Kichererbsen und Co. / Pilotprojekt fördert Anbau von Pflanzenprotein in Luxemburg
„Ierbsebulli“, „Judd mat Gaardebounen“, „Lënsenzopp“: Obwohl es in Luxemburg traditionsreiche Rezepte mit Hülsenfrüchten gibt, bauen wir diese nicht an. Ein Pilotprojekt soll das ändern. Doch warum? Das Tageblatt hat mit Projektleiter Philip Barth über das Potenzial der Leguminosen gesprochen.
Linsen, Bohnen und Erbsen – Hülsenfrüchte stehen in Luxemburg nicht mehr so oft auf dem Speiseplan wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Doch die Proteinbomben feiern ein Comeback. Angetrieben vom Klimawandel und der Verbreitung von fleischreduzierten Ernährungsweisen werden die Leguminosen immer beliebter. In Luxemburg wird davon fast nichts produziert – außer für die Tierfütterung. Das soll sich ändern, wie Philip Barth vom „Institut fir biologesch Landwirtschaft an Agrarökologie“ (IBLA) dem Tageblatt erzählt.
Was sind Leguminosen?
In die Kategorie der kleinkörnigen Leguminosen fallen verschiedene Kleesorten (weißer, roter und Alexandrinerklee) und die Luzerne-Arten. Diese werden bereits in Luxemburg angebaut und dienen ausschließlich der Tierfütterung. Zu den großkörnigen Leguminosen – auch noch Hülsenfrüchte genannt – gehören Erbsen, Bohnen, Linsen, aber auch Lupinen. Letztgenannte sind bereits auf den Feldern in Luxemburg zu finden. Hülsenfrüchte eignen sich zum Teil für die Tiernahrung, aber vor allem für Menschen. Mit zwischen 18 und mehr als 40 Prozent Eiweiß sind sie eine gesunde Proteinquelle.
Barth ist der Projektleiter des „LEGU-WSK“, das vom Landwirtschaftsministerium finanziert wird. Er begleitet acht Bio- und fünf konventionelle Landwirte beim Anbau von insgesamt acht Hektar Linsen, vier Hektar Kichererbsen und zwei Hektar Saubohnen. Alle Teilnehmer müssen sich an die gleichen bio-landwirtschaftlichen Anbauprinzipien halten. Ziel ist es, eine erfolgreiche Ernte einzufahren und auch langfristig zu gewährleisten, dass Hülsenfrüchte wieder in Luxemburg produziert werden.
Die Erzeugnisse sollen nachher vor allem in verschiedenen „Maisons relais“ weiterverarbeitet werden. Das funktioniert über eine Zusammenarbeit mit dem „Syndicat intercommunal pour la conservation de la nature“ (Sicona). Irgendwann sollen die Lebensmittel dann aber auch in den Supermärkten landen.
Gut für Boden und Insekten
Doch warum sollten Luxemburger Landwirte überhaupt auf diese bisher kaum benutzte Kultur umsteigen? Zum einen benötigen Leguminosen keinen Dünger. Die Pflanzen verfügen nämlich über Knöllchenbakterien, die Stickstoff aus der Atmosphäre fixieren können. Die grobkörnigen Varianten – wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen – fixieren etwa so viel, wie sie verbrauchen. Die kleinkörnigen binden sogar noch mehr und reichern damit den Boden für die darauffolgende Kultur an.
Hinzu kommt: Leguminosen haben viele Wurzeln, die die Bodenstruktur verbessern und beim Aufbau von Humus helfen. Wenn sie absterben, bieten sie den Lebewesen im Boden viele Nährstoffe. Außerdem sind Hülsenfrüchte für viele verschiedene blütenbesuchende Insekten eine wichtige Nahrungsquelle. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Landwirt sie nach der richtigen Aufbereitung sehr lange lagern kann. Dadurch eignen sie sich auch gut zum direkten Verkauf. „Wenn die korrekt getrocknet im Hofladen stehen, ist das Risiko, dass sie verderben, eher gering“, erklärt Barth.
