/ Operation mit kleinen Statistik-Tricks: Werden im Norden Luxemburgs die Krankenhaus-Betten knapp?
Für den Norden Luxemburgs werden nicht ausreichend Krankenhausbetten vorgehalten – diesen Vorwurf transportiert eine parlamentarische Anfrage der CSV. In ihrer Antwort zweifelt die Regierung die zugrunde gelegten Daten an – und stellt selbst einige Zahlen eigenwillig dar.
Im Norden Luxemburgs werden nicht genügend Krankenhausbetten vorgehalten – gerade in Hinblick auf die überproportional schnell anwachsende Bevölkerung. Das erklären die CSV-Abgeordneten Martine Hansen und Marco Schank in einer parlamentarischen Anfrage (Nummer 176 , hier als PDF) an Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP).
Obwohl das Einzugsgebiet des Nordhospitals (Centre Hospitalier du Nord, CHdN) in der Realität über die eigentliche Region hinausgehe, trage die Planung dem nicht Rechnung – sodass „2022 nur noch rund 2,65 Akutbetten pro 1000 Einwohner im Norden zur Verfügung stehen werden, gegenüber einem nationalen Schnitt von 3,9 Akutbetten (Stand 2018).“
EXTRA: AKUTBETTEN
Akutbetten sind die Einheiten, über die der klassische Krankenhausbetrieb abläuft: In ihnen liegen Patienten, die gebären, die operiert werden, oder die wegen plötzlichen Erkrankungen eingewiesen wurden – und nach höchstens 30 Tagen die Klinik wieder verlassen. Mit der Anzahl der Akutbetten vergleicht die OECD die Gesundheitssysteme verschiedener Staaten. (sen)
Die CSV will wissen, ob die Regierung sich der Entwicklung im Norden Luxemburgs bewusst sei – und wie sich die Zahl der Akutbetten im nationalen und internationalen Vergleich einnehme.
Auf welche Quelle sich die von der CSV benutzten Zahlen stützen, bleibt zunächst unklar. Auf Tageblatt-Anfrage sagt der CSV-Abgeordnete Marco Schank aber, dass sie direkt vom CHdN stammten.
Weniger Betten als die Opposition vermutet
Gesundheitsminister Étienne Schneider (LSAP) präsentiert in seiner Antwort jedenfalls andere: Landesweit hätten 3,5 Akutbetten pro 1000 Einwohner im Jahr 2018 bereitgestanden, erklärt er.
Die 321 Akutbetten, die das CHdN im Juli 2018 angeführt habe, wurden in Relation gesetzt zu den 91.186 Einwohnern, die 2018 in den Nord-Kantonen Clervaux, Diekirch, Redange, Vianden und Wiltz lebten.
Das CHdN in Wiltz. Foto: Tania Feller
Dies entspräche zudem der Quote an Akutbetten, wie sie für das gesamte Land vorgehalten würden: Hier sind es 2096 Betten für 602.005 Einwohner – also ebenfalls 3,5.
Damit räumt die Regierung kurioserweise also sogar eine niedrigere Zahl ein als die von der Opposition genannten 3,9.
So oder so sei man aber gut gerüstet – auch im internationalen Vergleich. Das will Schneider mit einer Statistik von 2017 belegen, in der die OECD die Zahl der „Gesamtbetten“ (also nicht nur der Akutbetten) in ihren Mitgliedsstaaten verglichen hat (hier als PDF).
Dabei führt Schneider die Nachbarländer Deutschland, Belgien und Frankreich explizit auf:
Aber: Die untere, gefettete Zeile von Schneiders Tabelle fasst nicht die Mittelwerte der Nachbarländer zusammen, sondern die aller OECD-Staaten. So kann Schneider herausstellen, dass Luxemburg mit seinen 4,8 Gesamtbetten leicht über dem Durchschnitt liege.
Damit wird allerdings kaschiert, dass das Land im Vergleich zu den Nachbarn bei weitem die wenigsten Gesamtbetten pro Einwohner bereithält. Der Durchschnitt der drei Nachbarn liegt nämlich bei 6,8 Betten.
Auch bleibt eine der Fragen von Hansen und Schank unbeantwortet – denn die CSV-Politiker wollten wissen: „Wie ist das Ratio von Akutbetten im Vergleich mit unseren Nachbarländern?“
Das Tageblatt hat nachgerechnet: Schlüsselt man die „ungefähre“ Anzahl der Akutbetten der Nachbarländer auf, gab es 2017 in Luxemburg 4,1 Betten, in Deutschland 6,4, in Belgien 5,3 und in Frankreich 3,6.
Die drei Nachbarländer halten im Durchschnitt 6,8 Gesamtbetten (beziehungsweise 5,1 Akutbetten) bereit. Bei beiden Werten liegt Luxemburg also deutlich unter dem Durchschnitt.
„Man kann diese Werte aber nicht so einfach miteinander vergleichen“, warnt René Pizzaferri, Präsident der Patientenvertretung, gegenüber dem Tageblatt. Vielmehr müsse man die verschiedenen Gesundheitssysteme betrachten, um etwa zu verstehen, warum Deutschland fast doppelt so viele Betten bereithält wie Luxemburg. Denn hierzulande sei man dabei, „Strukturen zu schaffen, um mehr über ambulante Versorgung zu erledigen“ – wodurch viele Krankenhausaufenthalte enorm verkürzt werden oder gar entfallen könnten.
Auch Gesundheitsminister Schneider schreibt, die der Anfrage zugrunde liegenden Prognosen des CHdN für 2022 seien zu linear und ließen „andere Faktoren, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung der Arztpraxen (ambulante Behandlungen) und die nationale Planung außer Acht.“
Wie viele Betten sind aber wirklich nötig? Der Gesundheitsminister teilt jedenfalls mit, dass laut des Berichts „Carte Sanitaire“ (Website) im Jahr 2015 die Quote der belegten Betten im CHdN 75,6 Prozent betragen habe. Das ist weit entfernt von den 85 Prozent, die ein Luxemburger Gesetz als problematische Schwelle sieht, um etwa noch auf eventuelle Katastrophen reagieren zu können. Auch der „Patientenvertreter“ Pizzaferri sieht jedenfalls weder einen akuten noch einen drohenden Notstand: Fälle, in denen jemand abgewiesen worden sei, hätten sich eigentlich immer schnell klären lassen.
Aspekte außer Acht gelassen?
Marco Schank überzeugt das nicht: „Uns wird immer wieder berichtet, dass zu wenige Betten vorhanden sind“, beharrt der CSV-Mann gegenüber dem Tageblatt.
Zudem lasse die Regierung in ihrer Antwort weiterhin den Aspekt außer Acht, dass das reale Einzugsgebiet des Krankenhauses größer sei als eigentlich geplant – und dass gerade im Norden die demografische Entwicklung noch schneller ablaufe als im Rest des Landes.
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