Dossier Dieschbourg / Opposition zur Anhörung von Luc Heuschling: „Das hätten wir uns sparen können“
Die Chamber hat am Montag um 18.00 Uhr den Verfassungsexperten Luc Heuschling gehört. Während die Oppositionspolitiker den Sinn der Anhörung nicht sehen, empfinden Josée Lorsché („déi gréng“) und Heuschling die Diskussion als produktiven Meinungsaustausch.
Das Dossier Dieschbourg geht in die nächste Runde. Das Büro der Chamber und die Präsidentenkonferenz haben am Montag um 18.00 Uhr den Verfassungsexperten Luc Heuschling auf Wunsch von „déi gréng“ angehört, nachdem dieser sich in einem Tageblatt-Artikel zu der Prozedur geäußert hatte. Das Resultat: Die Parteipräsidenten beraten sich nun noch einmal mit ihren jeweiligen Parteien und treffen sich dann am Mittwoch um 17.00 Uhr zu einer weiteren Diskussion. Das bestätigte Piraten-Abgeordneter Sven Clement gegenüber dem Tageblatt. Es sei zwar diskutiert worden, aber „die Entscheidungen sind für Mittwoch“.
„Das hätten wir uns sparen können, für mich haben wir nicht viel hinzugelernt, außer seine Erklärungen, die er auch schon im Artikel präsentiert hat“, sagte Myriam Cecchetti von „déi Lénk“ gegenüber dem Tageblatt. Ähnlich sah es auch ADR-Abgeordneter Fernand Kartheiser. „Für mich hat das jetzt nichts Neues gebracht, Herr Heuschling hat seine Theorien präsentiert, wir haben sie mit ihm diskutiert und sind dort angekommen, wo wir schon waren.“ Es sei ein interessanter Meinungsaustausch gewesen, allerdings ohne neue Elemente.
Zwei Optionen
„Das war ein Meinungsaustausch, es hat keine parteipolitischen Streitereien gegeben“, sagte auch Heuschling am Montagabend gegenüber dem Tageblatt. Er habe zwei Optionen vorgestellt.
Option 1: Die Verfassung anders zu interpretieren. In der Verfassung stehe „membre de gouvernement“, doch Ex-Minister müssten dort nicht automatisch mit einbegriffen sein, Carole Dieschbourg sei jetzt nicht mehr Teil der Regierung. „Aber dann muss man den Mut haben zu sagen, wir ändern die Interpretation“, sagte Heuschling. Das Problem sei allerdings, dass die Staatsanwaltschaft das nicht so sehen könnte. Dann sei man in einer Situation, in der sich sowohl Chamber als auch Staatsanwaltschaft nicht zuständig fühlen – und dann wäre niemand verantwortlich. „Das Risiko muss man als Wissenschaftler auch so erwähnen, und das habe ich auch“, so Heuschling.
Option 2: ein neuer Gesetzestext. Die Chamber würde sich ein Gesetz geben, das die Prozedur klar definiere. Die Abgeordnetenkammer könne man zwar so oder so nicht ganz herausnehmen, doch es sei möglich, den Prozess zu entpolitisieren. „Die Chamber könnte die Arbeit dann an die Staatsanwaltschaft outsourcen“, sagte Heuschling. Die Staatsanwaltschaft würde also ganz normal ermitteln und eine Schlussfolgerung ziehen. „Nur, anstatt dies an die ‚Chambre de conseil‘ weiterzuleiten, wird sie die Empfehlung an die ‚Chambre des députés‘ geben“, meinte Heuschling.
Politisch gesehen sei es laut dem Verfassungsexperten kaum vorstellbar, dass die Chamber danach die Empfehlung ignoriert. Der Nachteil sei hingegen, dass ein Gesetz verabschiedet werden müsse, was wiederum Zeit kosten würde.
Konstruktiver Meinungsaustausch
Laut Josée Lorsché von „déi gréng“ sei vor allem Option 2 im Detail besprochen worden. „Dort gingen die Meinungen auseinander – wenn auch konstruktiv –, weil ein Gesetz riskiert, länger zu dauern“, sagte Lorsché. „Dann wird uns wieder vorgeworfen, wir würden blockieren, was überhaupt nicht unser Ziel ist.“ Man wolle nur Rechtssicherheit haben. Ohne Gesetzentwurf werde die Prozedur zu „Gewurschtels“, zitierte Lorsché den Verfassungsexperten Heuschling.
Es gehe darum, auf die Empfehlung der Staatsanwaltschaft zu hören, aber es seien noch Details zu klären. „Deswegen sind wir auch nicht bereit, das am Dienstag schon zu entscheiden“, sagte Lorsché. Die Parteien würden sich erst in ihren Fraktionen beraten, bevor es dann am Mittwoch weitergehe.
