/ Paul Cruchten: „Pionier der Luxemburger Kinos"
„Man ist nicht gestorben, solange die Erinnerung weiterlebt!“ Durch seinen strengen, aber auch talentreichen Blick auf unsere Welt wird Pol Cruchtens Filmwerk hoffentlich noch lange weiterleben. Er ist so gestorben, wie er gelebt hat: In der Welt des Films, genauer gesagt bei der 47. Auflage des Filmfestivals im französischen La Rochelle.
„Hast du diesen Streifen gesehen, was sagst du dazu?“ So haben die meisten Gespräche begonnen, in denen sich Jemp Thilges und Pol Cruchten gerne und ausführlich über die Welt des Films ausgetauscht haben. „Er hatte eine Filmsammlung, die noch viel größer war als meine“, fügt Thilges hinzu.
Beide Filmliebhaber kannten sich „seit ewigen Zeiten“. Sie waren beide 1978 an der Gründung des „Ciné club des jeunes de la Ville de Luxembourg“ beteiligt, zusammen mit anderen Partnern sind sie 1983 in das „Abenteuer Utopia“ eingestiegen. Zwei Jahre später ist Pol Cruchten, der etwas jünger war als die Gründerväter des „Utopia“, noch einen Schritt weitergegangen und hat von 1985 bis 1987 in Paris die „Ecole supérieure d’études cinématographiques“ absolviert.
Geschichte schreiben
In den Regiestuhl hat er sich aber nicht sofort gesetzt. Er hat nach seinem Studium zunächst als Filmkritiker für Zeitungen und Hörfunk gearbeitet. 1988 drehte er seinen ersten Kurzfilm „Somewhere in Europe“, ein Jahr später kam mit „Il était une fois“ ein zweiter heraus.
Mit seinem ersten Spielfilm „Hochzäitsnuecht“ mit Thierry van Werveke und Myriam Muller in den Hauptrollen schrieb Cruchten in der noch neuen Luxemburger Filmszene gleich Geschichte. Sein Film schaffte es 1992 auf dem Filmfestival in Cannes in die offizielle Auswahl der Kategorie „Un certain regard“. 1993 bekam der Film in Saarbrücken den Max-Ophüls-Preis.
Star ohne Allüren
Der schnelle Erfolg ist dem Regisseur, der auch als Autor und Produzent tätig war, nicht zu Kopf gestiegen. Starallüren hatte der eher wortkarge und verschlossene Pol Cruchten keine. Er hatte aber auch keine Berührungsängste. Bereitwillig stellte er sich bei der Vorstellung seiner Filme den Fragen der Journalisten. Auch mit der Kritik an seinen Werken hat er sich stets konstruktiv auseinandergesetzt.
Pol Cruchten hat in seinen Filmen gerne komplexe Themen angesprochen, er hat sich mit der Drogenszene genauso beschäftigt wie mit dem Umweltschutz oder der Wirtschaftswelt und ihren Machenschaften, letzteren mit dem Film „Die Räuber“, den er zusammen mit Frank Hoffmann in einer modernen Adaptation des Dramas von Schiller drehte.
Ein Film spricht mehr als Worte
In Erinnerung bleiben den Filmliebhabern aber auch der in den USA gedrehte Dokumentarfilm „Never Die Young“ und „La Supplication“, den er nach dem Roman der Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch über die Jahre nach dem Kernkraftunglück in Tschernobyl drehte. „Der Film ist eine Liebeserklärung an mein Buch und eine echte Bekenntnis an die Liebe. Er setzt die Akzente genau da, wo auch meine Vorlieben liegen“, sagte die Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin im Gespräch mit dem Tageblatt, nachdem sie den Film im Februar 2016 beim Luxemburger Filmfestival entdeckt hatte.
Cruchten hatte Alexijewitsch in Frankreich auf einer Buchmesse angesprochen, weil er aus ihrem Buch – das 1995 erschienen war – einen Film drehen wollte. Obwohl sich die beiden nicht direkt verständigen konnten und stets einen Dolmetscher brauchten, war die Schriftstellerin beeindruckt, als sie sah, wie viel der Regisseur an ihrem Buch schon gearbeitet hatte. Er habe es perfekt fertiggebracht, die Kombination zwischen Tragik und Schönheit zu unterstreichen, die der Autorin am Herzen lag.
Eigenen Rekord gebrochen
Für „La Supplication“, genau wie für „Never Die Young“ und „Perl oder Pica“ hat Pol Cruchten hier in Luxemburg einen Filmpreis bekommen. Dabei sind die drei Filme sehr unterschiedlich. So hat sich der Regisseur mit „Perl oder Pica“ – nach dem Roman von Jhemp Hoscheit – 2006 mit echter Luxemburgensia auseinandergesetzt. Mit 18.000 Zuschauern hielt dieser Streifen, mit vielen Luxemburger Schauspielern wie André Jung, Nicole Max, Luc Feit und Thierry van Werveke, mehr als zehn Jahre lang den Luxemburger Zuschauerrekord.
Erst im vergangenen Jahr wurde dieser vom „Superjhemp“ gebrochen. In seinem letzten Film „Justice Dot Net“, einer luxemburgisch-kanadisch-irischen Produktion in englischer Sprache, hat sich Pol Cruchten mit der Zukunft unseres Planeten befasst und hat dabei ganz besonders den Blick analysiert, den wir auf unsere Gesellschaft werfen. Über die Kinokarriere hinaus hatten wir dem Film damals ein zweites Kinoleben in Schulen und Vereinigungen gewünscht. In einer weiteren Auseinandersetzung mit den Themen, die Pol Cruchten am Herzen lagen – und die nicht in Vergessenheit geraten sollen.
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