Interview / Professorin Mahulena Hofmann: Luxemburg brauchte ein Weltraum-Gesetz
Vor kurzem wurde im Parlament ein neues Weltraumgesetz verabschiedet, das die Rechte und Pflichten von Weltraumunternehmen genau regelt. Mahulena Hofmann ist Professorin am SES-Lehrstuhl für Weltraum-Satellitenkommunikations- und Medienrecht der hiesigen Universität. Sie hat am ersten Entwurf des Weltraumgesetzes mitgearbeitet. Mit ihr haben wir uns über den rechtlichen Rahmen unterhalten, in dem die luxemburgischen Weltraumaktivitäten vonstattengehen.
Tageblatt: Wieso braucht Luxemburg ein Weltraumgesetz?
Mahulena Hofmann: Luxemburg braucht ein solches Gesetz, weil es eine sehr breite Weltraumbranche hat. Dabei handelt es sich nicht nur um Telekommunikations-Unternehmen wie die SES. Hinzu kommen Aktivitäten mit kleinen Satelliten (sogenannten CubeSats), die zur Erdbeobachtung eingesetzt werden, und Tätigkeiten im Bereich der Navigation. In Zukunft sind auch das Auftanken und die Reparatur von Satelliten im Weltall denkbar. Dafür fehlte bislang die rechtliche Grundlage. Der Abbau von Weltraumrohstoffen wurde bereits vorher in einem eigenen Gesetz geregelt.
Warum ist das Gesetz gerade jetzt in der Corona-Krise verabschiedet worden?
Die Arbeiten an dem Gesetz haben lange vor der Corona-Krise begonnen. Der erste Vorschlag wurde 2018 vom Ministerium für Medien und Kommunikation eingereicht. Mit der Bildung der neuen Regierung ist die Kompetenz Ende 2018 an das Wirtschaftsministerium übergegangen.
Hätte man nicht bis nach der Krise abwarten können?
Es wäre schade gewesen, länger zu warten. Luxemburg hat mehrere völkerrechtliche Verträge unterschrieben, die sich mit dem Weltraum befassen. In einem dieser Verträge steht, dass Regierungen die Weltraumaktivitäten autorisieren und überwachen müssen. Um das zu machen, brauchen wir eine rechtliche Grundlage. Dazu hat man parallel an einem Gesetz über Weltraumrohstoffe gearbeitet, um den Unternehmen, die sich in Luxemburg niederlassen wollten, schnellstmöglich eine rechtliche Grundlage zu bieten. Das ging schneller, weil man sich dabei nur auf eine Aktivität konzentriert hat.
Was ändert sich jetzt für Unternehmen aus der Weltraumbranche?
Die Unternehmen wissen jetzt genau, wie sie eine Zulassung für ihre Aktivitäten beantragen müssen, wenn sie in Luxemburg ansässig werden wollen. Sie wissen jetzt, dass sie die Autorisierung beim Wirtschaftsministerium beantragen müssen, und welche Bedingungen sie erfüllen müssen, um eine solche Autorisierung zu erhalten.
Für wen gilt das Gesetz?
Das Gesetz betrifft erstens alle Aktivitäten, die auf dem Territorium von Luxemburg oder unter seiner Kontrolle ausgeübt werden. Das betrifft also auch Satelliten, die z.B. von Flugzeugen oder Schiffen aus gestartet werden. Zweitens betrifft das Gesetz alle natürlichen und juristischen Personen aus Luxemburg, die eine Weltraumaktivität im Ausland ausführen wollen. Das sind all die Fälle, in denen Luxemburg (das Land) im Falle eines Unfalls Schadensansprüche an einen anderen Staat zahlen müsste.
Das Gesetz regelt auch die Regressansprüche, die der Staat in einem solchen Fall gegenüber dem betroffenen Unternehmen hat. Das kann mitunter sehr teuer werden.
Das ist richtig. Das Gesetz besagt, dass die Betreiber in Luxemburg für den Schaden, den sie verursachen, in vollem Umfang haften. Andere Länder (z.B. Österreich, Frankreich, USA) haben sich dazu entschlossen, die Haftung der Unternehmen zu deckeln.
In Luxemburg muss jeder Betreiber außerdem eine Versicherung vorlegen, um autorisiert zu werden. In anderen Ländern ist das nicht so. In manchen Ländern sind zum Beispiel Universitäten oder Forschungssatelliten von der Versicherungspflicht ausgenommen.
Worauf achtet der Staat, wenn er ein solches Unternehmen überprüft?