Die Parteipräsidenten hätten laut Lorsché während der Anhörung interessiert gewirkt und Fragen gestellt. „Deswegen verstehe ich diesen Gegenwind nicht – es war auch gar keine aggressive Stimmung, die ist dann immer für draußen“, sagte Lorsché. „Ich habe gerade gehört, wie Gilles Roth im Fernsehen gesagt hat, dass ihm das hier nichts gebracht habe, aber dann hätte er doch keine Fragen gestellt, wenn er alles wüsste.“ Die Politikerin bedauere die Polemik. „Haben wir das jetzt nötig, haben wir keine anderen Sorgen?“, fragte sich Lorsché.
Chronologie des Dieschbourg-Rücktritts
22. April 2022: Carole Dieschbourg legt Mandat nieder
Carole Dieschbourg hat überraschend entschieden, ihren Posten im Gesundheitsministerium zu räumen. Der Hintergrund: Die Luxemburger Staatsanwaltschaft hatte am Freitagmorgen mitgeteilt, dass die Akte zur „Gaardenhaischen“-Affäre rund drei Jahre nach deren Beginn an den Präsidenten der Chamber weitergeleitet wurde (das Tageblatt berichtete). Damit soll nun das Parlament darüber entscheiden, ob die Immunität der Umweltministerin aufgehoben werden soll. Die 44-Jährige hatte bereits kurz darauf in einem Presseschreiben darauf reagiert und sich für die Aufhebung ihrer eigenen Immunität ausgesprochen, damit sie zu den Untersuchungen beitragen kann.
Brisant: Wie das Tageblatt exklusiv berichtete, erfuhr Dieschbourg bereits am Donnerstagabend – und somit vor den Abgeordneten am Freitagmittag –, dass die Ermittlungsakte von der Staatsanwaltschaft an das Parlament übergeben werden sollte. Den entsprechenden Tipp erhielt Dieschbourg von der Parteikollegen und Justizminsiterin Sam Tanson, wie Radio 100,7 danach herausfand. Der Luxemburger Verfassungsexperte Luc Heuschling meinte dazu: „Das sieht auf den ersten Blick schon etwas komisch aus.“
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26. April 2022: Akte Dieschbourg liegt dem Parlament zur Einsicht vor
Seit Dienstag, 26. April, kann die Ermittlungsakte von den Luxemburger Abgeordneten eingesehen werden, bestätigt Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) dem Tageblatt auf Anfrage. Ob sich die Deputierten tatsächlich des Dossiers annehmen können, dürfen oder sollen, war anfangs nicht klar – zuerst musste der juristische Dienst des Parlaments analysieren, ob die Chamber nach dem Rücktritt Dieschbourgs zuständig ist. Am 25. April entschied dann die Präsidentenkonferenz der Kammer. Etgen: „Alle können im Saal 3 der Präsidentenkonferenz die Akte einsehen.“
3. Mai 2022: Zuständigkeit im Dossier Dieschbourg unklar
Die Akte Dieschbourg liegt den Abgeordneten vor. Laut Verfassung kann das Parlament jetzt entscheiden, ob die Ex-Umweltministerin angeklagt wird oder nicht. Aber das Prozedere ist alt und wurde in Luxemburg noch nie wirklich angewandt. Wie und ob ein Minister angeklagt werden kann, ist in Luxemburg nicht definitiv geklärt, meint der Luxemburger Verfassungsexperte Luc Heuschling in einem am 3. Mai publizierten Tageblatt-Artikel. Heuschling findet nicht nur die Verfassungsartikel an sich „kritikwürdig und manchmal sogar skandalös“, sondern auch die Praxis der politischen Akteure. Diese haben 150 Jahre verstreichen lassen, ohne die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Regierungsmitglieds auf solide Beine zu stellen – und erst 2012 eine abermalige Gelegenheit dazu verpasst.
Der Luxemburger Verfassungsexperte Luc Heuschling stellt zudem die Rolle des Parlamentes in der Causa Dieschbourg infrage: Das in der Verfassung vorgesehene Prozedere zähle nicht mehr für ausgeschiedene Minister. Wenn ein ehemaliger Minister strafrechtliche Probleme habe, habe das ja keinen Einfluss mehr auf die Regierung.
6. Mai 2022: Präsidentenkonferenz will Verfassungsexperten Luc Heuschling hören
Die Präsidentenkonferenz des Luxemburger Parlaments ist sich offenbar nicht mehr sicher, ob die Chamber wirklich darüber zu entscheiden hat, ob sich die grüne Ex-Umweltministerin Carole Dieschbourg vor einem Gericht verantworten muss. Das bestätigte der CSV-Abgeordnete Gilles Roth gegenüber dem Tageblatt. Der am 3. Mai veröffentlichte Tageblatt-Artikel „Mysteriöser Mangel – Warum eine Anklage gegen einen Minister in Luxemburg so schwierig ist“ habe den entsprechenden Zweifel gesät. In dem Text waren mehrere problematische Aspekte an der Regelung herausgestellt worden, auf die sich das Parlament stützen sollte.
10. Mai 2022: Ringen um Termin für Expertenanhörung
- PAG abgeändert: Gemeinde erlaubt den Bau von Tiny Houses - 11. November 2024.
- Die Berichterstattung über „Dëppefester“ ist ein essenzieller Teil unserer Gesellschaft - 4. November 2024.
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