Forum / Päpstlicher als der Papst. Oder: Der Pontifex übt in Luxemburg den Gang nach Canossa
Dieser Besuch kommt aus heiterem Himmel: Wer hat den Papst gerufen? Und was will er hier? Vermutlich plant sein Protegé Kardinal Hollerich, dem obersten Gottesvertreter im Schnelldurchlauf sein christliches Musterland Luxemburg zu präsentieren, um seine Chancen auf den heiligen Stuhl zu verbessern. Das wird ein schwieriges Unterfangen, wenn nicht gar eine waghalsige Kamikaze-Nummer. Denn die tiefkatholische, hausgemachte Autokratie gibt es längst nicht mehr. Der flächendeckende großherzogliche Gottesstaat ist spektakulär zerbrochen. Die gesetzliche Trennung von Kirche und Staat auf allen Ebenen war ein epochaler Befreiungsschlag mit denkwürdigen Folgen. Der kirchliche Machtapparat klappte zusammen wie ein Kartenhaus. Dem einschneidenden gesellschaftlichen Fortschritt war die auf ewige Zeiten angelegte katholische Führungsarroganz nicht gewachsen.
Der katholische Religionsunterricht: passé. Der katholische Rundfunk („den Nonneradio“): abgewickelt. Der katholische Verlag: weggepustet. Die katholischen Buchhandlungen: aufgelöst. Die katholische Tageszeitung in französischer Sprache: verschwunden. Das Luxemburger Wort, einst gnadenloses Kampfblatt für gottgewollte Zucht und Ordnung: verscherbelt an einen schillernden belgischen Boulevardkatholizismus-Konzern. Die katholischen Ideologiebolzen und Kulturkampfprellböcke à la Heiderscheid und Zeches: ohne Nachfolger. Die katholischen Stiftungen: schwer in der Bredouille. Die katholischen Kirchenfabriken, die ungestört wehrlose Sterbende abzockten: am Rand des Abgrunds. Die Luxemburger sind offenbar dem gottergebenen Exitus nicht länger zugeneigt.
Es kommt noch ärger. Die katholische Partei: nur mehr ein formloser Haufen lauwarmer Pfarrkarteileichen und Weihwasserallergiker. Der katholische Premier: ein opportunistischer Taufscheinchrist, der sich nicht einmal mehr zu den regelmäßigen Messgängern zählt. Die katholischen Prozessionen: lichte Reihen, spärliche Beter. Die katholischen Segnungen: schäbige Folklore mit aufmerksamkeitssüchtigen katholischen Politikern, wie jüngst beim „Léiffrawëschdag“ in Greiveldingen.
Die Misere hört nicht auf. Der katholische Priesternachwuchs: dezimiert. Längst müssen ausländische Leiharbeiter für die Arbeit im Weinberg des Herrn rekrutiert werden. Die katholischen Gotteshäuser: ausgemustert und zum Teil entweiht. Einige laizistisch gesinnte Gemeinden versuchen gerade zaghaft, diese unwirtlichen Gebäulichkeiten mit kulturellem Tamtam notdürftig zu beleben. Da sind unsere belgischen und holländischen Nachbarn schon ein gutes Stück weiter. Sie verwandeln leerstehende Kirchen in Buchhandlungen und Restaurants. Hier wird nicht länger das dogmatische Wort des Herrn zelebriert, sondern die freie Lebensart. Ohnehin empfiehlt sich im Zweifelsfall: nutzlose Kirchen abreißen und durch Sozialwohnungen ersetzen. Man sollte nicht vergessen, dass all diese pompösen Bauten, die schon rein architektonisch auf unbezwingbare Dominanz ausgerichtet sind, hochwertige Grundstücke in zentraler Lage darstellen.
Strukturelles Debakel
Dabei haben wir die erdbebenartigen Finanzverschiebungen in katholischen Einrichtungen à la Caritas noch gar nicht erwähnt (der Kardinal beteuert, „entsetzt zu sein“, ach, wie großzügig). Doch dieses strukturelle Debakel wird dem Pontifex wohl nur ein müdes Lächeln entlocken. Mit schweren Veruntreuungsskandalen im Vatikan ist er bestens vertraut. Irgendwie scheint es im Firmengeflecht des Allmächtigen immer nur um die Anbetung des schnöden Mammons zu gehen.
Wenn er seine Chancen auf die künftige Papstkür nicht schmälern will, muss der Kardinal seinen Chef unbedingt an diesem Trümmerfeld vorbeischleusen. Am ungefährlichsten ist demnach eine minimalistische Stippvisite, sorgfältig abgeschirmt und mit extrem engem Zeitrahmen, damit der Pontifex nicht auf abweichlerische Gedanken kommt. Ein Empfang beim lammfrommen Großherzog und seiner sektenanfälligen Gattin, eine Audienz für den Premier, der zu diesem Anlass natürlich eine Frömmigkeitsmaske überstreift, und ab geht’s zum City-Trip im rollenden Glaskasten, anschließend Sprint in die Kathedrale, wo ein paar handverlesene gottesfürchtige Teenager den Gast mit ein bisschen Klerikal-Kabarett erfrischen dürfen, und schon ist die Sache gegessen. Bye, bye, Pope, gehe hin in Frieden (besser: mit Frieden).
Doch dann der Überraschungscoup. Urplötzlich meldet der Pontifex beim Gastgeber ein Vorhaben an, das nicht nur im Bistum, sondern auch in Regierungskreisen und beim Großherzog blankes Entsetzen auslöst. Er besteht nämlich darauf, unbedingt zwei Missbrauchsopfer (männlich/weiblich) und zwei obdachlose Bettler (weiblich/männlich) zu seiner Papamobile-Tour durch die Innenstadt einzuladen. Er nennt diese Schnapsidee „Captatio Benevolentiae Et Reparationis In Nomine Domini“. Ein solcher Programmpunkt ist offiziell gar nicht vorgesehen. Aber der Pontifex schaltet auf stur. Die Organisatoren raufen sich die Haare. Sie senden ein Stoßgebet nach dem andern Richtung Himmel. Herr erbarme dich!
Nun sind wir mal gespannt, wie dieses Hickhack ausgehen wird. Lassen sich überhaupt zwei Geschädigte kirchlicher Übergriffigkeit breitschlagen? Bringen es zwei Leidtragende der aktuellen katholischen Polizeipolitik über sich, zum gnädigen Pontifex ins Papamobile zu steigen? Und wenn ja, was wäre, wenn ein geladener Obdachloser den heiligen Mann auf einmal mit dem Münzbecher nötigt? Oder wenn ein aufgebrachtes Missbrauchsopfer gar unvermittelt den Pontifex ohrfeigt? Reparatio ardens abrupta et instanter necessaria! Die bewaffnete Staatsmacht steht vor einem äußerst aufreibenden Stresstest. Der Kardinal hat jetzt schon Risse im Nervenkostüm. Das kann ja noch heiter werden. Darauf einen himmlisch duftenden Messwein von der gottgefälligen Mosel. Prost! Gott segne sich!
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