Medienberichte / #OpenLux: Um was es bei den Enthüllungen geht und woher die Daten kommen
Luxemburg steht international wieder einmal als Steueroase am Pranger. Dieses Mal werden die Vorwürfe nach der sogenannten „OpenLux“-Recherche von 17 Medienpartnern, darunter der „Süddeutschen Zeitung“, „Le Monde“ und „Woxx“, erhoben.
Was ist passiert?
17 Medienpartner haben gemeinsam öffentlich zugängliche Datenbanken in Luxemburg durchforstet. Ihr Ziel war es herauszufinden, wem die über 140.000 im „Luxembourg Business Register“ (LBR) eingetragenen Firmen eigentlich gehören – und wer somit von der Steuerpolitik des Landes profitiert. Dies ist seit der Einrichtung des „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE) möglich. Allerdings bemängeln die Journalisten große Mengen an fehlenden oder fehlerhaften Daten. Außerdem würde es Luxemburg weiter begünstigen, dass sich Milliardenunternehmen und Superreiche über das Großherzogtum vor den Steuern im eigenen Land drücken.
Wer hat sich an den Recherchen beteiligt?
Angestoßen hat die Recherchen über die Besitzbeteiligung an luxemburgischen Firmen die französische Tageszeitung Le Monde. Gemeinsam mit unter anderem der Süddeutschen Zeitung, dem Journalistennetzwerk „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP), der belgischen Zeitung Le Soir, der Luxemburger Wochenzeitung Woxx sowie der US-amerikanischen Mediengruppe McClatchy wurden während mehrerer Monate die Informationen der Datenbanken in Luxemburg abgegriffen und verarbeitet. Die Recherchen wurden nun unter dem Titel „OpenLux“ veröffentlicht.
Woher kamen die Daten?
Im Gegensatz zu früheren Steueraffären, wie etwa den „Lux-Leaks“, den „Panama Papers“ oder den „Paradise Papers“, geht es bei „OpenLux“ nicht um sogenannte „geleakte“ Dokumente. Die Informationen, die die 17 Medienpartner analysiert haben, waren nicht vertraulich, sondern stammen aus öffentlich einsehbaren Registern in Luxemburg. Ausgewertet wurden unter anderem Daten aus dem 2019 entstandenen „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE), das die Eigentümer hinter den Firmen aufführen soll, und dem „Registre de commerce et des sociétés“ (RCS), in dem alle administrativen Akten von Luxemburgs Unternehmen hinterlegt werden.
Es ist allerdings so, dass, obwohl die Daten auf der Webseite des „Luxembourg Business Register“ (LBR) öffentlich sind, es nicht heißt, dass sie auch einfach zu finden und auszuwerten sind. Laut den Journalisten von Le Monde findet man die genauen Unterlagen zu einer Firma nur, wenn man auch deren genauen Namen eingibt. Es ist beispielsweise nicht möglich, den Namen einer bestimmten Person einzugeben und dann alle Firmen angezeigt zu bekommen, in denen sie Anteile hat.
Um sich die Arbeit zu erleichtern, haben die Journalisten schließlich auf ein sogenanntes informatisches Skript zurückgegriffen. Sie haben im Netz „Bots“, also Roboter-Suchanfragen, auf der Website erstellen lassen, etwa so als hätten eine Million Nutzer in einem Jahr die Webseite des LBR durchforstet. Die Bots haben dann seit 2016 alle Informationen heruntergeladen und gesammelt. Das nennt man in der Fachsprache „scrapen“, vom englischen Verb „kratzen“. Damit entstand eine Datenbank, die sich ständig weiter erweitert und bis 2020 schon 3,3 Millionen Dokumente und etwa 1,3 Terabyte Daten umfasst und von den Journalisten „OpenLux“ getauft wurde. Diese enthält Informationen, die bis ins Jahr 1950 zurückgehen und mehr als 260.000 Luxemburger Firmen im Laufe der Jahre verzeichnen.
Vor der Gründung des RBE ging allerdings aus den heruntergeladenen Dokumenten nicht hervor, wer denn nun eigentlich hinter den Firmen stand. Das änderte sich 2019.
Was ist das „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE)?
Das „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE), zu Deutsch Register über die wirtschaftlichen Eigentümer, wurde in Luxemburg im September 2019 eingeführt. Dies, nachdem eine 2018 erlassene EU-Direktive von den Mitgliedstaaten verlangte, öffentliche Register zu schaffen, in denen die Eigentümer von Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten aufgeführt werden.
In Luxemburg werden mehr als 140.000 aktive Unternehmen, Fonds und Stiftungen im RBE geführt. Hier müssen die im Handels- und Firmenregister (RCS) eingetragenen Einrichtungen ihre wirtschaftlichen Eigentümer eintragen. Die Meldepflicht liegt beim Antragsteller. Da das RBE in den Zuständigkeitsbereich des „Luxembourg Business Register“ (LBR) fällt, kontrollieren die dort 59 angestellten Personen auch die Richtigkeit der einzutragenden Daten. Dazu gleichen sie diese mit anderen luxemburgischen Datenbanken oder mit Dokumenten, die vom Antragsteller zu Kontrollzwecken mitgeteilt werden, ab.
