Forum / Quo vadis USA?
Es ist immer ein herausragendes Ereignis, das weltweit großes Interesse hervorruft: die alle vier Jahre am ersten Dienstag im November stattfindenden US-Präsidentenwahlen, geregelt durch den „Presidential Election Day Act“ von 1845. Wenn der 47. Präsident der USA am kommenden 5. November gewählt wird, ist die Spannung über den ganzen Globus spürbar. Die Vereinigten Staaten von Amerika verkörpern eine Supermacht, die allgemein den Nimbus eines Weltenlenkers genießt. Wer dieses Land als Präsident führt, darf als einflussreichste Person unseres Planeten angesehen werden.
Mit der Wahl Joe Bidens vor vier Jahren keimte erneut Hoffnung auf, besonders in den westlichen Ländern. Die von Donald Trump arg strapazierten Verbindungen zur NATO und zur EU erfuhren unter Biden eine Renaissance und erreichten wieder Normalwerte. Es schien, als sei das zu einem Albtraum verkommene Intermezzo Trump definitiv Geschichte. Doch die Realität belehrte uns eines Besseren. Der zwischen 2017 und 2021 amtierende US-Präsident schaffte es, trotz seiner Lügen, Gesetzesüberschreitungen, hasserfüllten und dystopischen Botschaften, erneut Kandidat der Republikaner für die Präsidentenwahlen zu werden. Es spricht nicht für die US-Demokratie, wenn ein Egozentriker und Narziss wie Trump auserkoren wird, um möglicherweise wieder Einzug ins Weiße Haus halten zu können. Ungeniert kündigt er gar eine Autokratie an, sollte er nochmals US-Präsident werden. Aus der Sicht unserer kulturellen und politischen Einstellung ist diese Entwicklung unerklärlich. Und doch gelingt es dem in mehrere Strafprozesse verwickelten Präsidentschaftskandidaten immer wieder, Massen zu begeistern. Vor allem rekrutiert er seine Anhänger aus eher sozial schwachen Kreisen, auch wenn ein Milliardär wie Elon Musk ihm den Hof macht.
Zudem verfügt er weltweit über eine nicht unwesentliche Schar von Anhängern – ebenfalls hier in Luxemburg. Seine Bewunderung für Politiker wie Putin oder Xi Jinping spricht Bände. Umso mehr ist es erfreulich, nach dem Rückzug Bidens Lichtblicke am Horizont zu erkennen. Joe Biden, dessen Präsidentschaft zweifellos als gut eingestuft werden kann, hat zum letzten möglichen Moment die Notbremse gezogen. Spätestens nach seinem verunglückten TV-Duell gegen Trump war eine erneute Kandidatur in weite Ferne gerückt. Biden zeigte Größe und rettete die Vereinigten Staaten womöglich vor einer Katastrophe. Die bereits gespaltene US-Gesellschaft hätte weiteren Schaden erlitten.
Neuer Schwung in der US-Politik
Mit der früheren Chefanklägerin Kaliforniens Kamala Harris gelang den Demokraten nun eine spektakuläre Wende im Wahlkampf. Die bisher eher unscheinbar agierende Vizepräsidentin entpuppte sich binnen Tagen als Hauptgewinn und hauchte ihrer Partei neues Leben ein. Erinnerungen an Barack Obama werden wach. Die energiegeladene Harris verkörpert das Moderne in der Politik: aufgeschlossen, intelligent, charmant, eine gute Rhetorikerin und einen interessanten Migrationshintergrund. Und mit ihrem jugendlichen Auftreten wirkt sie glaubwürdig beim Entwerfen einer Zukunftsvision für die USA. Der rezent stattgefundene Kongress der Demokraten gestaltete sich für Harris zu einer regelrechten Krönung.
