/ On Tour mit der Cajón: Andrija Hadzic jammt durch die Welt
Jam-Sessions, Improvisieren, „good vibes“ – das ist Andrija Hadzics Welt. In Luxemburg ist er kein Unbekannter mehr: Regelmäßig performt er Songs von Bob Marley oder Ella Fitzgerald in der Oberstadt. Im Gepäck: meistens nur seine Cajón, eine Art Kistentrommel. Mehr braucht der junge Straßenmusiker nicht, um zu grooven. Wenn dann mal mehr Instrumente benötigt werden, ist seine Gruppe Funkier Project mit von der Partie.
Andrija war erst sechs oder sieben Jahre alt, als er sich zum ersten Mal in einen Song verliebt hatte. Die Melodie und Akkorde ließen ihn nicht mehr los. Er hörte sich das Lied immer wieder an – denn Zuhören, sagt Andrija noch heute, sei das Allerwichtigste beim Musizieren. Plötzlich lief der Junge nur noch durch die Nachbarschaft und sang drauf los – zum Leidwesen seiner Freunde. „Du singst gut, aber es ist wirklich schwierig, dir zuzuhören“, sollen sie zu ihm gesagt haben.
Doch die Musik ließ ihn nicht mehr los. Mit 17 oder 18 Jahren gründete er seine erste Band. Erste Erfahrungen kamen zustande, aber nicht nur positive. „Man wird schnell ausgebeutet“, warnt Andrija heute. Viele Manager seien sich nicht bewusst, wie wertvoll das sei, was Musiker ihrem Publikum geben. „Dieser Kick, diese Emotionen – das hat keinen Preis.“
Die ersten Schritte als Busker
Dem Künstler geht es nicht in erster Linie ums Geld. Er gehört einer internationalen Community von Straßenmusikern, sogenannten Buskers, an, die durch die Welt touren und den direkten Kontakt mit dem Publikum bevorzugen. Daneben tritt er auch auf privaten Festen auf.
Doch die Straße, die Jam-Sessions (zwangloses Zusammenspiel von Musikern, Anm. d. Red.), das Improvisieren – das ist seine Welt. Vor rund acht Jahren hat Andrija beschlossen, das Probezimmer zu verlassen und die Straße zur Bühne zu machen. Das Ganze begann in seiner Heimatstadt, einem 25.000-Einwohner-Ort in Serbien. Er war mit einem Freund unterwegs, mit dem er öfters Musik machte.
Foto: Zeuhheka
„Die Straße ist der Ort, an dem man sein Talent entfaltet“
Irgendwann kam die große Frage auf: „Warum jammen wir nicht einfach, wie wir es sonst immer tun, aber auf der Straße?“ Für die Jugendlichen lief der erste Versuch erstaunlich gut. Jeweils 10 Euro kamen innerhalb einer Stunde zusammen. Und vor allem hatten sie die für sie beste Bühne der Welt gefunden.
„Da habe ich mich gefragt: Warum nicht hier spielen, statt in irgendeiner Bar für einen wenig dankbaren Manager aufzutreten?“, blickt Andrija zurück. „Die Straße ist der Ort, an dem man sein Talent entfaltet, sich ausdrücken und seine Kunst einem Publikum zeigen kann.“ Bei einem offiziellen Konzert herrsche ein anderes Ambiente, das wenig Platz für Spontanität lasse. „Auf der Straße hingegen ziehst du deine Show durch, aber du darfst auch Fehler machen und mit den Menschen um dich herum kommunizieren. Sie ist sozusagen das Bindeglied zwischen Probe und Auftritt.“
Spontanität und künstlerische Freiheit
Außerdem könne er auf der Straße die Musik spielen, die man möchte. „Viele Veranstalter haben eine genaue Vorstellung davon, was du an einem Abend machen sollst: Sie wollen bestimmte Songs, vor allem kommerziellere, hören. In dem Moment verlierst du aber einen Teil deiner künstlerischen Freiheit. Deswegen finde ich, dass die Straße wunderbar ist“, ergänzt Andrija.
Als Musiker möchte er sich trotzdem nicht bezeichnen. Das liegt nicht nur daran, dass das nicht die einzige Kunstrichtung ist, mit der er sich befasst, sondern an der Tatsache, dass er sich noch nie mit Schubladendenken identifizieren konnte. Neben der Musik malt er auch.
