Kino / Paradies und Höllenfahrt: Das neue Actionspektakel „Mad Max: Furiosa“
„Mad Max: Furiosa“ ist das neue Actionspektakel des australischen Regisseurs George Miller, der mit diesem zweiten Film eines 2015 gestarteten Reboots der Originalfilmreihe aus den Siebzigern die Actionform über den Inhalt der reinen Science-Fiction setzt. Er schafft damit eine Symphonie aus Motoröl, Gewalt, Feuer und Wüstensand, die über den reinen kinematografischen Sinneseindruck wirken will.
Es beginnt im Garten Eden und es endet in den desolaten Weiten der Wüste. Das Paradies gefunden und verloren. Auf den Sündenfall folgt die Vertreibung, die hier doch mehr eine Verschleppung ist: Ihrer Gemeinschaft entrissen, wird die junge Furiosa (Alyla Browne) von einer Biker-Gang, die von dem Kriegsherrn Dementius (Chris Hemsworth) angeführt wird, aufgezogen; schweigsam, wartend, sinnt sie auf Rache. Damit ist die Handlung des neuen Films „Mad Max: Furiosa“ von George Miller hinreichend umrissen. Der Blick in die weiten, kargen Wüstenlandschaften, in die Leere, in die rohe und sinnfreie Gewalt ist der Inhalt dieses neuen Action-Spektakels, das Miller zum eigentlichen Sinn seiner Erzählung formt. Dieser Garten Eden, den der australische Regisseur anfangs zeigt, wird niemals wiedergefunden werden. Dann noch eine Kreuzigung, die da mit angesehen werden muss – zusehen heißt abhärten in dieser Ödnis. Es ist die verlorene Unschuld, aus der eine überaus quälende und strapaziöse Odyssee erwachsen wird, es ist ein Abstieg in die untersten Sphären einer Hölle, die nur noch aus Sand, Feuer und Motoren zu bestehen scheint.
Ein Totenschädel, aus dem eine Eidechse kriecht, wird da etwa alsbald durch die reine Kraft der Geschwindigkeit eines vorbeirasenden Gefährts vernichtet – sogar alles Tote muss nochmals dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Welt ist zerstört, und dennoch will hier jeder jedem ein unschönes Ende bereiten, die Gewalt ist roh und nur zerstörerisch. In dieser Welt, die ihr Absterben bereits hinter sich hat und nur noch von Chaos und Untergang gezeichnet ist, erhebt sich eine Figur, deren Name allein schon Kraft und Entschlossenheit ist: Furiosa.
George Miller kehrt mit diesem neuen Film zurück zu seinem dystopischen Universum und versucht erneut, eine Handlung über das Actionspektakel, über das reine Bewegtbild zu generieren. Da gibt es wieder die unzivilisierte und nomadenhafte Biker-Gang, schrill in der Erscheinung, skurril in der Kostümierung, derb in Sprache und Habitus, die sich nur auf die darwinistische Auslegung des Rechts des Stärkeren beruft. Der Staub der Wüste, die Rostschichten auf den Fahrzeugen und die glühenden Sonnenuntergänge schaffen eine Atmosphäre, die belastend und faszinierend zugleich ist. In „Mad Max: Furiosa“ verschmelzen Bild und Ton zu einer Symphonie der Zerstörung und ambivalenten Hoffnung. Das Grölen aufheulender Motoren, der Jubel der Massen, alles bindet sich zu einer ohrenbetäubenden Geräuschkulisse, die mit einem erschlagenden Klangteppich aus Perkussion allerlei metallener Klänge vervollkommnet wird.
Der Western
Doch zunächst zeigt dieser neue Eintrag in das Franchise einmal mehr, wie überaus stark die „Mad Max“-Reihe die Formensprache des Westerns atmet: Die gealterte Furiosa (Anya Taylor-Joy) ist nun wirklich das, was man eine Westernheldin nennen kann, sie gehört weder zur Zivilisation dieses Grünlandes noch ist sie Teil der Wildnis, in die sie hineingeworfen wurde; sie ist ein Mischwesen im Dazwischen, ganz heimatlos, man denke an die Schlusseinstellung von „The Searchers“ (1956). Die „Mad Max“-Reihe aktualisiert die Codes des Westerns in einem postapokalyptischen Setting. Hier sind aus Pferden Motorräder geworden, ansonsten wird aber immer noch viel von Gerechtigkeit und Rache gesprochen.
