Google Datencenter / „Quelle von Schwierigkeiten“ – Méco fordert neues Informationsgesetz
Das „Mouvement écologique“ darf keinen Blick auf die Übereinkunft zwischen Regierung, Gemeinde Bissen und Google werfen. Dieses Urteil bestätigte das Verwaltungsgericht am Mittwoch. Die Umweltschutzorganisation reagierte am Donnerstag – und forderte nicht weniger als ein neues Informationsgesetz und ein neues Umweltrecht.
Die bisherigen Zutaten zur Chronik des Google-Datencenters in Bissen lesen sich wie ein Provinzkrimi: ein internationaler Großkonzern, aufgebrachte Bürgerinitiativen, zurückgetretene Kommunalpolitiker – und ein mysteriöses Dokument. Im Juli 2018 wurde bekannt, dass der Internetriese ein Rechenzentrum bauen will. Und zwar auf einem 33 Hektar großen Areal auf „Busbierg“ in der Gemeinde Bissen. Das Projekt passierte inzwischen einige planerische Hürden. Aber auch jetzt, fast drei Jahre später, ist nicht so wirklich klar, was der Megakonzern aus dem Silicon Valley eigentlich genau in Bissen vorhat.
Einer der Gründe dafür ist die spärliche Informationspolitik. Mehrmals statteten Vertreter von Google der Gemeinde Bissen Besuche ab. Aber handfeste Fakten zu ihrem Projekt hatten sie nicht mit im Gepäck. Dafür kam im vergangenen Jahr ans Licht, dass bereits 2017 ein ominöses „Memorandum of Understanding“ erstellt wurde – eine Absichtserklärung zwischen Gemeinde, Regierung und Google.
An diesem Dokument kristallisierte sich im Anschluss die Diskussion. Denn das Papier wird unter Verschluss gehalten. Die Umweltorganisation „Mouvement écologique“ (Méco) beantragte Einsicht – dieser Antrag wurde jedoch von den betroffenen Akteuren abgelehnt oder erst gar nicht beantwortet. Und obwohl die „Commission d’accès aux documents“ – eine Regierungsinstitution, die den Zugang zu öffentlichen Dokumenten bewertet – dem Méco im Vorfeld recht gab, lehnte auch das Verwaltungsgericht die Einsicht ab. In seinem Berufungsurteil, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, erklärt das Gericht, warum: Das Memorandum ist kein „administratives Dokument“ – und nur wenn ein Dokument administrativer Natur sei, dann müsse es auch veröffentlicht werden.
„Grauzone“ im Transparenzgesetz
„Wir denken, dass die Regierung und die Chamber daraus Konsequenzen ziehen sollten“, sagte Méco-Präsidentin Blanche Weber auf einer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen. Das Problem liegt im Kleingedruckten – nämlich der simplen Definition des Begriffs „administratives Dokument“. Bereits 2017, als das „Gesetz über eine transparente und offene Verwaltung“, das die Herausgabe der „administrativen Dokumente“ bestimmt, sich seinen Weg durch den parlamentarischen Prozess bahnte, warnte der Staatsrat: „Die praktische Anwendung dieser Bestimmung könnte eine Quelle von Schwierigkeiten sein.“ Der Grund: Im luxemburgischen Recht gebe es einfach keine konstitutionelle oder gesetzliche Definition, was eigentlich genau in die Sphäre des „Administrativen“ fällt. Das sei eine „Grauzone“ – sagte der Staatsrat 2017. Und in eben dieser Grauzone urteilten auch die Richter des Verwaltungsgerichts. „Das Gesetz enthält keine Definition des Begriffs“, schrieben sie in ihr Urteil. Und da die Kategorie nicht genau definiert ist, kann ein Dokument logischerweise nicht unter eben jene Kategorie fallen.
„Wir sind genau über diese Definition gestolpert“, sagte Blanche Weber. „Das hat uns in diesem Fall das Genick gebrochen.“ Weber monierte die Problematik des „sogenannten“ Gesetzes vom „transparenten Staat“. „Wir haben es damals ’Informationsverhinderungsgesetz’ genannt.“ In dem Gesetz gehe es nicht um den Zugang zu Informationen, sondern nur um den zu Dokumenten. „Wir sind da ganz weit weg vom Ausland“, sagte Weber. Dort gebe es klare Regelungen zum Informationsrecht – und auch solche, die bestimmten, was administrative Dokumente sind und was nicht. In Luxemburg jedoch „verpasst der Gesetzgeber genau das Wichtigste – nämlich zu definieren, was ein administratives Dokument ist“, so Weber. Das Gesetz müsse dringend reformiert werden. „Es ist absolut nicht zeitgemäß“, sagte die Méco-Chefin.
