EU-Gipfel / Orban blockiert weiter Ölembargo gegen Russland
In Brüssel wurde am Montag weiter um eine Einigung zwischen den EU-Staaten auf ein Ölembargo gegen Russland gerungen. Zu Beginn des ersten Gipfeltages der EU-Staats- und Regierungschefs herrschte Zuversicht, dass es bald zu einem Durchbruch kommen werde.
Seit Wochen nun liegt das mittlerweile sechste Sanktionspaket der EU zur Beschlussfassung auf dem Tisch. Doch die 27 konnten sich bislang nicht auf den bedeutendsten Teil der Maßnahmen gegen Russland einigen: ein Embargo auf russische Öllieferungen in die EU. Ungarn und andere EU-Staaten bremsten das Vorhaben aus, da sie weitgehend von russischem Öl abhängig sind.
„Wir sind in einer sehr schwierigen Situation, hauptsächlich wegen des unverantwortlichen Handelns der Kommission“, wetterte der ungarische Regierungschef Viktor Orban am Montag vor dem Treffen in Brüssel. Denn bei ihrem Gipfeltreffen in Versailles sei vereinbart worden, dass die Kommission keine Vorschläge für Sanktionen betreffend die Energie machen würde, die nicht vorher mit den Mitgliedstaaten ausgehandelt worden seien. Der Ungar stemmt sich am entschiedensten gegen ein Ölembargo, drohte bisher mit einem Veto und versuchte in den vergangenen Wochen unter anderem milliardenschwere finanzielle Kompensationen aus Brüssel für den Umbau der Ölinfrastruktur in seinem Land herauszuschlagen, im Gegenzug für seine Einwilligung zum Embargo. Diese Forderungen haben sich Medienberichten zufolge allerdings bereits auf rund 800 Millionen Euro reduziert.
Noch am Wochenende wurde ein Kompromissvorschlag vorgelegt, über den die EU-Botschafter der 27 bereits am Sonntag verhandelten. Demzufolge sollte über die Druschba-Pipeline geliefertes Öl aus Russland von dem Embargo ausgenommen werden. Nur Lieferungen über den Seeweg würden demnach von den Sanktionen betroffen sein.
Weitere Forderung
Das sei eine „gute Herangehensweise“, meinte Viktor Orban am Montag, der den Sanktionen offenbar nicht grundsätzlich entgegensteht, wie er erklärte: „Wir sind bereit, das sechste Sanktionspaket zu unterstützen, wenn es eine Lösung für die ungarische Energieversorgungssicherheit gibt.“ Zwar zeigte sich Orban zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden könne. Gleichzeitig aber stellte er neue Forderungen. So fragte er, was denn im Falle eines „Unfalls“ passieren würde, wenn kein Öl mehr über die Pipeline geliefert werden könne. Ungarn müsse dann die Möglichkeit erhalten, Öl über den Seeweg zu beziehen, verlangte Orban.
Der ukranische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der per Video dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs zugeschaltet war, zeigte sich Berichten zufolge enttäuscht darüber, dass sich die 27 noch nicht auf neue Sanktionen einigen konnten. Zuvor hatte bereits der litauische Präsident Gitanas Nauseda gemeint, es sei „eine Schande, dass wir nicht fähig sind, das sechste Sanktionspaket umzusetzen“.
Es ist offensichtlich, dass Russland Getreide als eine Kriegswaffe einsetztEU-Außenbeauftragter
Ihre Erwartungen seien „gering“, dass es „in den nächsten 48 Stunden“ zu einer Lösung kommen werde, meinte ihrerseits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Eintreffen im Ratsgebäude am Montag. Sie zeigte sich aber „zuversichtlich“, dass es nach dem Gipfeltreffen eine Möglichkeit für eine Einigung geben werde. Die EU-Staaten müssten „alles tun, um die fossilen Brennstoffe aus Russland loszuwerden“, so die Kommissionschefin. Dazu müssten „andere verlässliche Anbieter weltweit“ gefunden und eine gemeinsame Einkaufsplattform gebildet werden.
„Einen Kompromiss werden wir immer finden“, gab sich der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel zuversichtlich. Luxemburg sei weniger von russischer Energie abhängig als andere Länder, weshalb er diesen auch „keine Lektionen“ geben wolle. Doch er warnte davor zu glauben, mit einem Energieembargo das eigentliche Problem lösen zu wollen. Denn „der Wille, weiter Krieg zu führen“, werde mit den Sanktionen nicht verschwinden, so Bettel. Zwar sprach er sich dafür aus, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten weiter zu reduzieren, warnte jedoch auch vor steigenden Energiepreisen.
Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln
Inwieweit das sechste Sanktionspaket und das damit verbundene Ölembargo gegen Russland am Montagabend zwischen den 27 erörtert wurde, konnte vor Redaktionsschluss nicht in Erfahrung gebracht werden. Denn das Thema stand nicht auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens. Immerhin: Es gebe diesbezüglich „Licht am Ende des Tunnels“, teilte ein Ratssprecher am Abend mit. Und nach der Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten kam es zu einer breiten Debatte über die Ukraine, bei der das Sanktionsvorhaben vermutlich nicht unerwähnt blieb. Dabei dürfte es neben einer weiteren geplanten EU-Finanzhilfe für das kriegsgeschundene Land in Höhe von neun Milliarden Euro unter anderem auch um den Wiederaufbau der Ukraine gegangen sein.
Zudem wollen die Gipfelteilnehmer über die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln diskutieren. Denn durch den Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine kommt es zu einem Engpass in der weltweiten Versorgung mit Getreide. Moskau blockiert nicht nur die Auslieferung von Weizen aus der Ukraine, sondern schafft Medienberichten zufolge außerdem ukrainisches Getreide nach Russland. „Es ist offensichtlich, dass Russland Getreide als eine Kriegswaffe einsetzt“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem Gipfeltreffen und fügte hinzu: „Wir können die Welt nicht hungern lassen. Das tut Putin.“ Der Ukraine müsse geholfen werden, ihr Getreide aus dem Land zu bringen. Gitanas Nauseda sagte, dass als Alternative zu den blockierten ukrainischen Häfen versucht werde, das Getreide über polnische und baltische Häfen in andere Länder zu bringen.
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