Parlament / Opposition zerpflückt außenpolitische Erklärung
Gestern haben sich die Abgeordneten zur außenpolitischen Erklärung von Jean Asselborn am Dienstag geäußert. Viel Kritik äußerte die Opposition, auch wenn sie durchaus positive Elemente entdeckte.
Manchmal erleichtert das Dasein auf der Oppositionsbank das politische Handwerk. Das ist etwa der Fall bei Debatten zur Außenpolitik. Anders als der Amtsinhaber darf man sich einer undiplomatisch klareren Sprache bedienen. Und davon machte u.a. CSV-Sprecher Claude Wiseler ausführlich Gebrauch.
Nichts Neues habe er bei der Weltrundfahrt des Außenministers festgestellt, begann Wiseler seine Ausführungen. Wie bereits in der Vergangenheit vermisste er außenpolitische Kohärenz. Jeder kenne Jean Asselborn, aber niemand kenne Luxemburgs außenpolitische Leitlinien. Bereits 2020 habe man präzisere Angaben gefordert – welche Zielsetzungen sich Luxemburgs Außenpolitik setze. Was es mit seinem diplomatischen Netz erzielen wolle. Bisher sei nichts dergleichen vorgelegt worden. Zwar werde auf EU-Ebene ein derartiger Kompass ausgearbeitet, aber auch Luxemburg benötige derlei. Das sei umso wichtiger, als die Welt sich seit 2004, dem Jahr, als Asselborn erstmals Außenminister wurde, verändert habe. Wiseler sprach von einer heute radikal anderen Welt. Seit der Annexion der Krim mit militärischer Gewalt durch Russland sei klar geworden, dass die Politik nicht mehr mit Diplomatie, sondern mit Waffen und Gewalt arbeite. Die EU habe da zugeschaut.
EU mit weniger Modellcharakter
Für ein verändertes Umfeld sorgten die USA mit ihrer Rückbesinnung auf die prioritäre Verteidigung eigener Interessen und China mit dessen wachsender Rolle auf der außenpolitischen Bühne. Russland treibe den eigenen Nationalismus voran und stelle sich zunehmend in Opposition zur EU. Vor diesem Hintergrund wies Wiseler auf die Schwäche der EU dort hin, wo grundlegende Prinzipien der Demokratie in Frage gestellt würden. Die EU habe immer weniger Modellcharakter. Auch Länder, denen sie helfe, schauten sich immer öfters nach anderen Modellen um. Die wenigsten wollten den europäischen Weg gehen.
Anhand mehrerer aktueller Krisen versuchte der CSV-Abgeordnete die große Abhängigkeit der EU von anderen Akteuren nachzuweisen. Das sei der Fall gewesen beim überraschenden und folgenschweren Abzug der USA aus Afghanistan. Ihre Unfähigkeit beweise die Union auch in der Flüchtlingskrise. Sie sei nicht in der Lage, gemeinsam die richtigen außenpolitischen Entscheidungen zu treffen. Zwar habe man in der Covid-Krise Erfolge zu verzeichnen, etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen und des Covid-Passes. Zu Beginn der sanitären Krise habe sich jedoch auch die große Abhängigkeit von Material aus Nicht-EU-Zonen gezeigt. Abhängigkeiten der EU hob Wiseler zudem in Energiefragen und bei technologischen Entwicklungen hervor. Die EU müsse sich um mehr Autonomie bemühen.
All das sei Bestandteil der Außenpolitik, denn sämtliche Regierungsressorts müssten impliziert werden, betonte Wiseler. Derzeit entstehe jedoch der Eindruck, als ob jede Seite ihr eigenes Süppchen koche. Das sei keine Außenpolitik aus einem Guss. Außenminister Asselborn erwecke bisweilen den Eindruck eines unabhängigen Künstlers, der tun dürfe, was er wolle, aber was niemanden interessiere. Für mehr Kohärenz schlug Wiseler das Zusammenlegen der diplomatischen und wirtschaftlichen Auslandsvertretungen Luxemburgs vor. Dem Außenminister käme dabei die koordinierende Rolle des Ganzen zu. Diese dürfe nicht darin bestehen, zu jedem Konflikt seinen Senf dazuzugeben.
Luxemburg im UN-Menschenrechtsrat
Als großen Erfolg bezeichnete Wiseler, dass Luxemburg in den Menschenrechtsrat der UNO gewählt wurde. Sei jedoch klar, was man damit anstelle wolle? Werde man für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nur dann eintreten, wenn wirtschaftliche Interessen nicht gefährdet seien? Wiseler forderte bedingungslosen Einsatz für die Grundrechte und nicht nur, wenn es einen arrangiere. Menschenrechtsverletzungen sollten immer angeprangert werden, nicht nur bei den Kleinen, nicht nur in Aserbaidschan und Syrien, sondern auch in Russland und China. Letzteres bezeichnete Wiseler als Partner und Konkurrent, der nicht immer mit fairen Methoden agiere.
Da die USA entschieden hätten, prioritär die eigenen Interessen zu verteidigen und die Sicherheit Europas, die Lage im Mittleren Osten und auf dem afrikanischen Kontinent nicht mehr Priorität der USA sei, müsse die EU realpolitisch vorgehen und eigene Verteidigungs- und Sicherheitsfähigkeiten entwickeln. Man dürfe nicht mehr ein Anhängsel der USA sein.
