Energiekrise / Planerfüllung trotz Zahlendreher: So laufen Luxemburgs Gas-Sparmaßnahmen
Seit August soll in Europa weniger Gas verbraucht werden. Dem Tageblatt liegt der Luxemburger Verbrauchswert für den ersten Sparmonat vor: Der Richtwert wurde bei weitem erreicht – und das, obwohl sich das Sparziel wegen eines Übertragungsfehlers noch einmal ändern wird.
15 Prozent weniger Gas – das ist das Ziel, das die EU ihren Mitgliedstaaten auf die Agenden geschrieben hat. Erst einmal auf freiwilliger Basis soll in jedem der 27 EU-Länder diese Menge in den acht Monaten von August 2021 bis März 2023 weniger verbraucht werden – pauschal. Weniger als was? – Als im Referenzzeitraum davor. Der umfasst die Monate August bis März von 2017 bis 2022, beinhaltet demnach sowohl Vor-Corona-Zeiten als auch harte Lockdowns. Also: der Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre, minus 15 Prozent: das muss Ende März auf dem Zähler stehen.
Luxemburg peilt dieses Ziel erst einmal ohne Zwang an: Die freiwillige EU-Doktrin wird hierzulande von ebenfalls freiwilligen Sparmaßnahmen begleitet. Gespart worden sein soll zwar eigentlich schon seit August, vorgestellt wurden die Pläne von der Regierung aber erst Anfang September. Oberste Adressaten: Staat, Gemeinden und Unternehmen. Bürger bekommen Energiespartipps.
Wer von jenen Akteuren wie viel spart, wird vom Energieministerium derzeit nicht erfasst. Dienstherr Claude Turmes („déi gréng“) selbst gewährte bereits in der vergangenen Woche einen Einblick in die nicht sonderlich detaillierten Gasstatistiken seines Ministeriums: Verwaltungen, die der nationalen Administration der „bâtiments publics“ unterstehen, machten „etwas weniger als zehn Prozent“ des Verbrauchs der gewerblichen Kunden aus, schrieb er in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. „Wir haben nur den nationalen Verbrauch“, erklärt ein Ministeriumssprecher diese Woche ebenfalls gegenüber dem Tageblatt. „Und das ist auch von der EU-Kommission so vorgegeben.“
Falscher Wert in der Behördenstatistik
Ausgerechnet dort hat sich ein Fehler eingeschlichen – zumindest in den Datenblättern der EU-Statistikbehörde Eurostat, die für die Sparziele als Richtwert gelten. Für den August 2020 – also mitten in jenem Referenzzeitraum, nach dem die Sparmenge berechnet wird – ist bei Eurostat nämlich ein falscher Verbrauchswert hinterlegt. Der verfälscht, wenn auch nur leicht, das Sparziel des Großherzogtums.
Für den August 2020 gibt Eurostat den Luxemburger Gasverbrauch mit 398 Gigawattstunden an. Das Luxemburger Energieministerium sagt jedoch auf Tageblatt-Nachfrage: Es wurden damals 339 Gigawattstunden verbraucht. „Diese Differenzen sind uns auch schon aufgefallen“, erklärt der Ministeriumssprecher. Kleinere Unterschiede in den Datensätzen seien „schon einmal möglich“, da Einheiten umgerechnet würden, sie würden sich jedoch auf den „Nachkomma-Bereich“ beschränken. Wo also sind die fehlenden 59 Gigawattstunden hin?
Der Fehler entstand offenbar bei der Datenübermittlung. Das Luxemburger Energieministerium bekommt die Gasimport-Daten vom Netzbetreiber Creos gemeldet. Laut Ministerium liefert Creos diese Zahlen auch an das Luxemburger Regulierungsinstitut ILR, das das im Land hergestellte Biogas der Bilanz hinzufügt. Das ILR meldet das Resultat dann an die Luxemburger Statistikbehörde Statec, die sie in die Eurostat-Norm umrechnet und dann an die EU-Behörde weiterreicht. „Es ist jetzt festgestellt worden, dass bei der Übermittlung der Daten 2020 im August ein Fehler entstanden ist – da wurden Eurostat falsche Daten übermittelt“, erklärt der Sprecher des Energieministeriums. Die Eurostat-Tabellen würden in den kommenden Tagen aktualisiert – und Luxemburg bekommt ein neues Sparziel.