Tomaten ernten
„Eigentlich bin ich Bauer!“, sagt Andrija und lacht. „Ich habe nämlich ein paar Mal in dem Bereich gearbeitet. Es ging um … Tomatenernten, glaube ich? Doch was ich hiermit sagen möchte: Musik machen ist mein Lebensunterhalt, aber das macht mich nicht zu einem Musiker. Ich will mich nicht mit einer bestimmten Kategorie identifizieren. Klar, jemand, der mir zum ersten Mal begegnet, würde mich als Musiker bezeichnen. Das würde ich als Richtung akzeptieren, aber ich versuche mich grundsätzlich von solchen Konzepten zu distanzieren.“
Auf bestimmte Genres oder Instrumente möchte er sich ebenfalls nicht festlegen. Er hat bereits an mehreren Projekten mitgewirkt, unter anderem an einer Organic-Trance-Gruppe. Auch was Instrumente angeht, hat der Künstler so einiges an Erfahrung sammeln können. „Was uns als Personen auszeichnet, sind nicht Kategorien, unser Job oder der Inhalt unseres Geldbeutels. Wir sind alle Menschen und frei, das zu tun, was wir wollen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob man sagen kann, dass ich Instrumente spiele. Ich mache halt Musik damit, bin aber nicht darin ausgebildet. Eines kann ich zumindest sagen: Ich singe viel. Drei bis vier Stunden am Tag.“
Von Bob Marley bis D’Angelo
Klassische Vorbilder hat er nicht. Das wäre ihm zu strikt als Konzept. Wen er denn bewundere? Auf jeden Fall Bob Marley. Dann noch den australischen Folk-Singer-Songwriter Matt Corby. Viele Musiker fallen ihm auf Anhieb nicht ein, denn er richte sich lieber nach einzelnen Songs, die er gerne hört, beispielsweise von Led Zeppelin, Jacob Collier oder Black Keys.
Zurzeit beschäftigt er sich besonders mit dem Song „Unshaken“ von D’Angelo. „Ein wahres Meisterwerk aus dem R’n’B- und Funk-Bereich“, findet Andrija, „sowohl vom gesanglichen als auch vom technischen Standpunkt aus.“
Die Geschichte mit dem Fischsarg
In Luxemburg ist Andrija meistens mit seiner Cajón zu sehen. Das Instrument stammt ursprünglich aus Peru und kann ein ganzes Drumset ersetzen. Sein eigenes Exemplar hat er von einem befreundeten Pianisten zum Tausch gegen Konzerttickets erhalten. Seitdem ist sie sein ständiger Begleiter – und praktisch obendrein. „Fluggäste müssen einen Zuschlag bezahlen, wenn sie ein Musikinstrument dabei haben“, erzählt Andrija. Viele würden die Cajón jedoch nicht kennen. Also bewahrte er Kleidung und andere Gegenstände darin auf und beschrieb das Miniatur-Drumset gegenüber den Sicherheitsleuten als Koffer.
Sowieso könne die Cajón das sein, was jeder darin sehen möchte: eine Box, ein Musikinstrument, Stuhl oder sogar ein Fischsarg. „Es ist Ansichtssache, wie alles im Leben“, sagt Andrija. Einmal ist er einer Person begegnet, die meinte, er würde tote Fische darin transportieren.
Andrija fällt gerade ein, dass er noch ein weiteres Exemplar in Rom gelassen hat. „Eigentlich liegen überall auf der Welt Instrumente von mir herum, die ich auf meinen Reisen hintergelassen habe. Die müsste ich irgendwann mal abholen“, fügt er lachend hinzu. „Wissen Sie, im Grunde genommen kann alles ein Instrument sein. Manche Menschen machen Musik mit ihren Zähnen oder mit ihren Ohren.“
Funkier Project
Stichwort Welt: Da ist ja auch noch Funkier Project, eine internationale Gruppe, die Andrija gemeinsam mit einem Freund von ihm, dem Gitarristen Petar, gegründet hat. Sie setzt sich aus neun Musikern aus unterschiedlichen Ländern wie Luxemburg, Serbien und den Niederlanden zusammen. Das ist auch einer der Gründe, warum er immer wieder ins Großherzogtum zurückkehrt. „Ich treffe mich mit den Musikern an ihren jeweiligen Wohnorten. Es ist schwierig, alle zusammenzubringen, aber ich möchte das unbedingt einmal schaffen. Mein Ziel ist, dass wir alle eines Tages ins Studio gehen und eine Live-Session aufnehmen.“
Aber eigentlich, betont Andrija, seien sie alle „nur eine Gruppe von Menschen, die gerne Musik machen“. Zurzeit habe er noch einen Drummer im Blick, mit dem er bereits gejammt habe und den er unbedingt für das Projekt rekrutieren möchte.
Foto: Borko Miladinovic
An Luxemburg gefällt ihm vor allem das Multikulturelle. Seitdem er vor drei Jahren zum ersten Mal hierzulande haltgemacht hat, sei er vorwiegend sehr netten Menschen begegnet. „Ich mag es, wenn Personen neugierig sind. Ich bin selber sehr neugierig, möchte Neues erleben und außergewöhnliche Menschen kennenlernen. Individuen, die aus der Reihe tanzen. Wir haben alle Ängste und Unsicherheiten, aber es ist wichtig, dass sie uns nicht davon abhalten, das zu tun, was wir gerne machen.“
Und das, was er gerne macht, lebt Andrija jeden Tag aus. Wohin ihn die nächste Etappe führen wird, weiß er schon: „Ich möchte nach Thailand ziehen und dort als DJ unterwegs sein. Aber vorerst geht es zurück nach Serbien: per Autostopp. Das wollte ich immer mal machen: eine ganze Strecke auf diese Weise zurücklegen.“
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