/ Positiv in die Zukunft: Gilbert Falsetti bilanziert seine FLGym-Präsidentschaft
Nach anderthalb Jahren an der Spitze des luxemburgischen Turnverbandes zieht sich FLGym-Präsident Gilbert Falsetti bei der ordentlichen Generalversammlung am Samstag in Beles zurück. Im Gespräch mit dem Tageblatt blickt der 66-Jährige auf die vergangenen, nicht immer einfachen 18 Monate zurück.
Was ist TeamGym?
Die FLGym bemüht sich um die Austragung der Europameisterschaft 2022 im TeamGym. Bei dieser jungen Mannschaftsdisziplin, die eine Mischung aus Turnen und Akrobatik beinhaltet, gibt es Männer-, Frauen- und Mixed-Teams, die aus acht bis zehn Turnern bestehen. Drei Geräte müssen bestritten werden: Boden, Trampette (Sprung mit Minitrampolin) und Tumbling (mehrere aufeinanderfolgende Sprünge auf einer 13-15 Meter langen Bahn).
„Diese Disziplin bietet Turnern, die nicht mehr mit dem Geräteturnen fortfahren möchten oder dies gar nicht erst betreiben wollen, neue Möglichkeiten“, erklärt Gilbert Falsetti. „Die Resonanz unseres EM-Dossiers scheint beim europäischen Turnverband gut zu sein. Für Luxemburg wäre die Austragung eine einmalige Chance, denn rund 1.000 Turner werden bei einem solchen Event erwartet und die Stimmung bei dieser Disziplin ist schon außerordentlich.“
Das TeamGym ist eine Initiative des europäischen Verbandes UEG, doch auch der Weltverband FIG zeigt inzwischen Interesse, denn es passt in das Konzept der neuen, dynamischen Sportarten, die fürs Publikum spektakulär anzuschauen sind. Genau solche Sportarten erhalten auch beim Internationalen Olympischen Komitee immer mehr Aufmerksamkeit. Laut Falsetti soll das TeamGym aber keine der anderen Disziplinen ersetzen.
Als Gilbert Falsetti am 13. Oktober 2017 zum Präsidenten der FLGym gewählt wurde, stand es um den nationalen Turnverband nicht gut. Interne Streitereien, vor allem im Bereich der Rhythmischen Sportgymnastik, führten zu einer Demissionswelle innerhalb des Vorstandes, die den Verband über Monate hinweg lähmte. Mit einer klaren Richtlinie ist das 15-köpfige Team um Falsetti – der bereits von 1994 bis 2000 als Präsident der FLGym fungierte – vor anderthalb Jahren angetreten und wollte den drittgrößten Sportverband des Landes durch Dialog und klare Strukturen in ruhigere Zeiten führen.
Aus den zuerst geplanten sechs wurden schlussendlich 18 Monate, doch nun sieht Falsetti den richtigen Moment gekommen, um den Staffelstab weiterzugeben. Nachfolger soll der jetzige Vizepräsident Roby Rollinger werden.
Tageblatt: Herr Falsetti, konnten Sie sich ausmalen, wie viel Arbeit auf Sie zukommen würde, als Sie den Präsidentenposten der FLGym vor anderthalb Jahren übernommen haben?
Gilbert Falsetti: Dass dieser Posten mit viel Arbeit verbunden ist, war mir bewusst, dass es aber manchmal so nervenintensiv sein würde, hatte ich doch ein wenig unterschätzt. Es gab Momente großer innerlicher Anspannung, da hat man sich schon manchmal die Frage gestellt, warum man sich das eigentlich antut.
Hauptgrund hierfür dürfte sicherlich die Rhythmische Sportgymnastik gewesen sein, innerhalb deren es in der Vergangenheit bekanntlich immer wieder zu Konflikten kam?
