Bilanz des Parlamentsjahres / Petitionen weiter auf Erfolgskurs – momentan Debatten-Stau
Petitionen sind weiter auf Erfolgskurs. Im vergangenen Parlamentsjahr sank die Gesamtzahl zwar etwas, jedoch schafften 19 Ersuche den Sprung über die Schwelle der 4.500 Unterschriften, was nun einen Debatten-Stau zur Folge hat. Am Mittwoch zog die Präsidentin der zuständigen Chamber-Kommission, Nancy Kemp-Arendt, Bilanz.
Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht, schrieb das Tageblatt bei der Vorstellung der Bilanz des Petitionsausschusses im vergangenen Jahr. Nie zuvor in der Geschichte der im März 2014 eingeführten Möglichkeit zu Petitionen waren so viele Ersuche in der Chamber eingereicht worden, noch nie schafften so viele den Sprung über die 4.500er-Schwelle und noch nie sammelte eine einzelne so viele Unterschriften.
Das Parlamentsjahr 2022/2023 bestätigte die Tendenz, auch wenn die Vorjahreszahlen nicht ganz erreicht werden konnten. „Die Anzahl der Petitionen hat sich auf einem hohen Niveau eingependelt“, sagt Nancy Kemp-Arendt (CSV), Präsidentin des Petitionsausschusses der Chamber. „Es hatte einen regelrechten Boom gegeben, als wir die neue Petitions-Homepage im Januar 2021 einführten, jetzt hat es sich stabilisiert.“ 400 öffentliche Petitionen wurden vom 1. Juli 2022 bis zum 1. Juli 2023 eingereicht, in den zwölf Monaten zuvor waren es 428 gewesen, 2020/2021 lediglich 271. Für Nancy Kemp-Arendt zeigt das „den unheimlichen Erfolg und die Beliebtheit der Petitionen als Mittel der Bürgerbeteiligung“.
Die Petitionen
Seit März 2014 gibt es in Luxemburg die Möglichkeit, Petitionen einzureichen. Eine öffentliche Petition muss in sechs Wochen 4.500 Unterschriften sammeln, damit es zu einer öffentlichen Debatte im Parlament kommt. Eine Reihe von Bedingungen müssen erfüllt werden, um eine Petition vorlegen zu können. Der Antragsteller muss mindestens 15 Jahre alt sein und eine luxemburgische Sozialversicherungsnummer haben. Die Petition muss in einer der drei Amtssprachen verfasst werden. Auch inhaltlich müssen Voraussetzungen beachtet werden: Das Ersuchen muss von allgemeinem Interesse und auf Luxemburg bezogen sein. Persönliche Bezüge dagegen müssen vermieden werden, weshalb der Antrag auch nicht in der Ich-Form geschrieben sein sollte. Und natürlich darf der Antrag keine falschen Behauptungen bzw. Zahlen enthalten oder gar rassistisch, sexistisch, homophob oder sonst wie diskriminierend sein. Zudem sollte der Titel so kurz und präzise wie möglich gehalten werden und keine Namen beinhalten.
Oft können Petitionsanträge wegen Formfehlern nicht angenommen werden. Der Petent bekommt dann die Möglichkeit, seinen Antrag neu zu formulieren. Erst nachdem die Petitionskommission und anschließend noch die Präsidentenkonferenz des Parlaments grünes Licht gegeben haben, wird eine Petition online auf www.petitiounen.lu freigeschaltet. Neben einer öffentlichen Petition gibt es auch die Möglichkeit, eine einfache Petition (ohne Unterschriften) einzureichen. Es handelt sich dabei um ein Anliegen oder einen Vorschlag, der nach Prüfung durch die Kommission direkt an den zuständigen Minister oder den jeweiligen Parlamentsausschuss weitergeleitet wird.