Der Staat achtet sehr auf die berufliche Ehrenhaftigkeit und die Erfahrung der Operateure. Aber er achtet auch auf ihre Finanzlage. Dahinter stehen sehr komplexe und detaillierte Regelungen. Der Betreiber muss beweisen, dass er alle Voraussetzungen erfüllt. Seine Ehrenhaftigkeit beweist er zum Beispiel durch polizeiliche Führungszeugnisse. Die Erfahrung beweist er, in dem er aufzeigt, dass im Management des Unternehmens Personen arbeiten, die bereits eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt haben. Das Unternehmen muss eine klare Management-Struktur und klare Kontrollmechanismen haben.
Diese Regeln sind auf private profitorientierte Unternehmen zugeschnitten, so wie es auch beim Gesetz über Weltraumrohstoffe gemacht wurde. Ich frage mich allerdings, wie bei öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten verfahren wird – ob auch diese die finanziellen Anforderungen erfüllen müssen. Das wird man wahrscheinlich erst bei der Anwendung des Gesetzes in der Praxis beantworten können.
Gibt es eine laufende Kontrolle des Unternehmens?
Ja, das Gesetz sieht in Artikel 11 eine kontinuierliche Kontrolle vor. Die Kontrolle liegt im Aufgabenbereich des Wirtschaftsministers. Mit solchen Kontrollen hat Luxemburg Erfahrung. Gerade durch das Gesetz von 1991 über elektronische Medien. Durch dieses Gesetz wurde auch die Kontrolle der SES durchgeführt. Für Luxemburg ist das nichts Neues.
Bei der Debatte im Parlament wurde auch die Frage aufgeworfen, wie es mit der Verantwortlichkeit bei militärischen Aktivitäten steht, die über luxemburgische Weltrauminfrastruktur laufen.
Entscheidend ist, um welche militärische Aktivität es sich handelt, militärische Telekommunikations- oder Aufklärungssysteme sind vom Völkerrecht akzeptiert. Wenn wir über die Haftung für einen Schaden in einem anderen Staat sprechen, ist im Weltraumrecht nur ein physischer und materieller Schaden geklärt, der zum Beispiel entsteht, wenn ein Satellit von Staat A abstürzt und einen Schaden im Staat B verursacht. In diesem Fall muss Staat A für den Schaden aufkommen. Unklar ist bislang, ob zum Beispiel ein Cyberangriff zu einer Haftung nach dem Weltraumrecht führen kann. Da jedoch auch im neuen Gesetz steht, das nur solche Tätigkeiten erlaubt sind, die vom Völkerrecht gedeckt sind, wäre jede aggressive Weltraumnutzung nicht akzeptiert.
Die Linke im Parlament kritisiert immer wieder, Luxemburgs Anstrengungen in diesem Bereich seien auf die kapitalistische Nutzung des Weltalls beschränkt, anstatt der Allgemeinheit zu dienen. Können Sie dieser Kritik beipflichten?
Ich glaube, diese Kritik ist zu verallgemeinernd. Ein Betreiber kann meines Erachtens problemlos eine Stiftung oder ein Unternehmen ohne Gewinnzweck sein. Es könnte zum Beispiel eine kleine Firma sein, die Aufklärungsbilder aus Katastrophengebieten (z.B. nach einem Vulkanausbruch) macht und sie umsonst zur Verfügung stellt. Ich sehe dahinter nicht die Absicht, nur kapitalistische Tätigkeiten zu fördern. Es sind Tätigkeiten denkbar, die total unkapitalistisch sind.
Ist das Weltall nun hinreichend geregelt oder fehlt noch ein Gesetz?
Eigentlich nicht. Neben dem Weltraumgesetz und dem Space-Mining-Gesetz wurde noch das Gesetz über die Registrierung von künstlichen Weltraumobjekten verabschiedet. Dadurch wird der Vertrag über die Registrierung ratifiziert. Für Luxemburg ist das ein sehr positiver Schritt und wurde im Ausland gewürdigt. Bisher hat Luxemburg Informationen über Satelliten zwar an die UN geliefert. Allerdings aufgrund einer Resolution, die nicht verpflichtend ist. Mit diesem Gesetz verpflichtet sich Luxemburg, Auskünfte über seine Weltraumobjekte an die UN zu liefern. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Weltraumgesetz wurde dieses Gesetz einstimmig im Parlament angenommen (Anm.d.Red.: „déi Lénk“ hatte gegen das allgemeine Weltraumgesetz votiert). Man könnte noch darüber nachdenken, auch den Vertrag über die Astronauten zu ratifizieren. Das ist allerdings etwas, mit dem man sich in der Zukunft beschäftigen kann.
Wir brauchen ein Weltraumgesetz! Sonst nichts?