Besonders in dieser Disziplin gab es immer so viele eigene Interessen, dass es schwer war, weiterzukommen. Wir haben von Anfang an eine klare Linie festgelegt, die wir durchgezogen haben, obwohl das nicht immer gut ankam. Es kann aber nicht sein, dass das Erste, was in einer Kommission besprochen wird, die Frage nach den Athleten ist, die zu einer WM geschickt werden. Wie soll das funktionieren, wenn noch nicht einmal eine Struktur vorhanden ist? Das war immer der große Streitpunkt, deshalb haben wir klar vorgegeben, dass ohne einen Nationalkader auch niemand zur WM fährt. Ich hoffe, dass in der Kommission inzwischen die Einsicht eingekehrt ist, dass es besser ist, zusammen- als gegeneinander oder gegen den Verband zu arbeiten.
Konnten in den vergangenen Monaten hier denn Fortschritte erreicht werden?
Wir haben Kadertests durchgeführt und vier Mädchen haben die Aufnahme geschafft. Vier weitere kommen für einen Nachwuchskader in Frage. Jetzt muss das bestehende Team sich um die Finanzierung eines Trainers kümmern. In den letzten Monaten haben wir uns zudem um ein „Centre de formation“ für die Rhythmische Sportgymnastik gekümmert. Die Chancen hierauf stehen sehr gut.
Mit Elena Smirnova wird dann auch eine junge Turnerin bereits an der kommenden EM in Baku teilnehmen …
Wir haben eine Norm festgelegt, die sie auch geschafft hat. Von Anfang an haben wir aber auch klar gesagt, dass sie nur zur EM fahren darf, wenn bis dahin ein Nationalkader steht. Wäre dieser nicht zustande gekommen, dann hätten wir sie auch nicht eingeschrieben. Ihre Teilnahme ist aber absolut verdient. Ich sehe, dass in dieser Disziplin auf jeden Fall großes Potenzial vorhanden ist. Sie ist ein wichtiger Teil der FLGym, wie die anderen Disziplinen auch, und so wird das im Vorstand auch gesehen.
Während Ihrer Amtsperiode war auch die Problematik hinsichtlich der Infrastruktur ein großes Thema. War dies die zweite große Baustelle der letzten Monate?
In einem nationalen Turnzentrum sind die verschiedenen Geräte eigentlich doppelt aufgebaut, bei uns ist nicht einmal der Platz vorhanden, damit alle einmal aufgestellt werden können. Das ist nicht mehr zeitgemäß, das weiß auch das Ministerium. Wenn man die verschiedenen Turnhallen in Luxemburg vergleicht, dann steht das INS („Institut national des sports“, d. Red) sicherlich an letzter Stelle. Durch die Gründung von Jugendkadern im Kunstturnen ist das Platzproblem noch größer geworden. Wir hoffen, dass wir zeitnah eine Lösung mit einer Gemeinde finden werden. Denn auch wenn wir in den kommenden Fünfjahresplan des Ministeriums aufgenommen werden, würde es trotzdem noch einmal gut zehn Jahre dauern, bis sich etwas ändert. Am liebsten würden wir die Gründung eines „Centre national“ anstreben, in dem neben dem Kunstturnen und der Rhythmischen Sportgymnastik alle weiteren Turndisziplinen aufgenommen werden und in dem dann auch Wettbewerbe ausgetragen werden können.
Ein Schwerpunkt des Turnsports dürfte in Zukunft die Integration der jungen aufstrebenden Disziplinen sein, wie sieht es hier in Luxemburg aus?
Die Disziplin des Parkour wurde vor kurzem offiziell vom Weltverband FIG aufgenommen. Wir haben im Moment mit Remich und Bettemburg bereits zwei Turnvereine, die diese Disziplin anbieten, allerdings zurzeit lediglich im Freizeitsport. Die Verantwortlichen haben selbst bei uns angeklopft und das Gespräch gesucht. Eine Person aus diesem Bereich hat für die kommende Generalversammlung sogar ihre Kandidatur für einen Posten innerhalb der FLGym gestellt. Dies ermutigen wir, denn von den bestehenden Leuten im Vorstand weiß niemand so genau, wie man diese Disziplin anpacken soll.
