Esch / Protestaktion vor Rathaus: Gemeinde ändert Arbeitsweise der Streetworker
Die Arbeit der Escher Streetworker wird sich verändern: Die Sozialarbeiter verteilen beispielsweise kein Essen mehr. Das sei nicht ihre Aufgabe, sagen die Gemeindeverantwortlichen. Am Dienstagabend versammelten sich unter anderem Obdachlose vor dem Rathaus, um gegen die Änderungen zu demonstrieren.
Etwa ein Dutzend Menschen – unter ihnen auch Obdachlose – versammelten sich am Dienstagabend gegen 19 Uhr vor dem Escher Rathaus zu einer Protestaktion. Der Grund für die Demonstration war allerdings nicht das Bettelverbot in Luxemburg-Stadt: Der Escher Bürgermeister Christian Weis (CSV) bestätigte gegenüber dem Tageblatt, dass Esch nicht vorhabe, ein solches Verbot einzuführen. Der Anlass war ein anderer: „Aus Protest gegen das Ende der Verteilung von Lebensmitteln und ‚Stëmm‘-Wertmarken an Obdachlose und Menschen ohne Einkommen.“ Das steht auf einem Flyer, der kurz vor der Veranstaltung an verschiedene Pressevertreter verteilt wurde. Die Vorwürfe der Betroffenen gegen die Stadt Esch beziehen sich auf die Streetworker, die bis vor Kurzem noch ungenutzte Lebensmittel, Essensmarken für die „Stëmm vun der Strooss“ und Schlafsäcke verteilt haben. Damit soll nun Schluss sein.
„Das ist alles korrekt“, sagt Emmanuel Cornelius vom Escher „Service coordination sociale“. „Das wollen wir auch nicht abstreiten, aber das ist eine Konsequenz des übertriebenen und nicht gezielten Verteilens.“ Menschen, die sich nicht „in tiefster Not“ befinden, hätten ebenfalls von diesen Dienstleistungen profitiert. Cornelius stand am Dienstagabend zusammen mit Weis und Schöffe Bruno Cavaleiro (CSV) den Protestierenden Rede und Antwort. „Ich kenne Beispiele, bei denen verschiedene Menschen regelmäßig neue Schlafsäcke bekommen haben“, sagte Weis dem Tageblatt. Hunger müsse noch immer niemand leiden, denn bei der „Wanteraktion“ in Luxemburg-Stadt könne man jeden Mittag umsonst ein warmes Essen bekommen.
Außerdem stehe dort jeder Person ein warmes Bett zur Verfügung. Einer der Obdachlosen erklärte dem Tageblatt gegenüber allerdings, dass er sich dort nicht sicher fühle. Zu oft werde man dort von Menschen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss angegriffen. Darauf angesprochen, meinte Weis: „Das ist das Angebot, das existiert – und das ist dann eher eine Frage der Qualität einer Einrichtung als des Services Streetworker.“ Die Escher Übernachtungsmöglichkeit Abrisud soll zudem ausgebaut werden und mehr Betten bekommen. „Die Pläne sind da, die Arbeiten fangen an und in zwei Jahren haben wir das dann vielleicht fertig“, meinte Weis gegenüber einer Demonstrantin.
Weniger Büro, mehr Straße
Die Protestler beschwerten sich außerdem darüber, dass die Streetworker die Obdachlosen nun nicht mehr in ihrem Büro in Esch empfangen können. „Das war ein Treffpunkt“, sagte eine Anwesende. Diese Maßnahme gehöre zur Umorganisation des Dienstes, so die Gemeindeverantwortlichen. Die Streetworker sollen in Zukunft proaktiver in den Straßen unterwegs sein und auf das Zielpublikum zugehen. Das ermögliche zum einen eine angepasste Betreuung und zum anderen eine bessere Bestandsaufnahme der Situation. Die Ressourcen der Streetworker müssen laut Sozialschöffe Cavaleiro so eingesetzt werden, dass sie den Menschen helfen, auf die die Dienstleistung abzielt. „Das ist vielleicht ein Schritt nach hinten – aber er erlaubt uns, viel präsenter und reaktiver gegenüber den Bedürfnissen und Nöten draußen zu sein“, sagte Cavaleiro.
Die Streetworker hätten zum Teil Arbeiten übernommen, die eigentlich nicht in ihren Aufgabenbereich fallen würden. Die Neuausrichtung sei auch mit den Angestellten besprochen worden, die sich ebenfalls für diese Arbeitsweise ausgesprochen hätten. Im Escher Koalitionsabkommen steht außerdem, die Stadt werde „das Team der Streetworker verstärken und ihre Aktivitäten ausbauen, um Menschen in einer prekären Lage erfolgreich zu betreuen“. Das scheint allerdings nicht sofort der Fall zu sein. „Die Priorität ist jetzt, dass man sich etwas umorganisiert und dann, wenn die Mannschaft im Sattel sitzt, können wir über zusätzliche Posten diskutieren“, sagt Weis. Zudem werde den Streetworkern ein geeigneteres Lokal zur Verfügung gestellt.
„Ich verstehe, wenn Menschen in Not verzweifelt reagieren – vielleicht auch, weil ihnen Veränderungen nicht erklärt werden. Ich glaube aber auch, dass heute Abend Menschen dabei waren, die eigentlich nicht die Zielkundschaft der Streetworker sind“, sagte Weis. Nach den Antworten der Gemeindeverantwortlichen bemängelten die Protestierenden vor allem die mangelnde Kommunikation. „Wenn ich das früher gewusst hätte – manchmal werden die Informationen nicht gut weitergeleitet“, so einer der Anwesenden. „Da gebe ich Ihnen recht und das tut mir dann auch leid“, antwortete Weis, der selbst Sozialarbeiter ist.
Pressemitteilung der Stadt Esch
Am Mittwochnachmittag veröffentlichte die Stadt Esch eine Stellungnahme zu der Protestaktion. Darin steht, dass die Anträge für Essensmarken und Schlafsäcke nun bestimmten Kriterien unterliegen würden, „um eine gerechte und angemessene Zuteilung zu gewährleisten“. Diese Maßnahme soll eine „verantwortungsvolle Ressourcenallokation“ sicherstellen, indem die Mittel gezielt an diejenigen verteilt werden, die sie am dringendsten benötigen und nicht bereits von anderen Hilfsstrukturen Unterstützung erhalten. „Die Stadt Esch erinnert daran, dass ihr Engagement für die Bedürftigsten ungebrochen ist und sie aktiv daran arbeitet, den sozialen Bedürfnissen der Gemeinschaft gerecht zu werden“, steht in dem Schreiben.
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