Platzmangel auf dem Acker
Bei all diesen Vorteilen: Warum pflanzt dann nicht jeder Landwirt Leguminosen an? Zum einen fehlt die Expertise in Luxemburg – ein Umstand, den Philip Barth mit dem IBLA-Projekt beheben will. Zum anderen müssen Hülsenfrüchte nach der Ernte noch zusätzlich verarbeitet werden. Heißt: Säubern, Trocknen, Steine entfernen. Linsen können beispielsweise noch geschliffen werden, damit sie schneller kochen. „Diese Infrastruktur besteht in Luxemburg überhaupt nicht“, sagt Barth. Die Ernte muss also vor dem Verkauf zuerst zur Weiterverarbeitung ins Ausland geliefert werden. „Das verursacht ungemeine Logistikkosten“, so der Wissenschaftler. „Wenn es von der Regierung und vor allem den Konsumenten gewünscht ist, solche Produkte aus Luxemburg zu kaufen, dann müsste man sich überlegen, wie man die nötige Infrastruktur aufbaut.“
Das ist eigentlich ein gesamteuropäisches Problem – ich habe eine Weile in Westafrika gelebt und da sieht man, wie der Markt mit viel zu günstigen Lebensmitteln aus Europa überschwemmt wird, weil wir nicht wissen, wohin damitProjektleiter
Hinzu kommt, dass die Milchvieh- und Rinderhaltung eine große Rolle in der Luxemburger Landwirtschaft spielt. Viele Bauern bauen ihre eigenen Futtermittel an, anstatt sich auf ausländische Eiweißquelle zu verlassen. Das Problem: Hülsenfrüchte werden zur gleichen Zeit angebaut wie beispielsweise Mais und anderes Getreide. Da die Ackerfläche im Großherzogtum eher begrenzt ist, konkurrieren die Futtermittel mit Lebensmitteln für Menschen. „Man muss sich vielleicht fragen, ob wir die momentane Menge Milch wirklich produzieren müssen“, sagt Barth. „Das ist eigentlich ein gesamteuropäisches Problem – ich habe eine Weile in Westafrika gelebt und da sieht man, wie der Markt mit viel zu günstigen Lebensmitteln aus Europa überschwemmt wird, weil wir nicht wissen, wohin damit.“
Barth erhofft sich jedenfalls, dass Leguminosen in Luxemburg zukünftig nicht nur für Tierfutter angebaut werden. Die Wetterverhältnisse sind jedenfalls relativ günstig. Die höheren Durchschnittstemperaturen der vergangenen Jahre, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, erleichtern ihren Anbau.
Diese Leguminosen sind Teil des Projektes
Linse – die Verlässliche
Teil des Projektes sind zwei Linsenarten: zum einen die Beluga-Linse, die wegen ihrer schönen schwarzen Farbe und ihres Geschmacks sehr beliebt in der Gastronomie ist. Die Anicia-Linse ist zum anderen „vom Aroma her mit die beste, die es gibt“. Besser bekannt ist sie unter dem Namen Puy-Linse, darf allerdings nur so genannt werden, wenn sie aus der gleichnamigen Region stammt. In Belgien, Lothringen und Saarland werden Linsen traditionell angebaut. „Wir sehen jetzt nach der Aussaat, dass sie bei allen Standorten sehr gut aufgelaufen sind“, sagt Barth. Das Risiko für das Auftreten von großen Problemen ist geringer – die Linsen wurden früher wahrscheinlich bereits in unseren Breitengraden angebaut. Vergangenes Jahr habe ein Landwirt versucht, Linsen anzubauen, sei aber gescheitert. Er nehme allerdings jetzt auch am IBLA-Projekt teil.
Kichererbse – die Riskante
Die Kichererbse wurde bisher nicht in Luxemburg angebaut. Eigentlich kommt sie aus wesentlich wärmeren Regionen wie Indien, Pakistan oder der Türkei. Das IBLA-Projekt startet nun den ersten Versuch. „Das ist die riskanteste Pflanze, die wir mit diesem Projekt anbauen“, sagt Barth. Sie reift nämlich von unten nach oben ab. Heißt: Die Hülsen unten können schon perfekt sein, wenn sie oben noch grün sind. „Wenn man zu lange wartet und noch einmal Spätsommerregen darauf fällt, dann keimen die untersten Samen und sind dadurch nicht mehr verwendbar.“ Dadurch könne es dann durchaus zu einem Komplettausfall kommen. Warum also trotzdem anbauen? „Das ist die beliebteste Kultur von allen“, so Barth.
Saubohne – die Traditionelle
Die Saubohne, auch bekannt unter dem Namen Acker- oder Favabohne, stammt aus der Großregion. Heißt: Der Anbau ist in Luxemburg kein Problem. Sie wird sowohl als Futtermittel für Tiere als auch in der menschlichen Ernährung genutzt – vor allem in Südeuropa und Nordafrika. Im Großherzogtum wird sie außerhalb des Pilotprojektes nur als Tierfutter angebaut.
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