/ Physik zum Anfassen: Uni Luxemburg macht Wissenschaft greifbar
Die Uni.lu präsentiert sich zum ersten Mal bei den „Journées portes ouvertes“: Am Sonntag zeigen sich die Physik- und Ingenieurwesen-Labore einer größeren Öffentlichkeit. Der Leiter des Fachbereichs Physik, Prof. Dr. Ludger Wirtz, hat sich mit dem Tageblatt über die Forschung und die Berufsmöglichkeiten von Physikstudenten unterhalten – und darüber, wie er zur Fernsehserie „The Big Bang Theory“ steht.
Fotos: Editpress/Fabrizio Pizzolante
„Der Tag der offenen Tür ist ideal, um zu zeigen, was auf dem etwas vergessenen Standort Limpertsberg an spannenden Forschungen gemacht wird“, sagt Ludger Wirtz. Der Fachbereich Physik und Materialwissenschaften befindet sich größtenteils an diesem Standort. Dort findet die gesamte Forschung der 12 von insgesamt 14 Arbeitsgruppen statt. Ludger Wirtz selbst ist theoretischer Festkörperphysiker und berechnet die Eigenschaften von neuartigen Materialien, ausgehend von deren atomaren Struktur. Dadurch kann unter anderem vorhergesagt und erklärt werden, welche Farbe ein Material hat, wie fest und elastisch es ist oder auch ob und wie gut es Strom leitet.
Seit sieben Jahren ist Wirtz an der Uni Luxemburg angestellt. „Der Uni.lu ist anfangs mit viel Skepsis begegnet worden. Doch in allen Fachbereichen forschen und lehren mittlerweile internationale Professoren auf demselben Niveau wie an den anderen europäischen Universitäten.“ An der Universität gebe es viele schlaue Menschen, die mit großer Begeisterung spannende Experimente durchführen. „Und die Menschen können sich anschauen, was sie für ihre Steuergelder bekommen“, fügt er scherzhaft hinzu.
Im Bachelorstudium für Physik schreiben sich für gewöhnlich 15 Studienanfänger ein. Zehn davon studieren nach dem ersten Jahr weiter. Im Masterprogramm gibt es im Prinzip fünf bis zehn Anfänger. Dieses Mal waren es 25 Anmeldungen.
Eigenständig experimentieren
An diesem Sonntag können die Besucher ab 10.00 Uhr Experimente durchführen und sich einer geführten Tour durch die verschiedenen Forschungslabore anschließen. Eines der Highlights ist eine Eisenbahn, die sich durch einen supraleitenden Magneten (fast) reibungsfrei auf Schienen bewegt. Auf dem Programm stehen auch die Beobachtung von Bakterienwachstum in Echtzeit, die optischen Eigenschaften von Flüssigkristallen sowie das Sichtbarmachen von Atomen mithilfe eines Tunnelmikroskops. Im neuen Laserlabor werden Experimente mit ultrakurzen Laserpulsen vorgeführt.
„Natürlich wollen wir die Gelegenheit nutzen, unsere Studienprogramme vorzustellen“, sagt der 48-Jährige. Warum soll ein junger Mensch sich für ein Physikstudium entscheiden? Im Gegensatz zur Chemie oder Pharmazie mit den entsprechenden Industrien gibt es keine physikalische Industrie. Doch Physiker kommen in ganz verschiedenen Wirtschaftszweigen unter. „Viele landen nach dem Abschluss bei großen Firmen wie Bosch oder Siemens oder kommen bei Banken und im Versicherungswesen unter.“
In den letzten Jahren arbeiten immer mehr theoretische Physiker als Data-Scientists. Bei der Data-Science werden große Datenmengen in anonymisierter Form analysiert, um spezifische Informationen über größere Trends zu bekommen. Durch die von Mobiltelefonen gesammelten Daten kann z.B. Google sein Verkehrsleitsystem mit erstaunlicher Genauigkeit betreiben. Handelsketten können das Einkaufsverhalten ihrer Kunden vorhersagen und entsprechend planen. Im Fachbereich Physik benutzt ein kleiner Teil der Forscher Methoden, um in einer Datenbank nach Materialien mit spezifischen Eigenschaften zu suchen. Die Hoffnung ist, neue effiziente Materialien zu finden, die zum Beispiel für Solarzellen oder Batterien verwendet werden können.
