Revolution im katholischen Portugal / Parlament billigt aktive Sterbehilfe
Vor dem nationalen Parlament in Lissabon protestieren einige hundert Menschen. „Ja zum Leben, Nein zum Tod“, rufen sie. Einige halten Kruzifixe in der Hand. Andere sammeln Unterschriften für ein Referendum, um die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Portugal zu stoppen. Drinnen, im altehrwürdigen Parlamentspalast, billigt derweil eine breite Mehrheit der portugiesischen Abgeordneten, die aktive Hilfe zum Sterben gesetzlich zu erlauben.
127 Parlamentarier stimmen dafür, 86 dagegen, zehn enthalten sich. Der Gesetzesentwurf, über den demnächst nach einer Beratungsrunde noch definitiv abgestimmt werden muss, wird vor allem von den regierenden Sozialisten und dem Linksblock getragen. Überraschend votieren aber auch mehrere konservative Abgeordnete mit Ja, darunter Oppositionschef Rui Río.
Damit macht nun auch Portugal den Weg für ein würdiges Sterben von Todkranken frei. Erst vor Kurzem hatte Spaniens Parlament mit großer Mehrheit einen ähnlichen Gesetzesvorschlag verabschiedet. Wenn diese Reformen in Kraft treten, was bis zum Sommer vorgesehen ist, wird die aktive Sterbehilfe in fünf EU-Ländern möglich sein: Portugal, Spanien, Niederlande, Belgien und Luxemburg. Auch die Schweiz hat eine liberale Regelung, weswegen manche unheilbar Kranke aus anderen europäischen Ländern dorthin reisen.
Präsident könnte Veto einlegen
Theoretisch kann Portugals konservativer Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, ein praktizierender Katholik, sein Veto gegen das Gesetz einlegen. Doch angesichts der überwältigenden Mehrheit für die Sterbehilfe gilt dies als unwahrscheinlich. Zumal das Parlament das Veto überstimmen kann. Auch die Forderung nach einem Referendum, die von Pro-Leben-Initiativen und der katholischen Kirche erhoben wird, dürfte angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse keine Chance haben. Früher galt Portugal als katholische Bastion, doch die Kirche verliert zunehmend an Einfluss.
Die aktive Sterbehilfe in Portugal soll, ähnlich wie in Spanien, an strenge Bedingungen geknüpft werden. Der betroffene Patient muss volljährig und unheilbar krank sein und sich in einer Situation des „ständigen sowie unerträglichen Leidens“ befinden. Mehrere Ärzte müssen die aussichtslose Lage bescheinigen, eine Expertenkommission muss zustimmen. Mediziner und Pfleger dürfen sich aus Gewissensgründen verweigern.
Bislang ist Sterbehilfe strafbar
„Ich habe keine Zweifel“, sagte Portugals sozialistischer Regierungschef António Costa kurz vor der Abstimmung. „Sterbehilfe darf kein Verbrechen sein.“ Bisher kann in Portugal wie in den meisten anderen europäischen Ländern die aktive Hilfe beim Sterben mit Gefängnis bestraft werden.
Mit dem Gesetzesvorstoß bleibt Portugal seinem gesellschaftlichen Reformkurs treu: Bereits seit Jahren gilt in dem südeuropäischen EU-Land ein liberales Abtreibungsgesetz. Zudem dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten und Kinder adoptieren. Ehescheidungen sind in Portugal heute sehr viel einfacher und kostengünstiger als in vielen Nachbarländern. Die Leihmutterschaft für Frauen, die aus medizinischen Gründen ein Kind nicht austragen können, ist ebenfalls legalisiert worden.
Ein Hoffnungsträger der Sozialdemokratie
Vor zwei Jahren beschloss die sozialistische Minderheitsregierung von António Costa ein richtungsweisendes Transgender- und Transsexuellen-Gesetz, das es allen Bürgern über 18 Jahren ermöglicht, ihr in offiziellen Dokumenten eingetragenes Geschlecht frei zu wählen. Medizinische Gutachten sind bei volljährigen Personen für diesen Schritt nicht notwendig.
Portugals 58 Jahre alter Premier fährt mit seinen Sozialisten eine sozialdemokratische Linie. Er regiert seit 2015 mit einer Minderheitsregierung. Die vergangene Wahl im Herbst 2019 gewann er triumphal – was ihn zum Hoffnungsträger der kriselnden europäischen Sozialdemokratie machte.
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Und kein Großherzog muss unterschreiben.
Bravo. War nicht das letzte Autodafé in Portugal vor knapp 200 Jahren? Verbrennen auf dem Scheiterhaufen war auch eine Art aktiver katholischer Sterbehilfe.Das sollten die Rosenkranzhalter sich stets vor Augen halten. Willkommen im 21.