EU-Gipfel / Orban setzt sich durch: Ungarn beteiligt sich nicht an Öl-Embargo gegen Russland
Zufriedenheit in Brüssel: Die Einigung auf ein weitgehendes Öl-Embargo gegen Russland kam am Ende schneller als von manchen Gipfelteilnehmern gedacht. Die Reaktionen darauf sind gemischt. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban setzte sich mit seiner Blockadehaltung durch und bekam Genugtuung.
In der Nacht zum Dienstag wurde der Durchbruch verkündet. Nach wochenlangen Verhandlungen stimmte der ungarische Regierungschef Viktor Orban schließlich einem am Wochenende vorgelegten neuen Kompromiss über ein Ölembargo gegen Russland zu. Der nun vereinbarten Lösung zufolge sollen EU-Staaten nur noch über eine Pipeline russisches Öl beziehen können, jedoch nicht mehr über den Seeweg. Dieses Zugeständnis gilt vor allem für Ungarn, aber auch Tschechien und die Slowakei. Deutschland und Polen sind zwar auch an einen Zweig der „Druschba“-Pipeline angeschlossen, haben aber erklärt, dass sie kein Öl mehr über diese Röhre beziehen wollen.
Viktor Orban feierte seinen Erfolg und versicherte den „Familien“ in Ungarn, dass sie „heute Nacht ruhig schlafen“ könnten. Er habe das Land vor einer „Atombombe“ bewahren können, so der ungarische Regierungschef. Er hatte zuvor eine Einigung blockiert. Viele der Staats- und Regierungschefs zeigten sich angesichts der Dringlichkeit, eine Einigung zu finden, erleichtert. Immerhin wollen sie gegenüber der Führung im Kreml weiterhin ein Bild der Einigkeit abgeben. Was jedoch angesichts der ungarischen Blockade zusehends schwieriger wird. „Dies war das Beste, was wir bekommen konnten“, meinte denn auch die estnische Regierungschefin Kaja Kallas nüchtern, während der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, von einem „extrem wichtigen Schritt nach vorne“ sprach. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel wertete die Einigung als „Zeichen der Einigkeit“, machte aber auch darauf aufmerksam, dass die Ausgangslage für verschiedene EU-Länder für ein russisches Öl-Embargo sehr unterschiedlich sei. Womit er auf den Umstand hinwies, dass vor allem Ungarn, aber auch Tschechien und die Slowakei einen Großteil ihrer Öl-Importe aus Russland beziehen.
Immerhin soll nun der Import russischen Öls in die EU um bis zu „92 Prozent“ bis Ende des Jahres reduziert werden, wie der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte. Ziel ist es, die viel zitierte „Kriegskasse“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu schwächen. Doch meinte bereits am ersten Gipfeltag der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel, dass das „den Willen“ Moskaus, „Krieg zu führen“, kaum schmälern dürfte.
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Einigung auf das sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland zu lange gedauert. Dieses enthält neben dem Öl-Embargo auch noch den Ausschluss von drei russischen Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift, persönliche Sanktionen gegen dutzende russische Persönlichkeiten sowie den Entzug der Sendelizenz für drei russische Medienunternehmen. Im Europäischen Parlament wurde die Gipfeleinigung von einer Reihe von EP-Abgeordneten kritisiert, darunter Tilly Metz. Es habe keine andere Alternative gegeben, wenn „eine fragwürdige europäische Regierung sich querstellt und droht, alles zu blockieren“, als auf deren Position einzugehen, meinte die luxemburgische Grünen-Politikerin, die „ein 100-prozentiges Embargo auf russisches Öl“ bevorzugt hätte.
Derzeit kein Gas-Embargo in Sicht
Nun muss sich der zuständige EU-Ministerrat noch mit dem Sanktionspaket befassen, das sich neben Rohöl auch auf andere Erdölerzeugnisse erstreckt. Der Streit um das Embargo ist allerdings nicht vollständig gelöst, denn in der Schlusserklärung des Gipfels heißt es, dass sich der Europäische Rat „so bald wie möglich erneut mit der Frage einer vorübergehenden Ausnahme für Rohöl, das über Pipelines geliefert wird, befassen“ werde.
Ich glaube, ein Gas-Embargo ist notwendig, aber es ist sehr schwierigestnische Regierungschefin
Orban setzte noch durch, dass Ungarn bei Lieferschwierigkeiten über die Pipeline dennoch Öl per Tanker beziehen darf. Zudem sei dem ungarischen Regierungschef „Geld aus EU-Töpfen für den Umbau der Öl-Infrastruktur seines Landes in Aussicht gestellt“ worden, wie die Nachrichtenagentur dpa meldete. Um welche Summe es sich dabei handeln könnte, wurde nicht erwähnt. Immerhin hatte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó Mitte Mai noch 15 bis 18 Milliarden Euro für den Umbau der heimischen Öl-Infrastruktur verlangt. In den vergangenen Tagen wurde in Medienberichten nur mehr eine Summe von an die 800 Millionen Euro genannt.
Wie schnell es nun zu einem siebten Sanktionspaket kommen wird, ist nicht abzusehen. Denn bereits mehrfach wurde in der EU die Forderung erhoben, auch ein Embargo gegen russisches Gas einzusetzen. „Ich glaube, ein Gas-Embargo ist notwendig, aber es ist sehr schwierig“, sagte gestern die estnische Regierungschefin Kaja Kallas. Denn ein solches Embargo hätte einen großen Impakt auf verschiedene EU-Staaten. Manche Gipfelteilnehmer, wie der österreichische Kanzler Karl Nehammer, winkten auch bereits ab. Allerdings wurden bereits Finnland, Polen, Bulgarien sowie Versorger aus den Niederlanden und Dänemark von russischem Gas abgeschnitten. Dies allerdings auf Betreiben der Führung in Moskau.
Lebensmittelknappheit
Am zweiten Gipfeltag wurde vor allem auch über die knapper werdenden Lebensmittel aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gesprochen. Hierzu äußerte sich insbesondere der als Gast per Video zugeschaltete senegalesische Präsident und Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Macky Sall. Er wies darauf hin, dass allein wegen der Corona-Pandemie 46 Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent von Hunger und Unterernährung bedroht sind. Schätzungen zufolge würden in diesem Jahr die Getreideernten in Afrika um 20 bis 50 Prozent zurückgehen. Macky Sall forderte von den 27 konkrete Hilfe bei der Entwicklung der Landwirtschaft in Afrika, das über 60 Prozent der weltweiten Ackerflächen verfüge. Der AU-Präsident rief die EU-Staats- und Regierungschefs dazu auf, alles zu tun, damit die blockierten Getreidebestände in der Ukraine freigegeben werden. Sall wies aber auch darauf hin, dass durch die EU-Sanktionen gegen russische Banken die Bezahlung von Lebensmitteln erschwert werde und das Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung habe.
Die 27 verurteilten denn auch „die Zerstörung und die rechtswidrige Aneignung der landwirtschaftlichen Erzeugung in der Ukraine durch Russland“, wie es in der Gipfelerklärung heißt. Xavier Bettel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht durch die EU-Sanktionen, sondern den russischen Krieg in der Ukraine eine Ernährungskrise ausgelöst wird. „Wir müssen auf dieses Narrativ aufpassen“, so der luxemburgische Premier, der damit vor einer gegenteiligen Darstellung durch die Kreml-Führung als Grund für die Lebensmittelknappheit und steigende Preise warnte.
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Es gibt eben noch Regierungschefs, die sich noch um das eigene Land kümmern, denen ihr eigener Staatshaushalt ebenfalls wichtig ist und nicht in selbstzerstörerischen und blinden Aktionismus verfallen. Und ob das nun der EU gefällt oder nicht, in einer so oft zitierten Demokratie, die die EU von anderen Staaten einfordert/anstrebt, sind auch andere Ansichten und handeln zu akzeptieren. So ist das halt!
Das schöne vereinigte Europa ….. hahahahaha