Das wird nicht viel anders aussehen als jenes, das die Regierung Anfang September genannte hatte: Der Durchschnittsverbrauch für die Referenzzeiträume sinkt um elf Gigawattstunden, die Menge, die bis Ende März eingespart werden muss, reduziert sich um zwei Gigawattstunden, von 973 auf 971.
August-Sparziel übererfüllt
Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Im ersten „Sparmonat“, also in diesem August, hat Luxemburg sein Sparziel nämlich so oder so übererfüllt: Insgesamt 238 Gigawattstunden Gas-Energie strömten laut Energieministerium durch die Pipelines des Landes, wie der Ministeriumssprecher auf Tageblatt-Anfrage mitteilt. Also 139 weniger als die geforderte Marke. „Damit liegen wir 37 Prozent unter dem Verbrauch“, sagt der Sprecher. Luxemburg legt schon einmal eine Sparreserve an, könnte man meinen – denn was am Ende zählt, ist, was insgesamt bis Ende März weniger verheizt wurde. Aber: „Das ist mit Vorsicht zu genießen – wenn wir einen kalten Winter haben, ist diese Reserve schnell aufgebraucht“, sagt der Sprecher.
Tatsächlich ist der August für die Luxemburger Sparstatistik nicht von großem Gewicht – einfach, weil der Verbrauch dann naturgemäß niedrig ist. In den vergangenen fünf Jahren war der August der Monat mit dem niedrigsten Gasverbrauch. Durchschnittlich flossen durch die Pipelines im Land 377 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Für den Januar beträgt dieser Wert 1.116 Gigawattstunden, also fast das Dreifache. Der größte Verbrauch in den vergangenen fünf Jahren wurde in Luxemburg im Januar 2019 mit 1.207 Gigawattstunden festgestellt.
„Organisatorische Maßnahmen“ nur bei „reellen Problemen“
Dennoch: Der Fall, dass man ein „reelles Versorgungsproblem“ habe und man „organisatorische Maßnahmen“ beschließen müsse, sei noch nicht eingetreten, sagt der Sprecher des Energieministeriums. „Wir sind noch immer in der freiwilligen Zeit, da gelten die nationalen Konsumzahlen.“ Und solange es nicht zu einer Knappheit kommen würde oder europaweit eine Verpflichtung ausgesprochen würde, würde Luxemburg auch keine verpflichtenden Maßnahmen beschließen. Zu den freiwilligen Maßnahmen hatte Energieminister Claude Turmes auf der Sparplan-Pressekonferenz am 8. September gesagt: „Wenn das nicht ausreichen sollte oder auf europäischer Ebene der Notstand ausgerufen wird, werde ich per großherzogliches Reglement verbindliche Maßnahmen beschließen.“
Dieses Reglement geht offenbar im neuen „Plan d’urgence“ auf, an dem das Ministerium derzeit arbeitet und der im Oktober vorgestellt werden soll. Der soll für unterschiedliche Rahmenbedingungen unterschiedliche Maßnahmen vorsehen. „Es gibt verschiedene Szenarien, die dort beschrieben werden“, sagt der Sprecher des Energieministeriums. „Auch die möglichen Maßnahmen, die im Reglement beschrieben werden, werden im ‚Plan d’urgence’ aufgelistet werden.“ Je nachdem, was passiere, gebe es einen anderen Notfallplan, die Maßnahmen hingen von der jeweiligen Situation ab.