Gegenüber dem investigativen Recherchenetzwerk sollen die Luxemburger Behörden behauptet haben, dass 88 Prozent der Luxemburger Unternehmen die Transparenzregeln respektieren. Im „OpenLux“ zeigt sich aber laut dem Recherchenetzwerk, dass nur 52 Prozent der Firmen einen Eigentümer eingetragen haben. Bei mehr als 68.000 Unternehmen sei immer noch unklar, wer eigentlich dahinter steht.
Mehr als 26.000-mal wurden überhaupt keine Daten eingegeben. Deswegen seien auch 18.966 Dossiers vom LBR an die Luxemburger Staatsanwaltschaft überreicht worden. Das bestätigt die Staatsanwaltschaft auch gegenüber dem Tageblatt. Eigentümer müssen mit Strafen von 1.250 bis 1,25 Millionen Euro oder Gefängnis rechnen, wenn sie sich nicht im RBE eintragen.
Neben Versäumnissen sollen einige aber auch „Schlupflöcher“ nutzen, wie es die Süddeutsche Zeitung bezeichnet. Eine Person, die zum Beispiel weniger als 25 Prozent eines Unternehmens besitzt, muss nicht im RBE genannt werden. Das trifft auf etwa 40.000 eingetragene Organisationen zu. Aktiengesellschaften zum Beispiel müssen ihre Kleinaktionäre nicht alle einzeln aufführen. 156-mal wurde die „Clause de confidentialité“ geltend gemacht. Über diese wird von Fall zu Fall entschieden und man muss nachweisen, dass eine Veröffentlichung des Eigentümers diesen gefährdet. Außerdem bemängeln die Journalisten, dass aufgelöste Firmen wieder aus dem Register verschwinden – und somit auch die Besitzer nicht mehr ausfindig gemacht werden können.
Doch auch die restlichen Daten scheinen nicht fehlerfrei zu sein. Wie „OpenLux“ enthüllt, gibt es unter anderem Unstimmigkeiten bei Namen, Adressen oder sogar Geburtstagen von angeblichen Eigentümern. Ein Franzose soll als Geburtsdatum etwa das Jahr 2087 angegeben haben. Miuccia Bianchi Prada, Geschäftsführerin des bekannten Modeunternehmens, ist nach den Unterlagen des RBE am 10. Mai 1048 geboren. Dabei betont die EU selbst, dass die nationalen Register nur dann effizient sind, wenn die dort vorhandenen Informationen auch verifizierbar sind.
Wer profitiert vom System?
Wie schon bei den „Panama Papers“ und ähnlichen Enthüllungen liest sich die Liste der an den Pranger gestellten Eigentümer von Luxemburger Unternehmer wie ein eklektisches Wer-ist-Wer aus Politik, Unterhaltung, Sport, Superreichen und Großunternehmen. Angelina Jolie, Brad Pitt, Shakira, Tiger Woods, 35 der 50 reichsten französischen Familien, Großaktionär Stefan Quandt, Fußballer David Luiz, TV-Star Robert Geiss, Scheich und Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate Chalifa bin Zayid Al Nahyan … sie alle sollen sich über Luxemburger Unternehmen vor Steuern in den eigenen Ländern gedrückt haben. Aber auch düsterere Gesellen sollen sich das Luxemburger System zunutze machen, schreiben Le Monde und die Süddeutsche Zeitung. Darunter etwa die italienische Mafia ’Ndrangheta, die italienische Partei Lega Nord und die russische Unterwelt.
Laut „OpenLux“ gehören von mehr als 140.000 Unternehmen in Luxemburg nur 14.531 auch Personen mit luxemburgischer Nationalität. 14.704 gehören Franzosen, hinter mehr als 10.000 stehen belgische Besitzer, bei mehr als 4.600 sind es Deutsche. 27.000 weitere Unternehmen sollen ausländische Eigentümer haben.
Ist es illegal, eine Firma in Luxemburg zu besitzen?
Nein. Im Gegensatz zu den durch die „Panama Papers“ veröffentlichten Steuerhinterziehungen geht es bei „OpenLux“ nicht um illegale Handlungen, sofern man das jeweilige nationale Steueramt über die in Luxemburg ansässigen Firmen und dort stattfindenden Geldflüsse informiert. Le Monde, die Süddeutsche und ihre anderen Medienpartner stellen aber infrage, wie moralisch richtig es ist, dass Luxemburg durch niedrige Steuersätze große Unternehmensgruppen und Superreiche dazu motiviert, über das Großherzogtum Steuern zu vermeiden. Die Luxemburger Regierung weist diesen Vorwurf zurück. Man würde sich an alle geltenden Regeln halten. Intransparente Firmenstrukturen können es allerdings erlauben, dass kriminelle Gruppen ihr illegal erworbenes Geld in dubiosen Unternehmen waschen. Dass auch Luxemburg von solchen Machenschaften bedroht ist, davor warnte das Luxemburger Justizministerium im vergangenen Jahr.
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