Editorial / Olympia als Fest zum Ende der Pandemie ist verlockend, aber nicht in diesem Sommer
In Tokio werden zurzeit 500 Krankenpfleger und 200 Sportärzte gesucht. Nicht etwa, um der aktuellen vierten Corona-Welle Herr zu werden, sondern um in gut zweieinhalb Monaten bereit zu sein, die Sportler und Betreuer während der Olympischen Spiele täglich testen zu können. Bei steigenden Infektionszahlen, Fachkräftemangel, überfüllten Krankenhäusern und geltendem Notstand bis voraussichtlich 11. Mai sollte sich bei dieser Ankündigung der Organisatoren niemand mehr wundern, dass sich die Vorfreude in der japanischen Bevölkerung auf die Spiele in Grenzen hält. Ärzteverbände warnen davor, medizinisches Personal für Olympia abzustellen, und fordern stattdessen, dass sämtliche verfügbaren Kräfte eingesetzt werden sollen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Bekundungen des Organisationskomitees der Spiele, dass man das Gesundheitssystem nicht schwächen werde, scheint die japanischen Mediziner nicht wirklich zu überzeugen.
Der Besitzer der Olympischen Spiele, das Internationale Olympische Komitee (IOC), scheint trotz der aktuellen Corona-Lage gewillt zu sein, die Veranstaltung mit Zehntausenden von Menschen stattfinden zu lassen. Es geht schließlich um sehr viel Geld – aber darum geht es in der Pandemie auch in anderen Wirtschaftszweigen. Das IOC scheint jedoch für seine Milliardenbeträge die Gefährdung der kollektiven Gesundheit in Kauf zu nehmen. Eine Garantie für sichere Spiele gibt es nämlich trotz strenger Hygienekonzepte nicht. Eine gigantische Blase, wie bei Olympia geplant, ist nicht ohne Risiko. Da sind in den vergangenen Monaten bei Sportveranstaltungen schon wesentlich kleinere Blasen geplatzt. Laut ARD-Sportschau sind 2021 mindestens 208 Infektionen von Athleten auf Sportveranstaltungen zurückzuführen.
Sogar wenn die Sportler bei Olympia recht sicher sind, wie sieht es mit den Tausenden Helfern aus, Polizisten, Freiwilligen, Fahrern und so weiter? Dass es sogar beim Fackellauf zu Corona-Infektionen kam, steigert das Vertrauen nicht unbedingt.
Sogar aus der IOC-Athletenkommission gibt es kritische Stimmen. Hayley Wickenheiser, eine ehemalige kanadische Eishockeyspielerin und angehende Ärztin, hat gefordert, dass Mediziner und Gesundheitsexperten die endgültige Entscheidung über eine Austragung oder eine Absage der Olympischen Spiele treffen sollen, und nicht große Unternehmen. Das wäre nicht nur mit Blick auf die Pandemie ein sinnvolles Vorgehen, sondern würde das IOC auch wieder an die Allgemeinheit führen. Was passiert, wenn sich der Sport zu sehr von seinen Fans entfernt, hat der Fußball mit dem Projekt Super League erst kürzlich bewiesen. Der Schaden an Olympia blieb bislang trotz Gigantismus und Schulterschlüssen mit autoritären Regimen, die keinen Wert auf Menschenrechte legen, relativ gering. Sollten die Spiele nun dazu beitragen, dass das japanische Gesundheitssystem noch stärker unter Druck gerät oder die Wettkämpfe gar zum Superspreader-Event werden, würde sich das ändern.
Die Idee von Olympischen Spielen als großes Fest zum Ende der Pandemie war verlockend, doch der Sommer 2021 kommt hierfür zu früh.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
Ech fäerte ganz, dir hutt a behaalt mat Ärer Conclusioun Recht. Mee ech si mir awer net sécher, ob den H. Bach a seng „Gesellen“ dat och wäerten agesinn. D’Ofos vun den OS kënnt dann, wann dat japanescht Vollek mol bis „rebelléiert“, well jo elo schonn eng däitlech Majoritéit vun de Japaner géint OS am August 2021 sinn.