Vom „simplen Experiment“ zum Elementarteilchen
Ein Student der Physik soll laut dem Professor Neugierde mitbringen, Motivation sowie ein gutes mathematisches Grundwissen. „Die Mathematik ist und bleibt die Sprache der Physik“, so Wirtz. Durchhaltevermögen und eine gewisse Frustrationstoleranz sind ebenfalls gefragt, da das Niveau an der Uni deutlich höher ist als vorher auf dem Lycée.
Ludger Wirtz hat sich bereits in seiner Schulzeit für sein späteres Studienfach begeistern können, da er „einfach das Glück hatte, einen sehr guten Physiklehrer zu haben“. Ganz simple Versuche wie die Bestimmung der Fallgeschwindigkeit oder dass mit relativ einfacher Mathematik die Flugbahn einer Kugel berechnet werden kann, haben sein Interesse an dieser Wissenschaft geweckt.
Nach dem Abitur hat er sich dann für ein Physikstudium eingeschrieben. „Später, als wir in die Welt der mikroskopischen Physik, der Atome und Elementarteilchen geschaut haben, wurde es noch viel faszinierender.“ Seiner Ansicht nach wird in den Gymnasien noch nicht genug Wert auf die modernen Wissenschaften gelegt: Er hofft, dass sich unter den Schulpolitikern die Einsicht durchsetzt, dass mehr in die Bereiche Naturwissenschaften, Technik und Informatik investiert werden muss. „Das ist für eine technologisch fortgeschrittene Gesellschaft unbedingt nötig, um den Anschluss nicht zu verpassen.“
„Big Bang Theory“ als Studentenmagnet
Die erfolgreiche amerikanische Fernsehserie „The Big Bang Theory“ spielt sich im Universitätsleben ab. Einige der Hauptcharaktere stellen Physiker dar, die in unterschiedlichen Spezialgebieten forschen. Sie werden als geniale, verwirrte Wissenschaftler dargestellt, mit einigen komischen Angewohnheiten. In den einzelnen Folgen werden aktuelle Themen aus verschiedenen Gebieten der Physik aufgegriffen. Wird Ludger Wirtz von Nicht-Wissenschaftlern darauf angesprochen? Er schaut die Serie selbst mit „großem Vergnügen“ und sagt mit einem Augenzwinkern: „Vielleicht haben Physiker wirklich einen Hang zum Skurrilen, aber sicherlich nicht in diesem Maße.“
Physiker seien bei weitem nicht so lebensfremd wie die Hauptakteure. Doch habe die Serie tatsächlich zum Interesse der Bevölkerung an seinem Fach beigetragen. Die Charaktere würden trotz allem sehr liebenswert dargestellt und dadurch werde die Physik – auch wenn sie im Hintergrund bleibt – als etwas Spannendes und Bereicherndes wahrgenommen. „Durch die Serie sind die Studentenzahlen in Deutschland und in Österreich in dem Bereich nach oben gegangen.“ Die wissenschaftlichen Betrachtungen, die Sheldon und Co. durchführen, basierten größtenteils auf aktuellen Entwicklungen der Physik, weil bei der Produktion wissenschaftliche Berater anwesend sind.
Info
Am 21. und 22. September öffnen 38 Unternehmen ihre Tore und ermöglichen den Besuchern einen Blick hinter die Kulissen. Neben der Physik bietet auch der Fachbereich Engineering auf Kirchberg einige Aktivitäten an. Weitere Informationen dazu gibt es unter: www.portes-ouvertes.lu.
Ludger Wirtz hofft, mit seiner Forschung die Entwicklung von neuen Materialien und damit auch von neuen Technologien wie dem „Quantencomputer“ voranzubringen. Zu den ganz großen Träumen gehört, dass er und seine Kollegen in den nächsten Jahren dazu beitragen, komplexe biologische Vorgänge zu begreifen. „Bei dieser Art der Forschung geht es darum, nachzuvollziehen, wie unser Gehirn funktioniert, und darum, herauszufinden, wie die großen Krankheiten wie zum Beispiel Krebs besiegt werden können. Das sind zunächst einmal biochemische Fragen, aber auch statistische Physik spielt eine große Rolle.“ Heute müsse damit begonnen werden, darüber nachzudenken und die Forschung dahingehend zu entwickeln, damit es vielleicht in 10 bis 20 Jahren einen Durchbruch in dieser Richtung gebe. „Die Universität ist eine Institution, die weit in die Zukunft blickt, die versucht, intellektuelle Avantgarde zu sein, um zukunftsträchtige Gebiete zu erkennen und mitzuverfolgen.“
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