Gesundheit / Psychomotoriker ringen um eigene Zukunft: Berufsverband kämpft seit vier Jahren mit Behörden
Luxemburgs Psychomotoriker warten seit nun mittlerweile vier Jahren auf die Unterzeichnung einer neuen Konvention mit dem Gesundheitsministerium. Eine neue Nomenklatur lag eigentlich schon fast unterschriftsbereit vor – doch dann kam Corona.
Deborah Schmitt hat sich seit der Corona-Pandemie im Briefe-Schreiben geübt. Mehrmals hat die Präsidentin der „Association luxembourgeoise des psychomotriciens diplômés“ (ALPD) versucht, mit den Verantwortlichen der nationalen Gesundheitskasse (CNS) und den Ministerien für Gesundheit und soziale Sicherheit in Kontakt zu treten. Das hat einen ernsten Hintergrund: Während die Verantwortlichen bei der CNS und den zuständigen Ministerien die Ausarbeitung einer neuen Nomenklatur für Luxemburgs Psychomotoriker offensichtlich nicht als Priorität erkannt haben, sprechen die Betroffenen vom Aussterben einer Berufssparte.
Denn: Nicht nur haben Luxemburgs Psychomotoriker mit einer veralteten Nomenklatur und damit einer den heutigen Zeiten nicht mehr angemessenen Vergütung zu kämpfen – auch sind mittlerweile zahlreiche Kinder auf Wartelisten eingeschrieben. Einer internen Umfrage von 2022 zufolge hat im Durchschnitt jeder Psychomotoriker hierzulande fünf bis 25 Kinder auf einer Warteliste. Bis zu einer ersten Sitzung außerhalb der Schulstunden müssen diese dann teilweise Monate warten. Die Wartezeit beträgt bei den meisten Psychomotorikern zwischen drei und zwölf Monaten, Tendenz steigend, wie Schmitt gegenüber dem Tageblatt bestätigt.
Notorischer Mangel
Den Aussagen der ALPD gegenüber nennt das Gesundheitsministerium auf Tageblatt-Anfrage Zahlen, derenzufolge die Anzahl an Psychomotorikern in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Haben im Jahr 2020 151 Psychomotoriker in Luxemburg ihren Beruf ausgeübt, sollen es 2023 mittlerweile 179 gewesen sein.
Le retard pris dans les négociations de notre convention ne fait qu’accélérer la fermeture des cabinets libérauxPräsidentin der ALPD
Laetitia Di Ciolla ist eine von wenig verbliebenen selbstständigen Psychomotorikerinnen in Luxemburg. Seit der vergangenen Umfrage habe sich die Lage laut Di Ciolla noch einmal dramatisch verschlechtert. In ihrer Praxis sei die Warteliste mittlerweile auf neun bis zehn Monate angewachsen. „Eine Kollegin von mir hat eine Warteliste von zwei Jahren“, ordnet die Psychomotorikerin die Zahlen aus dem Gesundheitsministerium ein. Unter sechs Monaten könne sich kaum noch einer Hoffnung auf einen Termin machen – nicht zuletzt ein Beweis dafür, dass Psychomotoriker gefragt und gebraucht werden. Das liege auch daran, dass ein Großteil der Psychomotoriker laut der Umfrage 2022 nicht komplett selbstständig seien. „Von den 36 Praxen in Luxemburg arbeiten nur zehn auf komplett selbstständiger Basis.“ Das, weil es sich wegen der veralteten Nomenklatur aus rein finanzieller Sicht nicht mehr lohne, sich selbstständig zu machen.
Beruf Psychomotoriker
Die Psychomotorik ist ein paramedizinischer Beruf, der sich mit allen körperlichen und psychischen Erscheinungsformen einer Person befasst. Sie berücksichtigt die motorischen, kognitiven, affektiven und relationalen Aspekte. Das Ziel einer psychomotorischen Behandlung ist es, den Menschen dazu zu bringen, sich seinen Körper wieder anzueignen und sich besser an seine Umwelt anpassen zu können. Laut Deborah Schmitt von der ALPD sind Psychomotoriker derzeit besonders im Bereich der Rehabilitation gefragt. Besonders bei Entwicklungsstörungen, motorischen Verzögerungen, Aufmerksamkeits- und Lernstörungen sind die Kompetenzen der Psychomotoriker derzeit besonders gefragt. Zusätzlich dazu sind sie im Bereich der Prävention und der Erziehung aktiv.
Psychomotoriker sind medizinische Fachkräfte, die auf ärztliche Verordnung hin arbeiten.
(Quelle: www.alpd.lu)
Soll ein Kind psychomotorisch betreut werden, müssen neben einer ersten Kontaktaufnahme zahlreiche Tests und Analysen durchgeführt und abschließend Bilanz gezogen werden, was der ALPD zufolge bis zu fünf Stunden in Anspruch nimmt. Verrechnen dürfen die Psychomotoriker jedoch nur eine Stunde. Auch seien die Stundentarife für andere liberale Gesundheitsberufe wesentlich attraktiver. Und: Selbst wenn ein Patient seinen Termin nicht 24 Stunden vorher absagt, dürfen anstelle der eigentlich fälligen 82 Euro nur knappe 21 Euro verrechnet werden. Vor allem die steigenden Mietkosten machen den demnach Selbstständigen zu schaffen – und selbst kleinere Einbußen können existenzbedrohend sein. Sich unter den Voraussetzungen für das Wohl ihrer Patienten einzusetzen, werde zunehmend schwieriger, heißt es vonseiten der ALPD.
Gegenteilige Auffassung
Auf die Frage, wie weit die Verhandlungen für die neue Nomenklatur denn nun fortgeschritten seien, gehen die Meinungen der Psychomotoriker und des Ministeriums weit auseinander. „Die Gespräche zwischen der CNS und der ALPD befinden sich noch im Anfangsstadium“, teilt das Gesundheitsministerium dem Tageblatt mit. „Die ersten Gespräche hatten zum Ziel, zusammen alles so weit wie möglich für die Verhandlungen vorzubereiten.“
Eine Aussage, die Vertreter der ALPD überhaupt nicht verstehen können. Denn nach jahrelangen Verhandlungen unter der vorigen Regierung habe ein unterschriftsreifes Dokument vorgelegen. Verhindert habe eine frühere Einigung eigentlich nur Corona, so Schmitt.
Tatsächlich geht aus den Hilferufen der ALPD an das Gesundheitsministerium, Ministerium für soziale Sicherheit und an die CNS hervor, dass eine Einigung eigentlich für Ende 2020 vorgesehen war. „Nous évoquons un projet qui aurait dû aboutir fin 2020. Si nous arrivons à le clotûrer fin 2022, cela ferait déjà deux ans de retard!“, schreibt die ALPD-Präsidentin Schmitt an den Direktor und Präsidenten des Verwaltungsrates der CNS Christian Oberlé. „Le retard pris dans les négociations de notre convention ne fait qu’accélérer la fermeture des cabinets libéraux.“ Ein Flehen, das 2022 und 2023 nicht erhört wurde.
Dass eine Einigung noch in diesem Jahr – dann also mit vier Jahren Verspätung – gefunden werden kann, ist den Aussagen des Gesundheitsministeriums zufolge ebenfalls sehr unwahrscheinlich. „Ein genauer Zeitplan ist noch nicht festgelegt“, so die Pressestelle des Gesundheitsministeriums. Und von der ALPD heißt es trotz Drängen auf einen nächsten Termin verzweifelt: „Wir warten erneut darauf, dass uns ein konkretes Datum für ein nächstes Zusammentreffen genannt wird.“ Es droht also ein weiteres Jahr ohne Einigung zu vergehen.
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