Ihre Organisation forderte die Regierung am Donnerstag deshalb auf, „das heutige absolut unzulängliche Gesetz zu reformieren und zu einem reellen Informationsgesetz nach den Vorbildern im Ausland zu entwickeln – so wie dies im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit sein müsste.“ In Deutschland gebe es sogar Bundesländer, die über ein Informationsfreiheitsgesetz verfügen und Amerika verfüge über einen „freedom of information act“, schreibt das Méco in einer Pressemitteilung.
„Rahmenvereinbarung ökonomischer Natur“
Aber die Umweltorganisation ist auch mit den übrigen Erklärungen des Gerichts nicht einverstanden, weshalb das Google-Dokument eben kein „administratives Dokument“ ist. Die Richter hätten argumentiert, dass kein ausreichender Zusammenhang zwischen dem Memorandum und einer „mission de service public“ besteht, schreibt das Méco. Stattdessen wäre es laut Gericht eher als eine Rahmenvereinbarung „ökonomischer, kommerzieller und finanzieller Natur“ zu verstehen, es fehle eine „ausreichende Verbindung mit der Mission der öffentlichen Verwaltung“. Erst, wenn tatsächlich eine Genehmigung beantragt würde, verändere sich die Rolle von Staat und Gemeinden.
„Diese Argumentation erscheint dem ’Mouvement écologique’ fragwürdig“, kommentiert die Organisation das. „Das Verwaltungsgericht interpretiert die Gesetzeslage so, als wären Gemeinden und Staat gespaltene Persönlichkeiten.“ Bis zu einem gewissen Zeitpunkt hätten sie lediglich eine ökonomische und finanzielle Verantwortung – erst später käme die „mission de service public“ hinzu. Die Umweltorganisation fragt sich, weshalb die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes nicht per se eine „mission de service public“ darstelle. Zudem müssten bei einer nachhaltigen Politik in die ökonomische Erkundung immer auch Umweltbelange integriert werden. Das Méco schließt in seiner Pressemitteilung, dass es in Luxemburg ein grundsätzliches Problem mit der Nachhaltigkeit gibt: „Weder in politischen Entscheidungsprozessen noch in der Rechtsprechung hat sich das Nachhaltigkeitsprinzip durchgesetzt.“
Probleme auch im Umweltrecht
Probleme sieht das Méco zudem beim Umweltrecht an sich – und verweist neben dem Google-Vorhaben auch auf die gescheiterten, aber ebenso umstrittenen Projekte von Knauf (Stahlwolle-Fabrik) und Fage (Joghurt-Fabrik). „Die Umweltgesetzgebung erlaubt es nicht, grundsätzliche Entscheidungen über die Zulässigkeit eines Betriebs zu treffen, wenn bereits im Vorfeld vollendete Tatsachen geschaffen wurden“, schreibt die Umweltorganisation. Die Vorhaben von Knauf und Fage hätten aus rechtlicher Perspektive nämlich schlussendlich genehmigt werden müssen, wenn sie ihre Anträge nicht zurückgezogen hätten. Denn das Luxemburger Umweltrecht habe eine große Schwachstelle: „Es regelt, dass ein Betrieb immer dann zugelassen werden muss, wenn er die beste verfügbare Technik anwendet.“
Das gelte sogar dann, wenn der Betrieb durch zusätzliche Emissionen die Gesamtbelastung einer ganzen Region über die Grenzwerte schreiten lasse. Oder aber, wenn – wie im Fall von Google – befürchtet wird, dass der Wasserverbrauch so hoch ist, „dass er die Grenzen der Verfügbarkeit dieses raren Gutes sprengt“. Solange Google nachweisen könne, die bestmögliche Technologie einzusetzen, „muss die öffentliche Hand quasi sicherstellen, dass die notwendigen Wassermengen zur Verfügung gestellt werden – sogar dann, wenn das einen erheblichen Anteil des nationalen Wasserverbrauchs darstellen würde“, schreibt das Méco.
Die heutige Gesetzgebung stamme aus einer Zeit, in der Fragen der Ressourcenknappheit, der Begrenztheit der Lebensräume, der Grenzen von Gesamtbelastungen weniger zur Diskussion standen, erklärt die Organisation. „Sie wurde aber nunmehr, da diese Grenzen mehr und mehr offensichtlich werden, nicht überarbeitet und nachgebessert.“
Die Umweltorganisation habe Verständnis dafür, dass bestimmte Fragen erst einmal nicht an die große Glocke gehängt werden: „Das ’Mouvement écologique’ versteht durchaus, dass gewisse Verhandlungen auch eine Zeit benötigen, in denen nicht jede Aussage in der Öffentlichkeit kommentiert wird“, schreibt die Umweltorganisation in ihrer Pressemitteilung. Derzeit werde die Balance zwischen der Erkundung ökonomischer Chancen, Transparenz und Nachhaltigkeit aber nicht sichergestellt.
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