Total League Herren / Pit Rodenbourg steht beim Racing plötzlich in der Verantwortung
Kaum jemand kennt den Racing Luxemburg besser als Pit Rodenbourg. Kein Wunder demnach, dass der langjährige Assistant-Coach nach der Entlassung von Head-Coach Torbjörn Gehrke in die Bresche springt.
„Es kann richtig gut klappen, aber auch komplett nach hinten losgehen“, ist sich Pit Rodenbourg seiner neuen Aufgabe bewusst. Seit der Verein sich am 26. März von Head-Coach Torbjörn Gehrke trennte, steht der langjährige Assistenz-Trainer des Hauptstadtklubs in der Verantwortung. Fakt ist, dass wohl kein anderer das Team besser kennt als der 31-Jährige, der seit jeher mit Herz und Seele beim Verein dabei ist und seit 2015 als Bindeglied zwischen der Herrenmannschaft und Trainer fungierte. „Natürlich hat man als Co-Trainer eine viel freundschaftlichere Beziehung zu den Spielern“, erklärt Rodenbourg, der in den letzten Jahren für die vielen ausländischen Profi-Trainer, die beim Racing an der Seitenlinie standen, stets die erste Ansprechperson war. „Du bist die Person, zu der die Spieler kommen, wenn sie sich nicht trauen, etwas direkt beim Trainer anzusprechen. Diese freundschaftliche Ebene ermöglicht es einem aber auch, mal etwas anzusprechen, was sonst vielleicht nicht so gut aufgenommen werden würde.“
Dass er sich erst einmal in seine neue Rolle hineinfinden und seine Herangehensweise ändern muss, das leugnet der neue Head-Coach keinesfalls. „Aus einer halb passiven bin ich nun in eine aktive Rolle gerutscht. Das macht meine Arbeit natürlich auch direkt viel angreifbarer.“ Doch auch die Verantwortung, der Druck und der Zeitaufwand nehmen gleichzeitig zu: „Ich bin ja jetzt für die Trainingseinheiten zuständig, die Spielsysteme, die Vorbereitung auf das nächste Spiel.“ Dass die Spieler in den letzten Tagen jedoch immer wieder betonten, dass sie voll und ganz hinter ihrem neuen Coach stehen, beruhigt ihn dann doch: „Das hört man natürlich sehr gerne.“
Es ist nicht der erste Trainerjob, den Pit Rodenbourg beim Racing übernimmt. Denn in der Saison 2012/13 stand er bereits einmal bei der Damenmannschaft in der Verantwortung, etwas, woran sich wohl nur noch die wenigsten erinnern. „Damals bin ich wirklich ins kalte Wasser geworfen worden“, erzählt er mit einem Lachen. „Ich hatte noch nie gecoacht, hatte keinen Trainerkurs absolviert.“ So betont er auch direkt, dass dies nun anders ist: „Ich hatte das Glück, dass ich in den letzten Jahren zudem von vielen ausländischen Trainern lernen konnte.“ Dass Gehrke nach einer bisher für den Hauptstadtverein durchaus schwierigen Saison den Verein verlassen musste, tut Rodenbourg jedenfalls leid: „Ich selbst hatte eine hervorragende persönliche Beziehung zu ihm. Für mich ist es komisch, dass er nicht mehr da ist.“ Woran es schlussendlich lag, dass sich der Verein vom Schweden trennte, kann auch Rodenbourg nur vermuten. „Wir haben mehrere sehr enge Spiele verloren, dann schaut man sich natürlich auch die kleinen Details viel genauer an. Hätten wir diese Partien gewonnen, wäre der Trainer wahrscheinlich kaum in Frage gestellt worden.“
Zur Leichtigkeit zurückfinden
Dass die spezielle Covid-19-Saison für den Racing Luxemburg bisher alles andere als einfach war, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Mit einer Bilanz von vier Siegen und neun Niederlagen, belegt das Team, das sich nach dem Aufstieg im Jahr 2017 kontinuierlich steigerte und die letzten zwei Spielzeiten sogar in den Top sechs landete, zurzeit nur den neunten Rang. Mit der Ausnahme von Contern gab es lediglich Siege gegen Steinsel und Hesperingen, die in der Tabelle hinter dem Hauptstadtklub stehen. Dabei ging die Mannschaft, die die Saison mit nur einem einzigen Profispieler begann, durchaus ambitioniert in die laufende Spielzeit: Die Verpflichtung von Bobby Melcher, einem der besten Spieler des Landes, sorgte im luxemburgischen Basketball für großes Aufsehen. Im Kader stehen zudem Routiniers wie Sam Ney, Chris Scholtes, Mathieu Gillardin, Christophe Laures oder Xavier Engel und die 1994er Talente Louis Soragna, Steven Mersch und Gaëtan Bernimont, die sich in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelten.