Gesamtzahl freigeschalteter Petitionen (seit 2014):
– 2.489 (davon 2.307 öffentliche und 182 einfache)
– Öffentliche Debatten: 67
Um zu verdeutlichen, was die Ersuche alles bewirken können, wurden in der Bilanzdokumentation des Ausschusses auf 13 Seiten Beispiele genannt, bei denen Petitionen zu konkreten Änderungen geführt haben. Nicht immer sei das nur das Verdienst der Petitionen, oft genug aber würden sie den Stein ins Rollen bringen, so Kemp-Arendt. Stellvertretend hob sie dabei die Rückerstattung der Kosten der Psychotherapie, den Ausbau der Kinder-Onkologie und den schnelleren Zugang zu bildgebenden Verfahren in der Medizin (IRM/MRT, Scanner) hervor. Aber auch Ersuche, die die erforderliche Mindestzahl von 4.500 Unterschriften zur Debatte im Parlament nicht erreichten, könnten eine Auswirkung haben. So wird zum Beispiel die Forderung einer längeren Gültigkeit des Reisepasses momentan umgesetzt. Ab 2025 soll dieser dann zehn anstelle von fünf Jahren valide sein.
Die Kehrseite des Erfolgs
Natürlich hat der Erfolg auch seine Kehrseite. Momentan gibt es einen Debatten-Stau, da sich die Parteien einig waren, unmittelbar vor den Wahlen keine öffentlichen Debatten zu Petitionen mehr abzuhalten. Neun Petitionen warten demnach noch auf ihren Termin im Abgeordnetenhaus. Seit der Einführung im März 2014 wurden 67 Debatten abgehalten, bei insgesamt 2.489 Petitionen. Im vergangenen Parlamentsjahr schafften es 19 Petitionen in die Chamber, so viele wie nie zuvor innerhalb eines Jahres.
Deshalb gibt es auch Überlegungen, die Schwelle der 4.500 Unterschriften zu erhöhen. Dafür sprechen das Bevölkerungswachstum und der Boom seit der Einführung der neuen Homepage, die z.B. das Teilen in den sozialen Medien vereinfacht hat. Des Weiteren wünscht sich Nancy Kemp-Arendt ein Zeitfenster von zwei bis drei Monaten für die Organisation der Debatten nach einer erfolgreichen Petition. Auch wäre die Abgeordnete für eine genauere Regelung, bis wann Debatten vor einem Wahltermin durchgeführt werden dürfen. Vonseiten der Petenten wurde zudem bedauert, dass es nach der Debatte einen „huis clos“ der Parlamentarier gäbe. „Diese vier Überlegungen gehen an die nächste Petitionskommission“, sagt Nancy Kemp-Arendt.
Themenschwerpunkte der Petitionen der letzten zwölf Monate waren Arbeit, Mobilität, Finanzen, Familie und Gesellschaft, Wohnen, Bildung, Mobilität sowie Gesundheit, die allerdings eine wesentlich kleinere Rolle spielt als noch zu Pandemiezeiten (von 20 auf 7,5%). Zwei Petitionen schafften es über die Marke der 10.000 Unterschriften, wobei es die Forderung nach zwei Tagen Homeoffice pro Woche mit fast 14.000 Signaturen in die Top 3 der bisher erfolgreichsten Ersuche schaffte (siehe Kasten).
Die Top 10 seit 2014
1. „E Referendum iwwert ons Verfassungsreform“: 18.645 Unterschriften (Jahr: 2021)
2. „Lëtzebuerger Sprooch als 1. Amtssprooch an Nationalsprooch gesetzlech fir all Awunner zu Lëtzebuerg festzeleeën“: 14.500 (2016)
3. „2 jours de télétravail par semaine pour tous, y compris les frontaliers“: 13.892 (2022)
4. „Pour le droit aux écoles privées pour tous: des écoles privées dans le secteur du handicap et le secteur des enfants à besoins spécifiques“: 12.952 (2016)
5. „Erhalt und Modernisierung der Kirchenfabriken“: 11.679 (2016)
6. „Pétition contre la vaccination obligatoire Covid-19 pour les citoyens“: 11.456 (2021)
7. „Réduire les impôts sur les salaires des célibataires“: 10.809 (2023)
8. „Petition gegen die Ausführungsbestimmung (RGD) ‚ouverture de chasse pour l’année cynégétique 2015/16‘“: 10.317 (2015)
9. „Congé payé légal d’au moins 30 jours pour tout le secteur privé“: 10.105 (2017)
10. „Gerichtliche Schritte zwecks Abschalten und Stilllegen des Atomkraftwerks Cattenom“: 9.701 (2016)
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