Wie soll ein ungehobelter 78-jähriger Republikaner wie Trump, der mit seinem wirren Auftreten nicht die Mindestkriterien einer vernünftigen politischen Kultur erfüllt, gegen das demokratische Tandem sich behaupten können? Ihm fehlt bisher eine Strategie, um die neue Lage effizient zu kontrollieren. Plötzlich sichten die Demokraten also wieder die Siegerstraße vor sich. Doch übermäßige Euphorie ist fehl am Platz: Das Rennen wird erst am 5. November entschieden. Trump, der seine Gegner mit Vorliebe triezt, ist skrupellos und wird nicht zögern, die unterste Schublade der Niveaulosigkeit zu leeren, um seine Gegnerin zu verunglimpfen. Die multiethnische Kandidatin darf nicht den Fehler begehen, dem Republikaner mit einer ähnlichen Wortwahl zu antworten. Ihre Aussagen müssen geschliffen und feinfühlig sein. Sie sollte den plumpen Anfeindungen ihres Gegners mit Humor begegnen. Bisher hat sie den richtigen Weg eingeschlagen.
Mit dem Gouverneur aus Minnesota Tim Walz als „Running Mate“ gelang den Demokraten ein weiterer guter Schachzug. Unabhängig davon, dass der populäre Gouverneur anscheinend 12,5% Luxemburger Wurzeln hat, verfeinert er das demokratische Tandem. Walz stößt eine Tür in Richtung linke Wähler auf. Zudem setzte er mit der Aussage „weird dudes“ (schräge Typen) eine Duftmarke, die den Republikanern bitter aufstößt. Trump mit seinem Weggefährten J.D. Vance wirken dagegen eher schlapp. Binnen einigen Tagen sorgte das demokratische Gespann in den Swing States Pennsylvania, Wisconsin, Georgia, North Carolina, Arizona, Nevada und Michigan für Furore. In weniger als 24 Stunden nach der Ernennung von Walz regnete es 36 Millionen Dollar in die Kasse der Demokraten. Doch der wie ein heller Sonnenschein sich einstellende Hype um die neuen Stars der amerikanischen Politik kann schnell verblassen, wenn nicht handfeste programmatische Aussagen folgen. Leider darf nicht ignoriert werden, dass laut einer Meinungsumfrage von YouGov im Vergleich zu den Wahlen von 2015 (63 Prozent) heute weniger Amerikaner bereit sind, eine Frau zur Präsidentin zu küren (56 Prozent).
Trumps Schlägertruppe ist vieles zuzutrauen
Die roten MAGA-Kappen verlieren aber an Attraktivität. Doch die Verhöhnung ihrer Gegner wird zweifellos in den kommenden Wochen noch an Härte gewinnen. Laut Trump sei das Duo Harris-Walz ein Beispiel der radikalen Linke, die das Land zur Hölle fahre. J.D. Vance seinerseits reibt sich an Walz, der 24 Jahre lang Reservist gewesen sei, dann aber in Rente gegangen sei, um nicht nach Bagdad gehen zu müssen. Sicherlich stöbern Trumps Leute fieberhaft in der Vergangenheit Harris‘, um pünktlich vor den Wahlen eventuelle Schwachstellen in ihrer Vita ausmachen zu können. Sollten sie nicht fündig werden, müssen Unwahrheiten und Lügen herhalten, um die Kandidatin niederzutrampeln. Eine Schlammschlacht ungeahnten Ausmaßes ist also leider nicht auszuschließen. Die anstehenden TV-Duelle dürften einen Vorgeschmack liefern. Trump hat ja schon angekündigt, er werde Kamala Harris während der Debatte „genauso bloßstellen, wie Crooked Joe, Hillary und alle anderen“.
Sollte Trump das Rennen nicht für sich entscheiden, drohen den USA schwierige Nachwehen. Einen Vorgeschmack lieferten schon Barbaren im Januar 2021 bei der Erstürmung des Kapitols. Es käme einer Tragödie gleich, würden sich ähnliche Ausschreitungen nach der diesjährigen Wahl wiederholen. Trump und seiner Schlägertruppe ist im Falle einer Niederlage vieles zuzutrauen. Eine Präsidentin Harris muss sich auf diese Horrorszenarien einstellen.
Die Entscheidung zwischen zwei Weltbildern am kommenden 5. November kann niemanden kaltlassen. Die USA dürfen nicht zu einem autoritären Staat verkommen. Schlussendlich stehen auch andere als rein amerikanische Interessen im Vordergrund. Nur die Demokraten können die Garantie bieten, dem sich in unsicherem Fahrwasser bewegenden Planeten eine gewisse Stabilität zu verleihen.
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