Der alte Notfallplan war eher auf den Ausfall von Pipelines als auf einen Wirtschaftskrieg mit Wladimir Putin ausgelegt. Als Ultima Ratio war dort der „Lastabwurf“ vorgesehen, mit dem große Verbraucher nach Plan vom Gasnetz abgeklemmt würden. Der neue Plan ziele mehr auf ein „Reduzieren des Verbrauches“, wie das Energieministerium dem Tageblatt Anfang September mitgeteilt hatte.
Luxemburgs Gasnetz
Zwölf „autorisierte Gasanbieter“ gibt es laut dem luxemburgischen Regulierungsinstitut ILR im Land. Sechs davon sind auf dem Endkundenmarkt tätig, fünf davon liefern an Privathaushalte. Der Transport des Erdgases geschieht über Pipelines. Es gibt einen Fernleitungsnetzbetreiber – Creos – und drei Verteilernetzbetreiber – Creos, SUDenergie und die Stadt Düdelingen.
2021 gab es insgesamt 3.429 Kilometer an Leitungen und 92.404 Anschlüsse, die 11.302 gewerbliche Kunden und vier Großkunden versorgten. Die vier Großkunden alleine verbrauchten im vergangenen Jahr 2.144 Gigawattstunden an Gas-Energie, also rund ein Viertel des gesamten Volumens. 539 Gigawattstunden wurden 2021 laut ILR von 61 Kunden für die Stromproduktion genutzt. Hinzu kommen 81.092 Haushalte mit einem Gasanschluss. Das sind rund 30 Prozent aller Haushalte in Luxemburg.
Das hierzulande verbrauchte Erdgas wird über Hochdruckleitungen aus Belgien und Deutschland importiert. 2021 kamen 6.874 Gigawattstunden aus Belgien und 1.780 aus Deutschland. Das belgische Gas stammt zu einem Großteil aus Norwegen und Großbritannien. „Der Rest wird als Flüssiggas über den LNG-Terminal Zeebrugge ins europäische Verbundnetz eingespeist“, wie das Energieministerium erklärt. Die Herkunft des Flüssiggases ist dem Ministerium nicht im Detail bekannt.
Es gebe zwei Pipeline-Eingangspunkte an der belgischen Grenze, in Petingen und in Winseler. Der Eintrittspunkt für das Gas aus Deutschland ist bei Remich.
Das Luxemburger Gasnetz zieht sich durch den kompletten Süden, den Osten mit Grevenmacher und bis nach Echternach, das Zentrum, die „Nordstad“ bis hin nach Wiltz. Auch nach Clerf führt ein Leitungsabzweig. „Der Erdgasmarkt ist durch eine vollständige Abhängigkeit vom Import gekennzeichnet“, schreibt das ILR. Nur das Biogas kommt aus dem Inland. Es stellte 2021 einen Anteil von 0,66 Prozent. (sen)
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Wir stehen mitten in einer Energiekrise die sich verstärkend auf die aktuelle Inflation auswirkt. Um die Inflation zu dämpfen übernimmt der Staat die Mehrkosten, die durch die Energiekrise verursacht werden. So weit so gut, aber ohne den Lenkungseffekt eines hohen Preises wird der Verbraucher nicht zum Energiesparen motiviert und die Kosten für den Staat steigen ins Uferlose. Wir sind mit all unseren Solar, Wind, Wasser und Gaswerken nur zu 15% „Selbstversorger“, das entspricht in etwa der Größenordnung die wir einsparen müssen.
Am September an virun allem den Oktober as wuel mei Gas verbräucht gin. Et get elo kaal an vill Leit, zumols dei mei eeler Leit verdroen d’Keelt net.
@Bux – Wie wollen Sie denn die Menschen zum Energiesparen motivieren? Die Menschen sparen aus Solidarität oder weil sie es aus finanziellen Gründen müssen. Diejenigen die nicht sparen (wollen oder müssen) werden es auch nicht tun, wenn es teuerer wird. Die Industrie und Unternehmen verbrauchen die meiste Energie und da wird definitiv gespart.
Eigenenergie herstellen wird verboten. Bei der Installation einer Solaranlage zur selbst Versorgung darf man nur 800W installieren. Warum?