Editorial / Propaganda, Fake News, Verschwörungstheorien: Medienkompetenz brauchen auch Erwachsene
Die Nachrichtenwelt heutzutage ist alles andere als einfach. Seit der Einführung des Internets gibt es kein Halten mehr: Auf gefühlt Tausenden Kanälen können jederzeit News und Fakten aufgerufen werden. Jede Papierzeitung hat ihre Webseite, jede Onlinezeitung ihre Social-Media-Profile. Auf YouTube fassen Streamer Nachrichten zusammen, bewerten sie, liefern Hintergründe. Auf Instagram, TikTok, Twitter und Facebook können Posts „viral“ gehen, werden tausendmal gesehen, geklickt – und viel zu oft für bare Münze genommen.
Da wundert es nicht, dass Schüler den Journalisten bei der Vorstellung des Berufs zwei ganz wichtige Fragen stellen: Wieso gibt es dich überhaupt noch? Und wieso soll ich für Artikel überhaupt noch Geld zahlen?
Nun, wieso es Journalisten noch gibt: um Hintergründe zu den Nachrichten zu liefern. Reine „News“ verbreiten sich heute rasend schnell. Doch manchmal werden die Fakten verdreht, wie bei einem guten alten Spiel von „Telefon“, bei dem die Endnachrichten nicht mehr jenen vom Anfang entsprechen. Es sollte die Rolle des Journalisten sein, die Anfangsnachricht aufzugreifen – und dann mit den Spezialisten zu reden, es einschätzen zu lassen, ins Archiv wühlen zu gehen. Denn mal ehrlich: Die wenigsten haben die Zeit, bei jeder Nachricht alles zu überprüfen und es in den Kontext zu setzen. Und genau diese Arbeit muss eben auch entlohnt werden – daher die Paywalls und Zeitungspreise.
Doch spricht man etwas länger mit den Schülern, wird klar: Eigentlich zweifeln sie den Wert der journalistischen Arbeit nicht an. Und sie sind es auch, die längst an die Neuen Medien gewöhnt sind, da sie mit ihnen aufwachsen. Medienkompetenz ist ein wichtiges Element der Schule.
Ganz anders sieht es jedoch mit so manchem Erwachsenen aus. Gerade in den sozialen Medien lassen sich Propaganda und gute journalistische Arbeit kaum voneinander trennen: Die Posts sehen oft gleich aus, mit dem Unterschied, dass insbesondere Kanäle, die Fake News und Verschwörungstheorien teilen, oft sehr anziehende Titel und Bilder haben. Das klassische Clickbait. Wenn dann noch die Webseite, wie bei RT, halbwegs seriös aussieht, frei zugänglich ist und sich zwischen der Propaganda immer wieder auch richtige Artikel finden – dann kann man nur allzu leicht in die Falle geraten.
Jetzt mag so mancher behaupten, dass gerade Erwachsene durch ihre Lebenserfahrung doch ausreichend Medienkompetenz besitzen. Dass nur „Idioten“ auf Fake News hereinfallen.
Doch die heterogene Gruppierung der „Schwurbler“ zeigt ganz deutlich: Diese Annahme ist falsch. In die Parallelwelt der falschen Fakten steigt man immer nur schrittweise ein. Wie viele von uns haben nicht schon einmal eine Verschwörung gehört oder daran geglaubt? Entweder beim „Bommeleeër“, bei 9/11 oder bei der Erschießung von Kennedy? Und wenn da schon gelogen wird, wieso dann nicht bei anderen Sachen auch? So fangen sich die Fake News ihr nächstes Opfer.
Auch Erwachsene bräuchten Nachhilfe in Medienkompetenz. In die Schule kann man sie nicht schicken. Also müssen wir uns gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn wir Fake News auf den Leim gehen. Das kann nervenaufreibend sein, und alle erreicht man sicher nicht. Doch einen anderen Weg gibt es nicht.
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