So amerikanisch sich die Reihe aus diesen Genreverweisen heraus auch geben mag, Miller achtet darauf, die Verortung des Erzählstoffes als australischen Mythos aufrechtzuerhalten, nicht umsonst fliegt die Kamera gleich zu Beginn über den Erdball, nur um den Kontinent auf der Südhalbkugel in den Blick zu nehmen. Das Verhältnis von Mensch und Natur sowie gesellschaftliche Missstände, die sich im Zuge dieser grotesken neuzeitlichen Zivilisation herausgebildet haben, sind verstörend und überaus irritierend. Wie die Welt eigentlich zusammenbrach, daran erinnert sich auch in „Mad Max: Furiosa“ niemand mehr, nur eine Erzählstimme aus dem Off informiert noch in der Titelsequenz kurz und fragmentarisch über das große Unheil, das über die Menschheit kam. Die Science-Fiction-Elemente dienen dieser Filmreihe weniger als Spiegel der Gegenwart, genauso wenig wirft die „Mad Max“-Reihe kritische Blicke auf sehr aktuelle Problemfelder, so wie etwa „Blade Runner“ (1982) oder „Matrix“ (1999) es zu tun pflegten mit Blick auf die Uniformierung des Menschen in einer de-realisierten Welt. Auch nicht die Vergangenheit interessiert in „Mad Max“, sondern nur die unmittelbare Gegenwart, es ist dieses Moment, das den Actionfaktor der Reihe umso mehr ins Bewusstsein schiebt. Seit dem Originalfilm von 1979 mit Mel Gibson in der Hauptrolle führt der Regisseur George Miller diese Reihe fort, „Mad Max: Furiosa“ ist der zweite Teil einer Neuauflage der Vorgängerfilme, die mit einer weiblichen Hauptfigur in einem männerdominierten Genre agiert. Damit überschreibt Miller die von Mel Gibson verkörperte Figur des Max Rockatansky, den Road Warrior, einen Mann der Tat, der sich nur aus der Tat heraus zu konstituieren schien – ein Männerbild, das ebenso in den schießwütigen Helden aus „French Connection“ (1971) oder noch der „Dirty Harry“- Reihe seinen Ausdruck fand. Es sind Westernhelden, mal im urbanen Milieu, mal im Sandhaufen.
Der Motor der Erzählung
Das Diktat der Handlung ist wortwörtlich zielgerichtet, weil die Bewegungen der Fahrzeuge die Richtung und den Rhythmus des Films vorgeben. Die Action steht im Vordergrund, die zum Motor der Erzählung wird – rohe, ungefilterte Kraft. „Mad Max: Furiosa“ ist die Vorgeschichte zu dem 2015 erschienenen „Mad Max: Fury Road“, in dem Charlize Theron die Rolle der Furiosa übernahm. In „Fury Road“ schlüpfte Tom Hardy in die Rolle des äußerst wortkargen Protagonisten, der sich nach dem Tod seiner Familie rastlos und verloren durch eine postapokalyptische Ödnis bewegte – ein Film, der seinerseits versuchte, die Action auf eine Reinstufe zu setzen. Territorialansprüche und Ressourcenknappheit bestimmen auch hier das Geschehen, in einer Welt, in der Benzin zum höchsten Gut geworden ist und Frauen nur mehr als Gebermaschinen herhalten müssen; Umstände, hinter denen der immerwährende Kampf ums reine Überleben ausgetragen wird. In „Mad Max: Furiosa“ werden Maschinen überlebenswichtig und Menschen zu Maschinen, alles verschmilzt – man kann daraus eine Umwelt-Parabel ablesen, die von der Abnutzung natürlicher Ressourcen und der Rückforderung der Natur durch die Gewalt der Hitze und Sandmassen erzählt. Aber diese Ansätze bleiben allenfalls zitathaft, umso mehr stellt sich ein seltsames Gefühl von zwielichtigem Widerstand und diffuser Hoffnung in den Vordergrund dieser desolaten Zukunftsvision. So wie Miller dieser erzählerisch äußerst dünnen Vorgabe obendrein noch jedes sinnfällige Moment über den Weg der Dialoge und der Charaktermomente entzieht, so überaus versiert lässt er die reine kinetische Energie der Bewegtbilder für sich sprechen, es ist die reine Action, die diesem Film zur Ausdruckskraft verhilft: die Choreografie, die Stunts, die Explosionen, die über die Charaktere informieren, sie machen aus „Mad Max: Furiosa“ ein Spektakel der kinetischen Energie, die so auch und immer wieder vom Kino erzählt.
Mad Max
Dieser Text ist Teil einer Serie von Marc Trappendreher über die Filmreihe „Mad Max“. Der erste Teil erschien am Freitag.
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