Editorial / Populisten-Popstars: Wie die Rechtsextremen die Jungwähler erreichten
Über 344.000 Menschen schauten Ende Mai dabei zu, wie Jordan Bardella auf TikTok in einer kurzen Pause von seinem Müsliriegel schwärmte. Gar 4,5 Millionen sahen an gleicher Stelle zwei Tage vor dem Stichdatum des 9. Juni eine letzte inszenierte Video-Aufforderung, wählen zu gehen, um „die Migrationswellen zu stoppen“ – die die „Sicherheit, Identität und Zivilisation“ Frankreichs gefährden. Einblicke in seine Privatsphäre, die sich in regelmäßigen Abständen mit knallhartem Politik-Content abwechselten, sind in den vergangenen Monaten besonders bei einer Altersschicht angekommen: den Neuwählern und denjenigen, die noch zu der sogenannten „Gen-Z“-Generation gehören.
Der Rekord-Erfolg des französischen Rechtspopulisten bleibt wohl in erster Linie ein Produkt nationalistischer Ideologien und Überzeugungen der Wählerschaft, gepaart mit einer anhaltenden Politikverdrossenheit und dem Wunsch, Macron zu destabilisieren. Aber das gilt nicht für alle. Besonders bei jungen Wählern handelt es sich viel eher um das Verdienst der gezielten Kampagne auf Instagram, TikTok und Co. Wie die Studie des „Institut d’études opinion et marketing en France et à l’international“ (IFOP) vorausgesagt hatte, lag die Beteiligung der Wählerschaft der 18- bis 25-Jährigen bei 30 Prozent – weitaus höher als noch vor fünf Jahren. Der Hype um die einzelne Person artete derart aus, dass sogar der Begriff „Bardellamania“ auftauchte: Das Aussehen (jung, geschniegelt und stets perfekt gekleidet) täuschte während der Kampagne mehrmals über faktische Fehler im Fernsehen oder bei Radiointerviews hinweg. Denn: Die neue Generation informiert sich nicht mehr nur über klassische Medien – sondern zu größten Teilen auf Social Media, wo sie das Bardella-Team gezielt in seine Ecke lenkt und Fettnäpfchen mit Müsliriegel-Content übertüncht. Das neue Gesicht des Rassemblement National ist volksnah, umgeben von einer jungen Wählerschaft, die mit einer teils noch neuen, offenen Leichtigkeit mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus umgeht.
So gesehen vor wenigen Wochen ebenfalls auf Sylt, wo rassistische Parolen völlig bedenkenlos in der Öffentlichkeit gebrüllt worden sind. In Deutschland betitelte das Spektrum für Gesellschaft die junge Wählerschaft als „Generation Greta“. Aus den „Fridays for Future“ wurde Frust: In der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen verloren die Grünen 23 Prozent ihrer Wähler gegenüber 2019. Die AfD gewann derweil elf Prozent hinzu. Mit blauen Herzchen wurden die Kommentarspalten auf TikTok und Co. teilweise im Vorfeld überflutet: Genau wie in Frankreich war mit starkem Zuwachs für die Rechtspopulisten Europas zu rechnen gewesen.
Die „Traditionellen“ haben es in diesem Wahlkampf verpasst, die Jungwähler dort abzuholen, wo es am einfachsten ist, sie anzusprechen. Das ist eben nicht mehr das Wahlprogramm im Briefkasten oder der Werbetrommel-Stand beim Dorfgrillfest, sondern in einer digitalen Welt. Die Sorge, dass es in Frankreich im Juli politisch noch einmal in die gleiche Richtung geht, ist also gar nicht mal so unbegründet. Luxemburg kam beim Rechtsruck diesmal noch mit einem blauen Auge davon. Spätestens jetzt sollte aber jede Partei verstanden haben, wie wichtig Aufklärungsarbeit und Präsenz bei der Jugend sind.
- Tor, Titel und Trophäe: Luxemburger Leandro Barreiro gewinnt Ligapokal mit Benfica - 13. Januar 2025.
- Nach ITM-Untersuchung: Mischo bestätigt Geldstrafen für Swift Hesperingen - 8. Januar 2025.
- Marco Martino wurde am Montag beim F91 entlassen - 31. Dezember 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos