/ Protest gegen Urheberrechtsreform - Demonstranten ziehen auch durch Luxemburg
Gegner und Befürworter der geplanten EU-Urheberrechtsreform stehen sich in Luxemburg unversöhnlich gegenüber. Kurz vor der Abstimmung im EU-Parlament werfen beide der jeweils anderen Seite vor, nichts verstanden zu haben – und von Lobby-Interessen gesteuert zu sein. Am Samstag protestierten Demonstranten gegen die EU-Pläne auf dem Kirchberg in Luxemburg-Stadt.
Lesen Sie zum Thema auch den Kommentar „Uploadfilter-Debatte: Ich habe keine Meinung“ und den Forumsbeitrag „Internetnutzer schützen – Und Zugang zu kostenlosen und vielfältigen Informationen geben“.
Demo in Luxemburg
Unter dem Motto #SaveYourInternet hatte ein Bündnis aus Parteien und Interessenverbänden für Samstag zu einer Demonstration in Luxemburg aufgerufen. Die Protestmanifestation begann um 14 Uhr auf der Place de l’Europe auf dem Kirchberg in Luxemburg-Stadt.
Die europäische Urheberrechtsreform teilt die EU in zwei Lager. Diese Trennlinie zieht sich bis nach Luxemburg. Die neue Regelung soll dafür sorgen, dass kein urheberrechtlich geschütztes Material wie Lieder und Bilder im Internet landet, ohne dass seine Schöpfer vergütet werden. Kritiker sehen in dem Text den Tod des freien Internets. Das liegt vor allem an Artikel 13 der Verordnung. Er besagt, dass die Plattformen haftbar sind, sobald sich urheberrechtlich geschütztes Material auf ihrer Seite befindet. Das war bisher nicht so.
„Automatisierte Uploadfilter sind die einzige Möglichkeit, Artikel 13 umzusetzen“, behauptet der Chaos Computer Club Luxemburg (C3L). Ein Uploadfilter ist eine Software, die automatisch Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen kontrolliert, bevor sie auf einer Plattform publiziert werden. Wenn der Filter einen Verstoß erkennt, darf das Material nicht auf die Seite. Laut Brandwatch, einem Unternehmen, das Social-Media-Unternehmen berät, werden alleine auf YouTube jede Minute 400 Stunden Videomaterial hochgeladen. Die Aufgabe, das Material auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen, wäre für Menschen also nicht zu bewältigen. Ansonsten müsste jeder Betreiber „eine Armee an Menschen“ einstellen, die alles hochgeladene Material in Echtzeit überprüft, sagt der C3L.
Ein Krieg verschwindet von YouTube
Der Chaos Computer Club ist einer der schärfsten Luxemburger Kritiker der Urheberrechtsreform. Für die Hacker vom Limpertsberg ist klar: Der Text darf auf keinen Fall vom EU-Parlament angenommen werden. „Die Filter sind fehleranfällig“, sagt Sam Grüneisen vom C3L. Es gebe sie schon, diese Uploadfilter, über die jeder spricht. Sie werden schon jetzt unter anderem von YouTube benutzt, um urheberrechtlich geschütztes Material zu löschen, bevor es auf der Plattform landet.
Grüneisen nennt ein Beispiel, weshalb er der Technologie kritisch gegenübersteht. YouTube benutze beispielsweise einen Uploadfilter, um extremistische Inhalte zu erkennen, bevor sie veröffentlicht werden. „10.000 Videos, die Kriegsverbrechen in Syrien dokumentieren, wurden gelöscht, weil der Filter nicht zwischen Filmmaterial zur Dokumentation und Propaganda unterscheiden kann“, erklärt er. Der Fall wurde von der amerikanischen Zeitung New York Times im Sommer 2017 aufgedeckt. „Die Geschichte eines schrecklichen Krieges verschwindet vor unseren Augen“, kritisierte Chris Woods, Direktor der Menschenrechtsorganisation Airwars, YouTube damals. Die Gegner der Reform befürchten daher: Mit dem neuen Gesetz werden noch mehr Videos gelöscht, die eigentlich gegen kein Gesetz verstoßen – aber vielleicht wichtige Informationen liefern. „Die Filter sind einfach nicht gut genug“, sagt Sam Grüneisen.
Das „Wild Wild Web“
Das sehen die Befürworter der Reform anders. Beispielsweise Luxemburgs Urheberrechtsgesellschaft Sacem. „Wir kämpfen seit Jahren dafür, dass unsere Mitglieder bezahlt werden, wenn ihre Werke im Internet benutzt werden“, sagt Geschäftsführer Marc Nickts. Er spricht von einem „Wild Wild Web“. Die Bezeichnung lehnt an den Wilden Westen an und wird benutzt, um die Gesetzlosigkeit im heutigen Netz zu verdeutlichen. Nickts kritisiert, dass die Internet-Giganten sich auf Urheberrechtsdirektiven berufen, die mehr als zehn Jahre alt sind. „Sie fühlen sich nicht verantwortlich für das, was sich auf ihren Plattformen befindet“, sagt er.
Das sei nicht fair für die Menschen, die das Material überhaupt erst erschaffen hätten. „Die Künstler müssen bezahlt werden, wenn ihre Werke genutzt werden“, findet Nickts. Und die europäische Direktive sei der richtige Weg dafür. Er versteht auch nicht, wieso die Kritiker sich auf die Uploadfilter konzentrieren. Seiner Meinung nach ist es gar nicht notwendig, darauf zurückzugreifen: „Wer Material nutzt, soll den Rechteinhaber bezahlen.“ Die Internetportale sollten stattdessen mit den Künstlern Verträge aushandeln. Dann darf das Material laut EU-Verordnung auch genutzt werden. „Es geht um die Zukunft der kreativen Berufe“, sagt Nickts.
Der Sacem-Chef kritisiert, dass mittlerweile jeder nur noch von Artikel 13 und den befürchteten Upload-Filtern spricht – anstatt über die Existenzberechtigung der Reform an sich, durch die die Künstler adäquat für ihr Schaffen vergütet werden sollen. „Da steckt eine Menge Lobbyarbeit dahinter“, sagt er. Internetriesen rufen ihre Nutzer dazu auf, sich gegen die Reform einzusetzen. „Bis zur endgültigen Abstimmung im März kannst Du Dich an die Mitglieder des Europäischen Parlaments wenden, um deine Bedenken zu äußern“, schreibt YouTube beispielsweise auf einer speziell für die Anti-Urheberrechts-Kampagne eingerichteten Webseite.
Die Lobby-Frage
„Der Vorwurf des Lobbyismus ist lächerlich“, entgegnet Sven Clement. Der Piratengründer und Abgeordnete ist in Luxemburg einer der Politiker, die sich besonders stark gegen Artikel 13 der Urheberrechtsreform einsetzen. Er meint, dass es vielmehr die Befürworter des Gesetzes seien, die von Lobbys beeinflusst würden. Große Plattenfirmen und der Weltfußballverband FIFA hätten überhaupt erst dafür gesorgt, dass es die Verordnung gibt. Das Argument des kleinen Künstlers, der vergütet werden soll, will er nicht gelten lassen. „Die verschiedenen Plattformen können sich nicht mit allen Rechteinhabern zusammensetzen“, sagt er – höchstens mit den großen wie beispielsweise großen Plattenfirmen. „Dann haben die kleinen Künstler immer noch nichts davon“, sagt Clement. Die Upload-Filter seien die billigste und einfachste Methode, Artikel 13 umzusetzen. Und die günstigste Variante sei bekanntlich stets die, die von Unternehmen genutzt wird.
Er glaubt, dass die Direktive vor allem Start-ups treffen wird. In der Verordnung ist eine Ausnahme vorgesehen, die eigentlich kleine Unternehmen schützen soll: Wenn eine Firma weniger als zehn Millionen Euro Umsatz macht und weniger als drei Jahre alt ist, ist sie nicht haftbar, wenn sich urheberrechtlich geschütztes Material auf ihrer Seite befindet. Wer nach drei Jahren aber immer noch nicht die Zehn-Millionen-Euro-Grenze knackt, fällt nicht mehr unter die Ausnahmeregelung. „Man ist noch lange kein großes Unternehmen, nur weil man älter als drei Jahre ist“, kritisiert Clement.
Der Pirat geht sogar weiter und befürchtet, dass kleine Unternehmen von den Upload-Filtern der Internetgiganten abhängig werden. Die seien die Einzigen, die das Geld und Personal haben, um sie zu programmieren. „Kleine Start-ups haben kein Geld für Anwälte, können sich Regelverstöße also nicht leisten“, meint Clement. „Sie haben auch kein Geld, um mit allen Rechteinhabern Lizenzen zu verhandeln.“ Außerdem hätten kleine Firmen nicht das Kapital, um eigene funktionierende Upload-Filter zu programmieren. Sie müssen diese also bei YouTube und Konsorten einkaufen.
Künstler in der Offensive
Mit Clements Position sind wiederum die Künstler nicht einverstanden. Die Luxemburger haben sich mit europäischen Kollegen zusammengetan und am 13. März einen Brief an die Mitglieder des Europaparlaments geschrieben. Sie fordern, dass die Verordnung angenommen wird. Zu den Unterzeichnern aus Luxemburg gehören beispielsweise der Komponist Gast Waltzing, der Rapper David Galassi und der Liedermacher Serge Tonnar. „Die Plattformen verdienen Milliarden mit den Werken der Künstler, ohne Autorenrechte zu bezahlen“, kritisiert Tonnar gegenüber dem Tageblatt.