Auch die CSV sieht derzeit keine Zukunft für die Türkei in der EU. Hier müsste eine klare Sprache gesprochen werden. Und auch die NATO müsste sich fragen, wie mit einem Mitglied umzugehen sei, das ein anderes Mitglied bedränge. Gleichzeitig müsse der Dialog mit der Türkei aufrechterhalten werden. Auch um zu verhindern, dass sie sich China oder Russland zuwendet.
Die CSV teile das Engagement des Außenministers für mehr Europa ebenso wie den Einsatz für die Menschenrechte. Sie wünsche sich jedoch eine klare außenpolitische Vision, die von der gesamten Regierung getragen werde. Den Schluss hob sich Wiseler für einen Seitenhieb auf Premierminister Xavier Bettel auf. Wegen dessen Plagiatsaffäre habe Luxemburg international ein Glaubwürdigkeitsproblem. Da sei der Außenminister noch zusätzlich gefordert. Bettels Parteifreund Gusty Graas begann seinen Exkurs durch das Weltgeschehen dort, wo Wiseler seinen soeben beendet hatte. Premier Bettel erfreue sich nach wie ausgezeichneter internationaler Verbindungen, betonte Graas.
Patentrechte auf Covid-Impfstoffe
Als zweiter Oppositionsredner bemühte sich Fernand Kartheiser (ADR), Widersprüche zwischen den außenpolitischen Zielsetzungen und konkretem innenpolitischem Verhalten darzulegen. Zuvor hatte er Asselborn für Luxemburgs Sitz im Menschenrechtsrat der UNO beglückwünscht und dabei erinnert, dass 117 Länder bereits Mitglied waren und Luxemburg nun zusammen mit Gambia, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Eritrea darin tagen werde. Ein Zeichen, dass man nicht unbedingt ein perfekter Menschenrechtsverfechter sein müsse.
Im Menschenrechtsrat wolle sich Luxemburg für die Rechte der Frauen und Mädchen einsetzen. Im eigenen Land arbeite es jedoch an einem Filiationsgesetz, das die Leihmutterschaft im Ausland anerkennen soll, also die Ausbeutung der Frau als „Gebärmaschine“. Dabei habe der Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats 2019 an die Länder appelliert, gesetzlich gegen den „Verkauf von Kindern“ vorzugehen, die kommerzielle Leihmutterschaft zu verbieten und der Leihmutter die Mutterschaftsrechte nicht vorzuenthalten. Einen Widerspruch sah Kartheiser ebenfalls im erklärten Schutz der Kinderrechte und der staatlichen Subventionierung von E-Autos. Denn für die Batterien werde Cobalt aus Kongo benutzt, wo Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten würden.
Nathalie Oberweis („déi Lénk“) kritisierte insbesondere die Weigerung der reichen Länder, die Patentrechte auf Covid-Impfstoffe zeitweilig aufzuheben. Auch Luxemburg habe die Initiative abgelehnt. In der Außenpolitik gehe es meist um den Schutz eigener Interessen und nicht in erster Linie um die Verteidigung der Menschenrechte. Auch wenn der Außenminister dem widerspreche. Doch Worte wiegen weniger als Taten. Auch Luxemburgs Einsatz auf dem afrikanischen Kontinent geschehe aus eigenen Interessen. Beliebte Partnerländer seien auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. In den VAE würden Oppositionelle eingesperrt, genauso in Saudi-Arabien, das einen blutigen Krieg gegen Jemen führe.
Sven Clement (Piratenpartei) ging auf den überstürzten Abzug der USA und ihrer Alliierten in Afghanistan ein. Afghanische Asylantragsteller in Luxemburg könnten nichts dafür, dass ihre Angaben wegen des Regimewechsels in Kabul nicht überprüft werden könnten. Personen ohne Sicherheitsrisiko für die EU sollte der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden.
Lob der Mehrheitsparteien
Lob für Asselborns Außenpolitik gab es erwartungsgemäß seitens der Mehrheitssprecher. LSAP-Sprecher Yves Cruchten wies den Vorwurf der CSV fehlender Zielsetzungen in Asselborns außenpolitischer Rede zurück. Es reiche doch, die Erklärung nochmals zu lesen. Schwerpunkt seiner Ausführungen war das international veränderte Sicherheitsdenken. Auch Luxemburgs Sicherheit hänge von der Lösung internationaler Konflikte weit weg von den eigenen Landesgrenzen ab. Seine Partei spreche sich für die Schaffung eines europäischen Pols für Verteidigung aus. China stelle sein politisches Gewicht immer stärker zur Schau. Die EU sollte jedoch ihr Verhältnis zu China nuancierter betrachten als die USA. Den Dialog sollte man weiterhin auch mit Russland führen.
Stéphanie Empain („déi gréng“) zufolge würde ein Lieferkettengesetz zu Luxemburgs Glaubwürdigkeit beitragen. Auch sie sprach sich für eine verstärkte gemeinsame Sicherheitspolitik der EU aus. Afghanistan zeige, wie wacklig die Partnerschaft mit den USA sei. Dennoch sei es richtig gewesen, in Afghanistan einzumarschieren. Es gelang, Strukturen im Interesse der Kinder und der Frauen aufzubauen. Dennoch habe man als internationale Gemeinschaft klar versagt.
Die Debatte schloss Jean Asselborn als letzter Redner ab. Er verteidigte u.a. seine Haltung zu einer Zwei-Staaten-Lösung für den Nahen Osten. Doch Voraussetzung dazu sei, dass Israel seine Siedlungspolitik einstelle. Schützend stellte sich Asselborn vor Premierminister Bettel. Er sei in guter Form und in der nationalen und internationalen Politik engagiert. Wenn jemand ein Problem habe, seien die anderen in der Regierung solidarisch.
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