Doch bereits vor der Saison gab es eine erste Ernüchterung: Eigengewächs Max Hilger, der nach seinem Auslandsstudium beim Racing sein Comeback feiern wollte, war verletzungsbedingt für Monate nicht verfügbar. Für den Restart im Februar musste dann auch Melcher passen, der in dieser Saison nicht mehr auflaufen wird. „Bobby war integraler Bestandteil des Spielsystems, das macht es nicht einfacher“, erklärt Rodenbourg. So entschied man sich beim Hauptstadtklub im Februar dann doch, auf einen zweiten Profi-Spieler zurückzugreifen – Tommy Rutherford neben Jordan Giles. Doch seitdem läuft es auch nicht wesentlich besser: „Max hat sich leider eine Infektion zugezogen, sonst hätte er für die letzten Spiele vielleicht noch zur Verfügung gestanden. Das hätte natürlich auch die Last von Louis genommen“, bedauert der neue Head-Coach. Mit Laures verletzte sich nicht zuletzt ein weiterer Leistungsträger.
Sie meinten auch, dass ich nichts zu verlieren hätte, ja eigentlich nur gewinnen könne
Dass die Mannschaft die nötige Qualität besitzt, dessen ist sich Pit Rodenbourg sicher: „Wir müssen einfach aus dieser Negativspirale heraus, die vielen kleinen Details vergessen und zu einer gewissen Leichtigkeit zurückfinden.“ Seine Hauptaufgabe sieht er somit auch erst einmal darin, dem Team das Selbstvertrauen zurückzugeben. Nach dem Sieg zum Einstand gegen das sieglose Tabellenschlusslicht Hesperingen, konnte der Hauptstadtklub am letzten Wochenende gegen Walferdingen dann auch phasenweise überzeugen, das erste Viertel sogar für sich entscheiden. Doch zwei ausgeglichene Durchgänge reichten am Ende nicht aus. „Das war auch für mich ein Reality-Check“, gibt Rodenbourg zu. Dass sein Team sich noch für die Top sechs qualifizieren kann, daran glaubt er noch immer, auch wenn sich der Head-Coach bewusst ist, dass es eine ganz schwierige Aufgabe wird. Vor allem da an den kommenden beiden Spieltagen mit Ettelbrück und Düdelingen zwei Titelfavoriten warten. Danach muss man auch gegen die direkte Konkurrenz Contern, Heffingen und Musel Pikes den direkten Vergleich im Auge behalten.
Ob man den 31-Jährigen auch nach dieser Saison noch als Head-Coach sehen wird, steht nicht fest. „Hätte man mich vor drei Monaten gefragt, ob ich das überhaupt machen möchte, hätte ich wohl Nein gesagt.“ Doch in einer aufgrund der Corona-Pandemie speziellen Saison war dieser Schritt für den Klub die logische Lösung. „Der Verein hat schon viel Wert auf mich gelegt. Sie meinten auch, dass ich nichts zu verlieren hätte, ja eigentlich nur gewinnen könne.“ So entschloss sich Rodenbourg dann auch, es einfach mal zu versuchen. „Es ist eine Herausforderung, die erst einmal sechs bis sieben Wochen dauert. Danach muss ich mir selbst einige Fragen stellen und schauen, ob ich mir das auch mal längerfristig vorstellen kann.“ Denn neben seinem Job bei einer luxemburgischen Bank ist Rodenbourg auch noch Mitglied des Verwaltungsrates des Basketballverbandes FLBB und Assistant-Coach, Teammanager sowie Scout der Herrennationalmannschaft. Ein prallgefüllter Terminkalender, denn ohne Basketball geht es für Pit Rodenbourg irgendwie nicht.
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