Gemeindeporträt / Park Hosingen zehn Jahre nach der Fusion: „Wir wollen keine Schlafgemeinde sein“
Minuspunkte für die Fusion, die sich im Rückblick verteilen ließen, gibt es nicht. Zehn Jahre nach dem Zusammenschluss von Hosingen, Hoscheid und Consthum fällt die Bilanz durchweg positiv aus. Die Verwaltung logiert in einem neuen Zweckbau, in dem ein pragmatisch veranlagter Bürgermeister plant. Romain Wester ist Landwirt und seit 2017 Chef in der Gemeinde.
In seinem Büro vor der Landes- und Europafahne wird der Bürgermeister nicht gerne fotografiert. Am Schreibtisch hält sich Romain Wester (51) am wenigsten auf. Viel eher ist er im Büro von einem der 28 Mitarbeiter der Gemeinde anzutreffen oder bei seinen Schöffen, um Anliegen der Bürger zu lösen. Und wenn er da nicht ist, ist er in einer der 13 Ortschaften, aus denen die Fusionsgemeinde besteht, unterwegs. Sein Schreibtisch muss das aushalten.
Für ihn ist das Rathaus „ein Dienstleister“. So hat er die Angebote wie Öffnungszeiten bis 19 Uhr, einen professionellen PR-Referenten und zukunftsorientiertes Vorgehen bei allem, was ansteht, geplant. So viel Modernität könnte manche andere Gemeinde gut vertragen. Der einzige Schmuck im neuen Rathaus ist das gute Dutzend großformatiger Gewinnerfotos aus dem Wettbewerb im Herbst 2019, an dem sich alle Bürger der Kommune beteiligen konnten.
Darauf erkennen sie ihre Gemeinde wieder, es ist ihr Gebäude und deswegen hängen die Fotos da. In einer immer komplizierteren Welt muss man mit der Zeit gehen und sich breit aufstellen. Das macht Wester als Landwirt auf seinem 160 Hektar großen Hof in Neidhausen und als Bürgermeister in der Gemeinde, die er mit seinem Team in die Zukunft führen will. Dafür steht ein Grundsatz und der ist ausnahmsweise in Stein gemeißelt.
Leerstand wird systematisch umgenutzt
„Wir wollen keine Schlafgemeinde sein“, sagt er mit Nachdruck. Das umzusetzen, dafür ist Wester angetreten und gewählt worden. Den Worten hat er Taten folgen lassen. Seit 2019 steht das neue Rathaus in der „Zone d’activité op der Héi“. Der technisch-administrative Teil des Gemeindelebens ist aus dem Ortskern verbannt. Dafür sind in den Gebäuden am Platz neben der Kirche soziale Einrichtungen eingezogen, die eine Dorfgemeinschaft täglich braucht.
Mittlerweile sitzt das „Office social régional“ im alten Rathaus sowie Zweigniederlassungen der „Agence immobiliere sociale“ und der Hilfs- und Beratungseinrichtung „Fondation Kannerschlass“. Das alles war überlegt und die Kosten für die Renovierung des alten Rathauses in Höhe von 1,5 Millionen Euro einkalkuliert. In die ehemalige Filiale der Spuerkeess im Zentrum, die die Gemeinde gekauft hat, zieht das Jugendhaus ein.
Ein weiteres Wohnhaus im Zentrum, das der Gemeinde ebenfalls gehört, ist bezugsbereit für sechs bis acht Geflüchtete aus der Ukraine. Außerdem ist in einem der Gebäude im Zentrum eine „Crèche“ mit aktuell 45 Kindern untergekommen. „Es kommt noch eine zweite hinzu“, sagt Wester. Die ehemalige Grundschule, die an das ehemalige Rathaus grenzt, nutzen die 57 Vereine der Gemeinde für Versammlungen. Leerstand muss man in Park Hosingen suchen und wird ihn nicht finden.
Dorfleben darf nicht zu kurz kommen
Die Strategie, nicht genutzte Gebäude nicht nur in Hosingen selbst, sondern auch in den restlichen zwölf Ortschaften, für Dienste am Bürger umzuwidmen, hat System. Dazu gehören der wöchentliche „Service pédiatrique“, der „Service rééducation précoce“, Tagespflegeeinrichtungen für Senioren in Holtzthum und Consthum oder das interkommunale Informatiksyndikat SIGI in Hoscheid, die in leer stehende Schulen oder ehemalige Rathäuser eingezogen sind.
Viele dieser Angebote ersparen den Einwohnern Fahrten in Zentren wie Diekirch, Wiltz oder die Hauptstadt, beleben die Ortskerne und verhindern die „Schlafgemeinde“. Hosingen ist allein in den letzten zehn Jahren um 700 Einwohner auf insgesamt rund 3.800 gewachsen. Langfristige Prognosen sehen ein Wachstum um weitere 800 Einwohner vor. Dennoch liegt Wester viel daran, dass die Dörfer nicht zu kurz kommen.
Jedes Dorf soll seinen „Sall“ haben, um Traditionen wie Fastnachtsumzug, „Klibberen“ der Kinder zu Ostern, Maikranz oder Burgbrennen zu pflegen. Die Ausgaben für Ankäufe, Neubauten und Renovierungen konnte sich die Gemeinde dank der Fusion und der schon vorher initiierten Zusammenarbeit mit den Nachbarn leisten. Zehn Jahre danach ist eines Gewissheit: Es war damals der richtige Zeitpunkt.
Fusion hat viele Investitionen ermöglicht
Die Fusion war nur der fehlende formale Hut für das, was Hosingen vor allem beim Bau des Schul- und Betreuungskomplexes in Park Hosingen begonnen hat. „Wenn wir das alleine hätten finanzieren müssen, hätten wir das nie stemmen können“, sagt Wester. Außerdem hat die Fusion die Gemeindekasse aufgefüllt. Acht Millionen Euro schwer war das ministerielle „Bonbon“ für den Zusammenschluss. Hinzu kamen regionale Förderungen für Sport- und Freizeitangebote sowie ein Briefumschlag mit zwei Millionen Euro vom Sportministerium für den Bau des Schwimmbades.
„Wir haben gut verhandelt und hatten gute Argumente“, sagt Wester, der zudem den Ausbau von Firmenansiedelungen in der Gewerbezone plant. 2.000 Arbeitsplätze gibt es dort jetzt schon, es sollen mehr werden. Die Menschen, die nach Hosingen ziehen, sollen dort auch Arbeit finden. 2023 endet die gesetzlich vereinbarte Übergangsphase der Fusion pünktlich zur nächsten Kommunalwahl.
Dann wird der Gemeinderat nur noch aus elf Mitgliedern und nicht wie jetzt aus 13 bestehen. Trotz langer Tage, der „Congé politique“ reicht auch hier nicht, will Wester wieder antreten. Der Grund klingt reflektiert. „Dieses Amt ist mein Dienst an der Gesellschaft“, sagt er ehrlich und ohne Pathos. Er verbucht das im persönlichen Budget als Selbstverständlichkeit.
- Näherinnen hauchen Werbeplanen von Amnesty International Luxembourg neues Leben ein - 10. November 2024.
- Verlust oder Chance? Wenn jeder Tag ein Sonntag ist, helfen Pensionscoaches - 2. November 2024.
- „Habe eine Welt kennengelernt, die ich so nicht kannte“ – Porträt einer Betroffenen - 29. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos