Soziale Initiativen / Projekt gegen Lebensmittelverschwendung: „Unperfekt ist nicht unschön“
„Onperfekt“ ist eine private Initiative gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Die Genossenschaft erfährt von Beginn an ungeahnte Unterstützung in ihrem Vorhaben: Lebensmittel, die nicht perfekt sind und eventuell im Müll landen, für andere zu retten. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne haben die zehn Gründerinnen nun die Mittel, ein Geschäft dauerhaft anzumieten.
Die Idee zu „Onperfekt“ entsteht in einer Mittagspause. Ein Bericht über Lebensmittelverschwendung hat drei Freundinnen aufgewühlt. Sie überlegen, was man tun könnte, hören sich um. Und tatsächlich bestätigen Landwirte, dass beispielsweise Gemüse, weil es ästhetisch nicht der Norm entspricht, entweder verfüttert oder aber weggeworfen wird.
Zu kurz gewachsen, zu krumm gebogen oder mit Dellen, ist das geerntete Gemüse nicht für den Verkauf geeignet. Aus den ersten drei Bauern im Norden, auf dem Freiwillige von „Onperfekt“ bei der Ernte mithelfen und die Lebensmittel für sich aussortieren, sind mittlerweile acht Landwirte geworden, die von der Idee begeistert sind. Ein Supermarkt und ein Bäcker in Vianden geben das ihre hinzu.
Die Zahlen sind erschreckend. Vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass in anderen Teilen der Welt Menschen Hunger leiden. Laut der Webseite des Landwirtschaftsministeriums hat jeder 9. Mensch weltweit nicht genug zu essen. In Zahlen sind es eine Milliarde Menschen. Andererseits verderben weltweit jährlich 1,3 Milliarden Tonnen genießbarer Lebensmittel oder landen im Müll.
Mit Crowdfunding vom Pop-up zum Dauerbetrieb
In Europa produziert jeder Einwohner durchschnittlich an die 180 Kilo Lebensmittelabfälle. 60 Kilo davon „könnten leicht vermieden werden“, heißt es auf der ministeriellen Webseite weiter. Nach eigenen Angaben hat die Initiative bis jetzt 3.200 Kilo Lebensmittel im Land „gerettet“, um es auf Pop-up-Märkten zu einem „Gib, was es dir wert ist“-Preis an Interessierte abzugeben.
Neun dieser zeitweisen Märkte fanden zwischen August 2020 und Oktober 2021 in einem Raum statt, den ein Bauunternehmer in Hosingen zur Verfügung stellte. Es ist eine vorübergehende Lösung, bis ein endgültiger Mieter für die Lokalität gefunden ist. Danach wächst die Idee, das Projekt vom Pop-up-Charakter auf dauerhafte Beine zu stellen. Dafür fehlen aber die Mittel.
Die rund 4.500 Euro, die auf den Märkten zusammenkommen, sowie die 10.000 Euro Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums oder die 6.000 Euro für den ersten Platz beim Preis des Naturparks Our reichen nicht. Am 18. Januar starten die „Onperfekt“-Verantwortlichen deshalb eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Startnext. Und wieder erfahren sie unverhofften Anklang. Schon in den ersten 24 Stunden kommen 20.000 Euro zusammen.
Einen Monat später ist das selbstgesteckte Ziel von 95.000 Euro sogar überschritten. 106.000 Euro kommen zusammen. „Es ist Interesse da, sich zu engagieren“, bestätigt Marie-Ann Diesel (42). Es klingt, als sei sie immer noch überrascht vom Erfolg der Idee. Sie ist eine der Gründerinnen der Genossenschaft mit mittlerweile zehn weiblichen Vorstandsmitgliedern. „Onperfekt“ ist im Norden bekannt. Obwohl die Crowdfunding-Kampagne greift, ist bislang noch kein bezahlbarer Raum gefunden.
Das Geschäft der Initiative soll idealerweise in einer der Nordgemeinden angesiedelt werden oder entlang der N7, um eine gute Anbindung zu gewährleisten. Viel Zeit bliebt da nicht mehr, denn im Frühjahr soll es mit dem an drei bis vier Tagen die Woche offenen Geschäft losgehen. „Wir haben viele Angebote bekommen, die wir uns alle in den nächsten Tagen und Wochen anschauen werden“, sagt Diesel. Sogar im Osten des Landes erregt das Vorhaben Interesse.
Das Logo der Initiative spiegelt das Anliegen. Mit dem auf dem Kopf stehenden „K“ ist es genauso unperfekt wie die Lebensmittel. „Unperfekt ist ja nicht unbedingt unschön“, heißt es bei der Genossenschaft. In einer Welt, die von optimierten und perfekten Bildern lebt, schwimmt die Initiative gegen den Strom – nicht nur mit dem Schriftzug, sondern auch mit dem, was dahintersteckt.
In jedem Fall liegt das Projekt auf Linie mit dem Ansinnen der Regierung. Seit 2019 laufen offizielle Kampagnen, um der Lebensmittelverschwendung im Land entgegenzuwirken. Erklärtes Ziel ist es, die Lebensmittelabfälle bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren.
Mehr Infos unter:
www.onperfekt.lu
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