EU-Parlament / Polnischer EU-Ratsvorsitz: Donald Tusk ruft zu höheren Verteidigungsausgaben auf
Polens Regierungschef Donald Tusk stellte bei der Vorstellung des Programms des EU-Ratsvorsitzes seines Landes am Mittwoch im Europäischen Parlament (EP) ein Wort in den Mittelpunkt: Sicherheit. Damit forderte er die EU-Staaten dazu auf, mehr in ihre Verteidigung zu investieren.
Die Erwartungen an die polnische EU-Ratspräsidentschaft während des ersten Semesters dieses Jahres sind groß. Vor allem, nachdem der vorige ungarische EU-Ratsvorsitz allseits kritisiert wurde. Von dem wird lediglich die sogenannte „Friedensmission“ des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban beim russischen Machthaber Wladimir Putin in Moskau in peinlicher Erinnerung bleiben. Insbesondere, nachdem Russland Orbans Alleingang mit Luftangriffen auf ein Kinderkrankenhaus in Kiew quittiert hatte.
Polen bildet in dieser Hinsicht ein Gegenstück zu Ungarn. Denn Warschau hat sich mit an die Spitze jener EU-Staaten gestellt, die die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasionstruppen mit allen Mitteln unterstützen will. Daraus, sowie aus der unmittelbaren Nähe zu den Nachbarn Russland und Belarus, erklärt sich auch die Priorität, die die polnische Ratspräsidentschaft während der nächsten sechs Monate beschäftigen wird. Doch es ist auch der Druck, der mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump auf die Europäer gemacht wird, ihre Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen, der dieses Thema in den Vordergrund rückt. Donald Tusk meinte, die Europäer sollten das „positiv“ betrachten und selbst handeln. „Fragt nicht, was Amerika für Europa und seine Sicherheit tun kann, fragt, was ihr selber tun könnt“, sagte der polnische Regierungschef in Anlehnung an einen berühmten Ausspruch des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy.
Polen gebe bereits jetzt fast fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Europa sollte nicht sparen, wenn es um seine Sicherheit geht, so Donald Tusk, der sich damit dafür aussprach, dass alle EU-Staaten ihre Verteidigungsausgaben bis zu dieser Schwelle erhöhen. Es gehe dabei „nicht um Militarismus“. „Niemand in Europa will noch einmal Krieg“ und niemand wolle, „dass sich die Geschichte auf tragische Weise wiederholt“, fuhr der polnische Premierminister fort. Daher müssten die Verteidigungsausgaben geändert werden, allerdings „nicht für immer“, so Donald Tusk.
Tusk plädiert für gemeinsame Verteidigungsausgaben
Er ging aber auch auf die Sicherheit, etwa auf dem Gebiet der Information, ein. Die EU-Staaten dürften nicht zulassen, dass sich andere „in unsere Wahlen und die Funktionsweise unserer Demokratie einmischen“, sagte der polnische Regierungschef mit Blick auf die Vorkommnisse unter anderem in Rumänien. Ein weiteres wichtiges Anliegen sei ihm die Energiesicherheit. Europa sollte nicht mehr von russischen Energielieferungen abhängig sein. Die Energiepreise wiederum hätten einen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Daher forderte Donald Tusk, alle Regulierungen „sehr kritisch zu betrachten“, auch jene, die den Grünen Deal betreffen, wenn sie zu höheren Energiepreisen führen.
Am Ende seiner Rede kam der Pole noch einmal auf die gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen zurück und meinte, dass es eine „gemeinsame Verantwortung“ dafür gebe, den europäischen Luftraum zu schützen. Womit er auf die „European Sky Shield Initiative“ anspielte, an der eine Reihe von EU-Staaten (Luxemburg ist nicht dabei), aber auch Staaten wie Großbritannien, die Türkei und selbst die neutrale Schweiz beteiligt sind. „Europa muss in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, und dafür müssen europäische Gelder ausgegeben werden“, forderte Donald Tusk und meinte, dass „niemand diesen Bedarf abstreiten“ könne.
Während es in der anschließenden Debatte manchem polnischen EP-Abgeordneten vom rechten Rand lediglich darum ging, innenpolitische Rechnungen zu begleichen, sagte der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber, er setze große Hoffnungen in den polnischen Ratsvorsitz. Er begrüßte Tusks Plädoyer für höhere Verteidigungsausgaben und verwies dabei darauf, dass mittlerweile nordkoreanische Soldaten auf europäischem Boden kämpften und Russland auf eine Kriegswirtschaft umgestellt habe.
Verteidigung beschäftigt EU-Staaten
Auch Iratxe García Pérez teilt Tusks Überlegung zur Sicherheit. Doch will sie den Begriff nicht nur auf das Militärische und die Verteidigung beschränken. Die Menschen wollten auch Sicherheit, um ihre Energierechnung zu bezahlen, und Frauen die Sicherheit, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, ohne dafür ins Gefängnis zu müssen, so die Vorsitzende der sozialdemokratischen S&D-Fraktion. Die Vorsitzende der liberalen Renew-Fraktion widersprach Tusk in Sachen Green Deal. „Wir werden keine Zukunft haben, wenn wir den Green Deal niedermachen“, sagte Valérie Hayer. „Der Green Deal ist der Schlüssel für unsere Energieunabhängigkeit, unsere Souveränität, unsere Zukunft“, sagte sie und forderte, mit Pragmatismus an das Thema heranzugehen.
Sicherheit bedeute für sie auch Umweltsicherheit, meinte ihrerseits Terry Reintke, die damit auf die Flut- und Feuerkatastrophen einging, die sich in letzter Zeit mehrten. Insofern würden mit dem Klimaschutz auch Menschen geschützt, so die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion. In Sachen Verteidigung wiederum brauche Tusk das EU-Parlament nicht zu überzeugen. Das habe sich längst für eine Verteidigungsunion ausgesprochen. Jetzt müsse gehandelt werden, forderte Terry Reintke.
Die Frage der europäischen Verteidigung wird eines der zentralen Themen in der kommenden Zeit in der EU sein. Bereits am 3. Februar wird es im belgischen Schloss Limont zu einem informellen EU-Gipfeltreffen kommen, bei dem sich die 27 ausschließlich mit der Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit befassen.
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