Beschäftigung / Rasanter Wandel: Wie Luxemburg die Herausforderungen am Arbeitsmarkt meistern kann
Wird mein Job demnächst von einer Maschine erledigt werden? Es ist eine Frage, die so einige Erwerbstätige umtreibt und die den rasanten Wandel der Arbeitswelt verdeutlicht. Experten sehen die Digitalisierung als Chance, sofern sie richtig umgesetzt wird.
Die Arbeitswelt wandelt sich rasant. Digitalisierung, grüne Transition, Fachkräftemangel. Die Ungewissheit, die mit diesen schnellen Veränderungen einhergeht, macht dem einen oder anderen Angst. Wird mein Job in Zukunft von einer Maschine erledigt? Werde ich in Zeiten von künstlicher Intelligenz überhaupt noch eine Arbeit finden? Wie soll ich mich jemals mit den neuen Technologien zurechtfinden, wenn mich die Informatik schon heute überfordert?
Die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt sind demnach enorm. Aber das Gute einmal vorweg: Experten, wie Dr. Christina Gathmann vom Luxembourg Institute of Socio-Economic Research, kurz Liser, gehen nicht davon aus, dass durch neue Technologien und vor allem durch künstliche Intelligenz (KI) massiv Arbeitsplätze wegfallen werden. „Ich rechne nicht mit einer massiven Automatisierungswelle“, so Gathmann, die als Direktorin des Departements Arbeitsmarkt beim Liser tätig ist. Algorithmen könnten immer nur Teilaufgaben übernehmen, so die Wissenschaftlerin. Sie nennt das Beispiel ChatGPT. Studien hätten gezeigt, dass durch die Nutzung dieser KI eine Produktivitätssteigerung von zwölf bis 15 Prozent für verschiedene Aufgaben festgestellt wurde. „Die Aufgaben der Arbeitnehmer werden sich verändern, das ist klar. Aber dass massiv Arbeitsplätze wegfallen, sehe ich nicht kommen. Im Gegenteil, ich glaube eher, dass durch KI neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“
Lifelong Learning
Eine der entscheidenden Fragen lautet also: Wie bereitet man die Erwerbstätigen auf die neuen Herausforderungen in der Berufswelt vor? Das ist keine einfache Frage, wie Patrick Thill, ebenfalls Wissenschaftler beim Liser, weiß. Am Montag und Dienstag fand eine Konferenz mit internationalen Experten über die Herausforderungen am Arbeitsmarkt statt. Organisiert wurde das Fachtreffen vom Europäischen Netzwerk von Forschungsinstitute zum Arbeitsmarkt (Elmi), dem das Liser angehört. „Die Herausforderungen unterscheiden sich natürlich sehr. Nicht jeder Bereich ist in gleicher Weise von Digitalisierung und neuen Technologien betroffen. Fest steht aber, dass jeder Wirtschaftssektor in irgendeiner Weise impaktiert istund sich mit der Thematik auseinandersetzen muss“, so Thill.
Wenn neue Technologien nur zur Automatisierung und damit zur Reduzierung der Arbeitskräfte führen, dann haben wir ein riesiges ProblemLiser
Ein ganz wichtiges Thema sei deshalb die Aus- und Fortbildung. Hier sei Luxemburg mit dem Lifelong-Learning-Ansatz schon auf einem guten Weg, so die Forscher des Liser. Heute reicht es nicht mehr aus, zu wissen, wo man am Computer mit der Maus klicken muss, man müsse auch verstehen, wie man am besten mit den Algorithmen arbeiten kann, sagt Gathmann.
Damit die Ausbildungen den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht werden, braucht es erst einmal ein gutes Verständnis dafür, welche Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft gefragt sind, welche fehlen und welche Strategien man mobilisieren muss, um dies zu kompensieren „Was bringt mir zum Beispiel eine Berufsausbildung im Handwerk, wenn ich dort nicht das erlerne, was ich in meinem späteren Arbeitsalltag brauche?“, so Gathmann.
