/ „Péckvillercher“ aus Hesperingen: Romy Weydert kreiert Federvieh mit Gesangstalent
Seit 1996 kreiert Romy Weydert jedes Jahr zur Osterzeit „Péckvillercher“ aus Lehm. Wie deren Herstellung gelingt, erzählte Weydert unserer Redakteurin Daisy Schengen. Wichtigste Voraussetzungen: Fingerspitzengefühl und ganz viel Geduld.
Wie viele Lehmvögel zerbrachen, bevor Weydert den Bogen raushatte, weiß sie selbst nicht mehr. „Ich fing 1996 damit an, das sind inzwischen über 20 Jahre her“, antwortet sie mit einem breiten Lächeln. Als Vorlage für die „Péckvillchercher“, von denen sie jedes Jahr neue kreiert, dienen Vogelarten, die in Luxemburg heimisch sind. Weydert richtet den Blick ganz bewusst auf die heimische Vogelwelt. Als sie vor rund 23 Jahren mit der Produktion anfing, war die traditionelle „Éimaischen“ am Ostermontag in der Hauptstadt noch keine große Veranstaltung. „Ich wollte mich von den anderen unterscheiden, etwas anderes als einfarbige ‚Péckvillercher‘ zeigen“, fügt sie hinzu.
Alles fing mit einem „Kuesleefer“ (Kleiber) an, „Beiefrësser“ (Bienenfresser), „Maiskinnek“ (Zaunkönig), „Kiischteknäppchen“ (Kernbeißer) und „Schwaarze Méckefänkert“ (Trauerschnäpper) folgten.
„Flötendes, zwitscherndes Gesangstalent“
Für ihre Kollektionen lässt sich Weydert meist von Luxemburger Vogelkundebüchern inspirieren. Als sie mit der „Péckvillecher“-Fertigung begann, wandte sie sich ihren bekannteren Vertretern zu. Nun seien die Vogelarten dran, die seltener in den Garten zu sehen, aber umso interessanter seien. „Wie der ‚Sproochmates‘. Sein Name hat mir sehr gefallen“, erklärt Romy Weydert. Deshalb widmet sie die diesjährige Ausgabe dem Gelbspötter, einem Vogel mit „flötendem, zwitscherndem Gesangstalent“ und Hang zur Nachahmung anderer Vögel wie Drosseln und Schwalben.
Anfangs stellte die Künstlerin nur Männchen für eine Serie her. Irgendwann kamen auch Weibchen hinzu, sodass im Laufe der Jahre quasi 39 Muster-Pärchen entstanden. Für eine einzige „Éimaischen“-Ausgabe in der Hauptstadt bietet Weydert insgesamt 200 Vogelpaare zum Verkauf.
„Keine Hexerei“
Wie viel Fingerspitzengefühl sie für eine solche Figur aufwenden muss, darüber muss die Kreative aus Hesperingen nicht lange nachdenken: „Es ist keine Hexerei“, sagt Weydert. „Keramiker ist ein Beruf wie jeder andere. Wenn man die richtige Technik kennt, geht es sehr einfach.“
Vor jeder neuen Serie an „Péckvillercher“ tastet sie sich an die aktuellen Modelle heran. Nach einigen Exemplaren setzt jedoch die Routine ein und die Produktion läuft beinahe automatisch. Ihren Beruf hat Romy Weydert während einer zweijährigen Ausbildung in Mâcon erlernt. „Ganz klassisch: mit Drehscheibe, Vasen und Bechern“, blickt sie zurück.
Und so wird Romy Weydert auch dieses Jahr den ganzen Tag an ihrem Stand in Luxemburg die bunten Vögel an Mann und Frau bringen. Viele ihrer Kunden, sagt sie, sind Sammler und sichern sich die neuen Exemplare für ihre Kollektion.
Vor der „Émaischen“ ist nach der „Éimaischen“
Eltern sind da anders, das habe sie im Laufe der Zeit bemerkt – und markttechnisch aus der Not eine Tugend gemacht. „Die Leute kaufen ihrem Nachwuchs keine 30 Euro teuren ‚Péckvillercher‘, da man sich bei Kindern nie sicher sein kann, ob die Figuren beim Spielen auch ganz bleiben.“ Daher bietet die Keramikerin auch eine Variante für die Kleinen an, die wesentlich billiger ist.
„Das Modell ist einfacher gestaltet, mit bis zu zwei Farben bemalt und daher günstiger“, so Weydert. Die Produktion des Federviehs geschieht nicht über Nacht. Sie will von langer Hand vorbereitet sein. „Nach der ‚Éimaischen‘ fange ich an, das Modell für das nächste Jahr herzustellen“, meint Romy Weydert. Eine Idee für das nächste Paar an „Péckvillercher“ hat sie auch schon.