Auch die Disziplin des TeamGym scheint auf dem Vormarsch zu sein …
Hier haben wir in diesem Jahr mit der Förderung begonnen. Wir wollen ja eine Kandidatur für die Austragung der EM 2022 stellen. Deshalb wollen wir auch schnellstmöglich mit dabei sein, vielleicht schon im nächsten Jahr mit einer Mannschaft bei der EM in Dänemark. So wurden in den letzten Wochen Weiterbildungen mit Experten aus dem Ausland organisiert, dies für Turner, Trainer und Kampfrichter. Interesse ist jedenfalls vorhanden, wir hoffen, dass der Zuspruch in den kommenden Monaten weiter anwächst.
Ein großer Teil der FLGym war auch immer schon der Freizeit- und Breitensport. Welche Probleme bewegen hier die Vereine?
Das ist auch für uns die große Frage. Wir hatten eine sogenannte „Réunion conviviale“ organisiert, bei der wir mit den Freizeitklubs offen über Probleme und Lösungsmöglichkeiten sprechen wollten. Es hatten sich jedoch nur zwei Vereine angemeldet und im Endeffekt ist nur einer erschienen. Allgemein hieß es vielmehr, dass so etwas nicht benötigt wird. Wir haben hier in Luxemburg nicht die Kultur wie in anderen Ländern, in denen die Freizeitvereine auch mit zu internationalen Shows oder Events fahren wollen.
Elitesport
In den vergangenen Monaten hat sich im Bereich des Elitesports viel getan. Sechs Mädchen und fünf Jungen bilden zurzeit die Nationalkader im Kunstturnen.
Mit Céleste Mordenti und Lola Schleich haben zwei Turnerinnen den Sprung in den Promotionskader des COSL geschafft. Auch die Gründung von Nachwuchskadern wurde vorangebracht. Damen-Nationaltrainer Piotr Kopczynski hat mit Corina Haljoni zudem die lang ersehnte weibliche Verstärkung bekommen, während Herren-Nationaltrainer Jacques Renson ebenfalls das Amt des technischen Direktors ausübt. Auch in der Rhythmischen Sportgymnastik stehen inzwischen zwei Nationalkader.
Mit Céleste Mordenti und Chiara Castellucci (Kunstturnen) sowie Elena Smirnova (Rhythmische Sportgymnastik) wird die FLGym im Frühling zudem an zwei Europameisterschaften im Seniors-Bereich teilnehmen.
Was könnten die größten Herausforderungen sein, die in den nächsten Jahren auf die FLGym zukommen werden?
Wieder Turner in den Elitekader des COSL zu bekommen und dies in sämtlichen olympischen Disziplinen. Sascha Palgen war über Jahre hinweg ein Zugpferd im Kunstturnen, doch es ist nicht davon profitiert worden. Für uns ist es wichtig, wieder Aushängeschilder des Turnsports zu bekommen, aber diesmal dann auch mit einem Konzept dahinter. Bedeutend war somit auch die Gründung eines Nachwuchskaders, denn im Turnen ist schnell ein Loch zwischen den verschiedenen Generationen entstanden, wo dann niemand mehr nachrückt. Gerade mit diesem Problem kämpfen wir aktuell ja noch.
Wird man Sie denn auch weiterhin noch in der luxemburgischen Turnszene sehen?
Natürlich, es ist ja nicht so, dass ich aufhöre, weil ich ein Problem habe. Ich höre vielmehr aus persönlichen Gründen auf, weil das Ganze sehr zeitintensiv ist und ich in einem Alter bin, in dem es dann auch einmal genug ist. Wenn es aber Fragen gibt, bin ich immer bereit, zu helfen. Ich bin stolz, dass jetzt ein solches Team da steht, das so gut zusammenarbeitet, sonst würde ich mich auch nicht zurückziehen.
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