Großbritannien / Premier Starmer kündigt neue Entbehrungen an und richtet schwere Vorwürfe an die Konservativen
Den Briten stehen harte Zeiten bevor – mit dieser Botschaft hat Keir Starmer die aus dem Urlaub heimgekehrten Bürger konfrontiert. Wie an die Polizei und Justizbehörden während der kürzlichen Krawalle müsse er im kommenden Herbst auch an das ganze Land „hohe Anforderungen“ richten, sagte der Premierminister am Dienstag in London. Der für Ende Oktober geplante Haushalt werde schmerzhaft ausfallen: „Die Lage wird schlechter werden, ehe sie sich verbessert.“
Der Anfang Juli mit einem Erdrutschsieg ins Amt gekommene Labour-Politiker wiederholte erneut seine Vorwürfe an die konservativen Regierungen der vergangenen 14 Jahre. Diese hätten populistische, performative Politik ohne echte Problemlösungen betrieben. Dementsprechend würden die Regierungsinstitutionen des Landes an einer „tief eingedrungenen Fäulnis“ leiden. Da helfe es wenig – „wie wir vom Renovieren alter Häuser wissen“ – die Schwachstellen zuzukleistern. Seine Aufgabe bestehe darin, das gesamte System zu erneuern. Dementsprechend zierte der Slogan „die Fundamente reparieren“ Starmers Rednerpult im Rosengarten der Downing Street.
Konkret machte der Premierminister die Tory-Regierung seines Vorgängers Rishi Sunak für die unsoliden Staatsfinanzen verantwortlich. Vor vier Wochen hatte die zuständige Ministerin Rachel Reeves das Land mit einem schwarzen Haushaltsloch von 22 Milliarden Pfund konfrontiert. Erst vergangene Woche, führte Starmer aus, habe man eine weitere Budgetlücke von 5 Milliarden Pfund entdeckt. Beide Summen seien vom vorherigen Schatzkanzler Jeremy Hunt der unabhängigen Budgetbehörde verschwiegen worden.
Die Kritik an jüngsten großzügigen Angeboten an die Bediensteten im öffentlichen Dienst, bei Schulen, Krankenhäusern sowie bei der Eisenbahn wischte Starmer beiseite. Sein Kabinett habe die teilweise seit Jahren schwelenden Arbeitskämpfe beenden müssen, um das strategische Ziel anhaltenden Wirtschaftswachstums zu erreichen. „Kein Mensch wird glauben, dass Wachstum möglich ist, wenn die Leute nicht zur Arbeit kommen oder monatelang auf Termine beim Arzt warten müssen“, sagte der Premierminister. Er werde den Gewerkschaften gegenüber genauso hart bleiben wie gegenüber anderen Ansprüchen.
Brexit verschlimmert wirtschaftliche Malaise
Einige Passagen seiner 20-minütigen Rede verbrachte Starmer auch damit, sich selbst und seiner Regierung auf die kollektive Schulter zu klopfen. „In sieben Wochen haben wir mehr erreicht als die alte Regierung in sieben Jahren“, behauptete der Regierungschef und zählte mehrere bereits umgesetzte Wahlkampfversprechen auf: die Einrichtung eines Sovereign-Wealth-Fonds für gezielte Investitionen in Infrastruktur-Projekte, die Einrichtung eines staatlichen Koordinierungsbüros zur Förderung der erneuerbaren Energiegewinnung im Land, das Gesetz zu beschleunigten Planverfahren, das den Weg für Millionen neuer Wohnungen freimachen soll.
Den Schauplatz im lieblichen Rosengarten hinter seinem Amtssitz in der Downing Street hatten Starmer und sein PR-Team bewusst gewählt. Die Wohlfühl-Oase mitten in der Stadt assoziieren die Briten in jüngster Zeit mit zwei notorischen Ereignissen aus der turbulenten Amtszeit des gescheiterten Premiers Boris Johnson: eine Lockdown-Gardenparty für mehrere Dutzend Regierungsangehörige an einem Tag im Frühsommer 2020, als die offizielle Covid-Bestimmung den Kontakt mit einem einzigen Menschen auf Abstand im Freien erlaubte, und die Pressekonferenz seines damals engsten Mitarbeiters Dominic Cummings, in der dieser ohne jede Konsequenz schwere Lockdown-Verstöße einräumte.
Da sei der Rosengarten zum „Symbol der Fäulnis im Herzen der Regierung“ geworden, glaubt Starmer. Dadurch sei das Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Dieses Vertrauen wiederzugewinnen, sei schwierig, das wisse er. „Aber meine Regierung wird wieder dem Land dienen.“
Wie im Wahlkampf war auch diesmal vom Brexit nicht die Rede. Dabei hat der hochumstrittene EU-Austritt das Land nicht nur in der Mitte gespalten, sondern auch Großbritanniens wirtschaftliche Malaise verschlimmert. Starmer hat jegliche Schritte zur Reintegration in die Brüsseler Institutionen ausgeschlossen. Stattdessen soll mit konkreten Schritten das Verhältnis zur EU und deren wichtigsten Mitgliedstaaten verbessert werden. Unmittelbar nach seiner Rede brach der 61-Jährige zu einer Reise nach Berlin auf. Mit seinem sozialdemokratischen Regierungskollegen Olaf Scholz will er die deutsch-britische Zusammenarbeit vertiefen, die kürzlich in einem vagen Sicherheitsabkommen Ausdruck fand.
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