Ihm gehe es darum, dass Künstler überhaupt vergütet werden. Für Tonnar ist die geplante Direktive die beste Lösung. „Wird sie nicht angenommen, ist die jahrelange Arbeit umsonst gewesen und es dauert wieder Jahre, bis irgendetwas passiert“, sagt er. Im Brief, der Mitte März an die EU-Abgeordneten ging, schreiben die Künstler: „Sie haben die Gelegenheit, eine historische und positive Nachricht an die zukünftigen Kreativen zu senden: Dass sie wertgeschätzt werden und eine faire Bezahlung für ihre Arbeit erhalten werden.“
Unklarheit bei YouTubern
Der Luxemburger YouTuber und Künstler Sacha Ewen, der im Internet unter dem Namen „Sejä“ wirkt, sitzt derweil zwischen den Fronten. Als Musiker kann er die Argumente der Befürworter verstehen. Doch ihm ist die Regelung zu streng. „Das geht schon Richtung Zensur“, sagt er. Früher lud er Videos zu Videospielen hoch. Mittlerweile macht er vor allem Covers. Das fällt für ihn klar unter die Kunstfreiheit. Die Upload-Filter von YouTube sehen das anders. In einigen Ländern werden seine Videos gesperrt oder der Ton wird einfach von der Software abgeschaltet. Ein weiteres Problem ist seiner Meinung nach die Unsicherheit, die für viele Kreativschaffende im Netz mit der Verordnung einhergeht. Ewen will demnächst Videos zu einem Kartenspiel der Videospielmarke „Final Fantasy“ machen. Er weiß noch nicht, ob die Upload-Filter ihre Veröffentlichung zulassen werden.
Gibt es Alternativen? Laut Clement und dem Chaos Computer Club schon. Der C3L schlägt beispielsweise eine Kulturflatrate vor. Bei dem Konzept handelt es sich um eine Steuer, die jeder Internetnutzer zahlen würde. Die Einnahmen würden an Kulturschaffende verteilt werden. In dem Fall würde der Nutzer zur Kasse gebeten werden. Für Clement wäre dagegen eine sogenannte „Creators Tax“ die bessere Alternative. Wer eine bestimmte Anzahl an Videos mit urheberrechtlich geschütztem Material hochlädt, muss eine Steuer zahlen. Die Erträge werden an die Künstler verteilt, deren Material genutzt wurde. In diesem Fall müssten nur diejenigen bezahlen, die das Material hochladen – beispielsweise Blogger.
Klare Entscheidung in Luxemburg
So unversöhnlich die Positionen von Kritikern und Befürwortern auch sind, die Entscheidung wird nächste Woche im EU-Parlament gefällt. Ein genaues Datum für die Abstimmung steht noch nicht fest: Am Dienstag oder Mittwoch sollen die Parlamentarier entscheiden. Die Kritiker hatten aber am Samstag in der ganzen EU Demonstrationen geplant, um den Politikern ein letztes Mal zu zeigen, wie sehr sie die Verordnung ablehnen.
Auch in Luxemburg wird dann protestiert. Mehrere Organisationen sind dem Aufruf der Piratenpartei gefolgt. Darunter der Chaos Computer Club und die Hacker der Nichtregierungsorganisation „Frënn vun der Ënn“. Aber auch andere Parteien wie die jungen Christsozialen, die Linke, die jungen Liberalen und die Grünen machen mit. Für Luxemburg wird die Demo aber kaum etwas ändern: Die sechs luxemburgischen EU-Abgeordneten haben ihre Entscheidung bereits vor Wochen getroffen. Sie werden alle dagegen stimmen.
Internetnutzer schützen – und Zugang zu kostenlosen und vielfältigen Informationen geben
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Es müsste zuerst mal definiert werden, was es heißt „Urheberrechte zu verletzen“. Schon vor 50 Jahren stand in allen Werken (Op Druck, Notenblättern, Fotos, Schallplatten o.ä): Kopien nur erlaubt zum persönlichen Gebrauch! Natürlich durfte damals wie heute niemand so genannte Raubkopien herstellen und die in den Handel bringen. Dürfte ja irgendwie klar sein.
Das Internet ist Opfer seines eigenen Erfolges! Wenn da alle Lieder, Gedichte, Fotos und Romane der ganzen Welt in Sekunden abrufbar und kopierbar sein können, muss niemand sich wundern dass das auch geschieht.