenstern und auf mehreren Tischen stehen, liegen und hängen weitere ihrer ausgefallenen Kreationen.
Der Raum, den die extravaganten Kopfbedeckungen in ihrem Zuhause einnehmen, spiegelt wider, wie wichtig es ihr ist, sich kreativ zu entfalten. Für sie ist es ein Bedürfnis, auf das die heute 47-Jährige in ihrem Leben immer wieder zurückkommt.
Das Anderssein reizt
Ihre erste Gesellenprüfung hat Véronique als Dekorateurin abgelegt. In diesem Beruf hat sie vier Jahre lang gearbeitet, doch sie wollte mal etwas anderes machen. Deswegen hat sie einen Bürojob angenommen. „Das war die Hölle für mich“, sagt sie heute selbst dazu, denn es war das Gegenteil von kreativer Arbeit.
Heute ist sie als Bademeisterin in Steinfort beschäftigt. Allein bei ihrer Leidenschaft, den Hüten, kann sie sich richtig ausleben. Diese entwirft und dekoriert sie seit fünf Jahren. Die Begeisterung dafür wird in ihren Augen sichtbar, wenn sie darüber spricht. Sie kreiert alles von reich geschmückten Zylindern, die mit Blumen und Federn verziert sind, bis hin zu einfarbigen Modellen, die fast alltagstauglich sind. Die Designs bewegen sich zwischen Romantik und Steampunk, einer Bewegung, die das viktorianische Zeitalter und Fantasie miteinander basiert. Zu ausgefallen dürfe es nicht sein, dafür seien die Menschen hierzulande noch nicht bereit. „Ein Hut kann auch einfach ein schönes Deko-Element sein.“
An der Steampunk-Bewegung gefällt ihr das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen – bei den Hüten ist es ähnlich. Ging früher niemand ohne Hut aus dem Haus, heute ist es hingegen ein eher ungewöhnliches Accessoire. Und genau dieses Anderssein reizt sie. Die damalige Zeit wünscht sie sich nicht unbedingt zurück, doch ihr missfällt die heutige schnelllebige Gesellschaft: Ihren Kaffee macht sie noch „ein bisschen wie früher“, mit einer normalen Kaffeemaschine, denn Kapseln kommen ihr nicht ins Haus. Die Tassen sind mit Blümchenmuster verziert und könnten ebenfalls aus dieser Zeit stammen, in der das Tragen von Hüten noch ganz normal war. Sie hängt auch sehr an ihrem schwarzen Modell mit einer Hutnadel, die ein Erbstück ist.
Waldfeen und Casinos
Ihre Faszination dafür stammt aus Alice im Wunderland. Einmal ist sie, als verrückte Hutmacherin verkleidet, zu einer Weihnachtsfeier mit dem Thema Walt Disney gegangen, mitsamt Perücke und lebendigem Kaninchen. Dazu kommt, dass sie viel zu Pferd unterwegs ist. Sie findet, dass Hüte gut zu den Vierbeinern und zu Kutschen passen. Ihr erster selbst gemachter Hut war ein schwarzer Zylinder mit hellen Rosen und Federn. „Der ist zu hart und zu steif, um ihn wirklich tragen zu können“, sagt die 47-Jährige.
Etwas, das ihr nicht liegt, sind Strohhüte. Am liebsten arbeitet sie nachts, wenn es ruhig ist. Sobald sie eine Idee hat, fertigt sie mehrere Hüte an, in verschiedenen Größen oder Farben. Oft lässt sie sich zu Themen ein Design einfallen, wie Waldfeen oder Casinos. Blumen seien eher für das Frühjahr gedacht, Schwarz passe hingegen zu allem. Nicht jeder Hut gelingt ihr. „Dann bin ich schon traurig. Schließlich war die ganze Arbeit umsonst.“ Dann muss sie wieder von vorne beginnen. Es mache sie einfach glücklich, etwas Schönes zu erschaffen. „Zufrieden bin ich erst, wenn ich denke, dass nichts mehr fehlt.“
Ein eigenes Geschäft zu eröffnen, fände sie schon „cool“. Sie weiß jedoch nicht, ob es sich finanziell lohnt. Alleine das Material für einen Hut kostet zwischen 80 und 120 Euro. Die Zeit, die sie an einem Hut arbeitet, könne sie eigentlich nie dazu rechnen. Demnächst wird sie einige ihrer Hüte im Chocolate House in Mersch ausstellen. Doch Luxemburg sei ihrer Meinung nach einfach zu klein, um nur Hüte zu verkaufen. „Es ist schon ein sehr exklusiver Artikel. Kleider von der Stange passten nicht immer dazu.“ Am liebsten fertigt sie Frauenhüte an.
Kostspielig
Zu Beginn hat sie ihre Hüte verschenkt. Geschenke, die immer gut angekommen sind. Dann fing sie an, Modelle auf Bestellung anzufertigen, und dieses Jahr hat sie ihre Kreationen bei der „Expo Creativ“ in der Luxexpo The Box zum ersten Mal einem größeren Publikum vorgestellt. Sie ist mit Begeisterung von der Veranstaltung zurückgekommen. „Vorher habe ich gedacht, das wird doch sicher nichts. Da sind nur professionelle Aussteller.“ Von der Messe ist sie mit einigen Bestellungen wiedergekommen. Ein etwa 10-jähriger Junge möchte einen Hut mit einem Panzer.
Möglich sei eigentlich alles. „Einige Besucher aus Deutschland haben gesagt, dass es so etwas auch bei ihnen nicht zu kaufen gibt.“ Sie selbst war ebenfalls eine gute Kundin auf der Messe. Dort gebe es viele Bastelutensilien zu kaufen. In Luxemburg sei die Auswahl eher begrenzt. Deswegen muss sie ihr Material oft im Internet bestellen.
Es ist auf jeden Fall eine Leidenschaft, die zeitaufwendig ist. Filzhüte zum Beispiel müssen erst in mehreren Schritten in die richtige Form gebracht werden. Diese einzelnen Stufen nehmen Zeit in Anspruch. Dafür nehmen sich heutzutage nicht mehr viele Menschen Zeit. Das handwerkliche Können gehe leider nach und nach verloren. „Für zehn Euro gibt es Hüte aus China zu kaufen.“ Das sei dann eine andere Qualität und die werden nach einiger Zeit weggeschmissen. „Vielleicht denken wir um, wenn niemand mehr etwas kann“, sagt Véronique nachdenklich.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos