Arbeitnehmerkammer / „Quality of Work“-Index: Arbeitsbedingungen und mentale Gesundheit bleiben auf Pandemietief
Homeoffice: Während der Pandemie als Wundermittel für den modernen Arbeitnehmer propagiert, sieht die Arbeitnehmerkammer das Arbeiten von zu Hause in ihrem „Quality of Work“-Index als zweischneidiges Schwert. Auch hat die mentale Gesundheit der Arbeitnehmer während der Pandemie gelitten.
Die Arbeitnehmerkammer (CSL) hat ihren jährlichen „Quality of Work“-Index am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vorgestellt. „Seit 2013 publizieren wir diesen jährlichen Bericht“, sagt CSL-Präsidentin Nora Back. Im „Quality of Work“-Index wird die Entwicklung der Arbeitsbedingungen der letzten acht Jahre in Luxemburg in Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg gemessen. „Ein Bericht, der auch für den politischen Diskurs in Luxemburg sehr wichtig ist“, sagt Back.
Mit dem ersten Pandemiejahr 2020 hatten die Arbeitsbedingungen erstmals stark gelitten, nachdem sie in den ersten Erhebungsjahren auf relativ stabilem Niveau verblieben waren. 2021 hat sich die Lage der Arbeitnehmer kaum verbessert und verbleibt auf dem niedrigen Pandemie-Niveau. „Zu bemerken ist, dass Personen in Führungspositionen und verschiedenen Arbeitsbereichen wie der Kommunikation ihre Arbeitsbedingungen besser einschätzen als Menschen ab 55 Jahren und alleinerziehende Eltern“, sagt David Büchel, Arbeitspsychologe bei der CSL. „Ich will auch die Gesundheitsberufe erwähnen, die auf dem viertletzten Platz landen.“
Zweischneidiges Schwert
Übergreifendes Thema der diesjährigen Umfrage war das Homeoffice. „Grundsätzlich haben sich seit der letzten Befragung 2017 die Arbeitsbedingungen der Menschen, die im Homeoffice arbeiten, nicht verschlechtert oder verbessert“, sagt Büchel. „Jedoch ist seit 2017 ein merklicher Rückgang an Arbeitnehmern festgestellt worden, die nicht von zu Hause aus arbeiten können.“
Obwohl Arbeitnehmer im Homeoffice insgesamt zufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen sind, geben eben jene an, dass die Work-Life-Balance im Homeoffice schwieriger zu gestalten ist. Dabei ist gerade die Work-Life Balance eines jener Argumente, die Verfechter des Homeoffice ins Feld führen. „Das Homeoffice bietet viele Vorteile, hat aber eben auch einige Nachteile“, meint Nora Back. „Das Homeoffice musste während der Pandemie schnell umgesetzt werden. Zudem hat das Homeschooling neben möglichen technischen Problemen die Umstände nicht unbedingt erleichtert.“ Tatsächlich haben ein Drittel der Arbeitnehmer angegeben, im Homeoffice gestört zu werden. Die überwiegende Mehrheit aber gab an, problemlos von zu Hause aus arbeiten zu können.
„Die Erwartungshaltung, ständig erreichbar sein zu müssen, erschwert die Situation ebenfalls“, erklärt David Büchel den scheinbaren Gegensatz. „Auch erreichen uns vermehrt Berichte, dass sich Kunden nicht davor scheuen, auch spät am Abend noch bei Arbeitnehmern anzurufen.“
Der Arbeitspsychologe warnt auch vor den Gefahren, komplett aufs Homeoffice umzusteigen. „Der Arbeitsplatz ist ein für den Menschen nötiger sozialer Ort.“ Die Aussage des Experten der Arbeitnehmerkammer stützen die Erhebungen des Index: Sowohl die Kooperation, Partizipation als auch das Feedback am Arbeitsplatz – Indikatoren für ein gutes Arbeitsklima – haben während der Pandemie abgenommen. Deshalb unterstütze die CSL auch keine Forderungen nach einem kompletten Umstieg aufs Homeoffice. „Zwei Tage pro Woche sind o.k., aber nicht mehr“, sagt Büchel.
Dabei liegt die Hinwendung zum Homeoffice – wohl auch pandemiebedingt – voll im Trend. Im Jahr 2021 haben rund 40 Prozent der Befragten mehrfach im Monat aufs Homeoffice zurückgegriffen, 28 Prozent sogar mehrmals pro Woche. Der Großteil der Befragten hat diese Arbeitsform erst in den vergangenen zwei Jahren kennengelernt. Die Befragung wurde zwischen Juni und Oktober 2021 durchgeführt, die Ergebnisse somit nicht durch eine Lockdown-Regelung verfälscht. In fast allen Wirtschaftsbereichen wurde eine Zunahme des Homeoffice festgestellt – lediglich in den öffentlichen Verwaltungen wurde 2021 weniger auf die Möglichkeit des „Télétravail“ zurückgegriffen als noch 2020. Auch bei den Pendlern wurden 2021 mehr Arbeitsstunden zu Hause geleistet als noch 2020.
Gesundheitsrisiken
Zahlreiche Tendenzen, die die Arbeitsbedingungen negativ beeinflussen, konnten auch in der neusten Erhebung wieder bestätigt werden. Die mentale Belastung und der Zeitdruck auf der Arbeit haben wie schon in den vergangenen Jahren zugenommen – eine Folge der zunehmend „intellektuellen“ Arbeitsplätze im Land. Konsequenterweise fällt auch die physische Belastung am Arbeitsplatz in diesem Jahr wieder, nachdem sie im vorigen Jahr kurz angestiegen war. Auch sind immer weniger Arbeitnehmer der Meinung, dass am Arbeitsplatz mit gesundheitlichen Risiken zu rechnen ist – ein Trend, der nur im ersten Pandemiejahr 2020 kurz umgekehrt wurde.
Ein anderer Trend, der in den letzten Jahren jedoch ununterbrochen steigt, ist die Zunahme an Überstunden. Wöchentlich sollen diese den zugrundeliegenden Daten der CSL zufolge bei wöchentlich 3,4 liegen.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage zeigt, dass die mentale Gesundheit von Luxemburgs Arbeitnehmern seit 2019 stetig abnimmt. Mittlerweile geben 25 Prozent der Befragten an, sich in einem schlechten emotionalen Zustand zu befinden, 15 Prozent haben angegeben, unter einem erhöhten Depressionsrisiko zu leiden. 2019 lagen diese Zahlen noch bei 19 respektive acht Prozent. Aufgrund der Verschlechterung ihres mentalen Zustandes haben auch sechs Prozent der befragten Arbeitnehmer angegeben, bereits Suizidgedanken gehabt zu haben. Die Hälfte davon gab an, sogar konkrete Pläne für den Eigentod ausgedacht zu haben.
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