So entsteht ein „Péckvillchen“
Bis eine bunte Tonpfeife erst einmal verkauft werden kann, muss sie bei ihrer Herstellung zahlreiche Arbeitsschritte durchlaufen. Daisy Schengen fasst sie zusammen.
Modell erstellen
„Es gibt viele Methoden, ‚Péckvillercher‘ herzustellen“, sagt Romy Weydert. Sie selbst beginnt damit, ein Modell zu entwerfen. Für die jährlich wechselnde Kreation sucht sie sich einen heimischen Vogel aus.
Die richtige Form
Ist das Modell fertig, geht es zu einem Stuckateur, der eine Gießform anfertigt. Jede Form besteht aus jeweils zwei Hälften.
Aus einem Guss
Wieder zurück im Atelier von Romy Weydert werden die Gießformen mit flüssigem Lehm gefüllt.
„Gut Ding will Weile haben“
Nach zehn Minuten Wartezeit – wenn der Gips die Feuchtigkeit aus der obersten Lehmschicht herauszieht – dreht die Keramikerin die Gießform um, woraufhin der noch flüssige Lehm herausläuft. Der Lehm, der noch am Gips klebt, härtet nach ungefähr einer Stunde aus.
„Sesam, öffne dich!“
Nun wird die Gießform aus zwei Hälften geöffnet und ein innen hohles Vöglein kommt zum Vorschein.
Auf dem Weg zum „Singvogel“
Ein „Péckvillchen“ ist es aber noch nicht. Ihm fehlen noch entscheidende Merkmale: Der Boden der hohlen Figur muss noch verschlossen werden, bevor es mit der Dekoration weitergeht, und die Tonpfeife selbst bekommt auch noch keinen Ton heraus.
Bereit zum „Anpfiff“
Beim nächsten Arbeitsschritt sind Fingerspitzengefühl und die richtige Herstellungstechnik gefragt. Denn erst wenn der Lehm fest genug ist, kann Romy Weydert die Pfeife formen, die aus einem „Villchen“ ein echtes „Péckvillchen“ macht. Dafür schneidet sie ein kleines Loch in den Körper ein, meistens unter dem Vogelschwänzchen. Anschließend durchsticht sie mit einem flachen dünnen Messer, ähnlich einem Brieföffner, den schmalen Raum zwischen Ober- und Unterseite am Vogelschwanz von der Rückseite der Figur aus gesehen. Die Keramikerin bewegt das Messer bis an das kleine Loch im Innern der Figur. Dort drückt sie den Lehm leicht flach, damit eine Kante entsteht. „Pfeift man später in die flache Öffnung, muss die Luft genau auf diese Kante treffen, um dort gespalten zu werden. Ähnlich wie bei einer Flöte“, erklärt Romy Weydert. Wie beim Holzblasinstrument wird die Luft durch einen schmalen Spalt in das Instrumentinnere geblasen, wo sie auf Öffnungen wie das kleine Loch auf Brust oder Rücken der Tonpfeife trifft. Drückt man mit dem Finger auf die Öffnung, erklingt ein zweiter Ton, ähnlich wie Quer- und Panflöten, erklärt Weydert.
Doppeltes Wärmebad
Nun müssen die noch „nackten“ Tonpfeifen zum Trocknen und ersten Backen bei 980 Grad in einem speziellen Backofen Platz nehmen.
Ist die Verzierung beendet, kommen die Keramikvögel ein zweites Mal bei in den Backofen – diesmal bei 1.050 Grad.
Buntes Federkleid
Wie viel Zeit die Keramikerin benötigt, um eine Figur herzustellen, lässt sich nicht pauschal sagen. Die Dauer hänge einerseits mit den Produktionsetappen und andererseits mit der Bemalung zusammen. Die Verzierung, sagt Weydert, nehme in ihrem Fall die meiste Zeit in Anspruch. „Bei der Bemalung achte ich sehr darauf, dass die Keramikfiguren mit dem Original übereinstimmen“, sagt sie.
Bis sie eine genaue Vorstellung von der Verzierung des Federkleids hat, mischt und probiert Weydert mehrere Farben aus. Sind die ersten Exemplare „bunt gekleidet“, geht das Bemalen „beinahe automatisch“ von der Hand.
Kunstwerk vollendet
Grob überschlagen, mit allen Arbeitsschritten, schätzt Romy Weydert, dass die Herstellung einer einzelnen Tonpfeife rund eine Dreiviertelstunde in Anspruch nimmt.
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