Mehr als einfache Automatisierung
Das Liser nutzt hierfür zum Beispiel die Anzeigenstellen und analysiert, welche Profile gefragt sind. „Was die Kompetenzen sind, die in Zukunft gefragt sein werden, da haben wir schon ein ziemlich genaues Bild“, sagt Gathmann. Woran es in Luxemburg fehlt, sind Daten, welche Kompetenzen momentan auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Diese Daten zu sichten, sei nicht einfach, so die Forscher des Liser. Sie sind aber unabdingbar, um auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt reagieren zu können. „Wie sollen wir gezielt reagieren könne, wenn wir Daten von vor drei Jahren haben?“, fragt Gathmann. Ihr Ziel ist es, Daten quasi in Echtzeit zu haben. „Wenn wir im November 2023 ein Problem feststellen, dann müssen wir in der Lage sein, der Politik zu erläutern, wie die Situation im Oktober 2023 war und wie sich diese im Vergleich zum Vorjahr entwickelt hat.“
Wird Luxemburg diesen Wandel der Arbeitswelt hinbekommen? Gathmann erklärt zuerst, dass jedes Land seine Eigenheiten hat. In Luxemburg oder Großbritannien, also Ländern, in denen der Arbeitsmarkt vor allem durch den Dienstleistungssektor geprägt ist, würde sich die Frage etwas anders stellen als zum Beispiel in Deutschland, einem Land, in dem die Industrie traditionsgemäß noch eine größere Rolle spielt. Es stelle sich dennoch eine grundlegende Frage für alle Länder. Gathmann kommt noch einmal auf ihre ersten Aussagen zurück. „Wenn neue Technologien nur zur Automatisierung und damit zur Reduzierung der Arbeitskräfte führen, dann haben wir ein riesiges Problem“, sagt sie. Wenn diese Technologien, wie künstliche Intelligenz, aber zur Effizienzsteigerung genutzt und somit eventuell neue Arbeitsplätze geschaffen werden, dann sei der technologische Wandel eine Chance.
Eine Wunderlösung gegen den Fachkräftemangel gibt es nicht und dieser wird uns auch noch eine ganze Zeit lang begleitenLiser
In Zeiten von Fachkräftemangel stellt sich die Frage, wer diese neuen Stellen besetzen soll. Für Patrick Thill ist der Fachkräftemangel ein komplexes Thema, das man zuerst richtig verstehen muss, um effizient dagegen vorgehen zu können. „Der Fachkräftemangel ist sehr vielschichtig und hängt mit der Migration, der Produktivität und nicht zuletzt mit der Ausbildung zusammen“, so der Forscher des Liser. Ausschließlich auf Talente aus dem Ausland zu setzen, ist für Christina Gathmann jedenfalls keine langfristige Lösung: „Die Kompetenzen, die auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt gefragt sind, sind die gleichen wie in anderen europäischen Ländern. Einfach versuchen, die Talente aus anderen Ländern anzuziehen, ist meiner Meinung nach deshalb keine zielführende Strategie.“
Staat in der Verantwortung
Für die Forscher bleibt der Knackpunkt für eine Bekämpfung des Fachkräftemangels die Aus- und Fortbildung. Damit diese gelingt und konsequent umgesetzt wird, spielt der Staat eine große Rolle. „Die Politik muss die nötigen Anreize geben, damit Unternehmen in die Weiterbildung oder Umschulung ihres Personals investieren und so einen produktiven technologischen Wandel unterstützen.“ Als Beispiel nennt Gathmann Subventionen oder Steuerreduzierungen. „Eine Wunderlösung gegen den Fachkräftemangel gibt es nicht und dieser wird uns auch noch eine ganze Zeit lang begleiten“, sagt Thill.
Der technologische Wandel in der Arbeitswelt ist nicht aufzuhalten. Sich dagegen zu wehren, wäre sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer der falsche Ansatz. Die Digitalisierung kann einem manchmal Angst machen. Deshalb sei der Sozialdialog extrem wichtig, so die Forscher. Sowohl Gewerkschaften als auch Patronatsverbände müssten einbezogen werden. Nur dann könne der Wandel auch gelingen.
Wer jetzt denkt, dass es in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt nur auf digitale Kompetenzen ankomme, den können Gathmann und Thill beruhigen. Diese seien natürlich sehr wichtig, aber auch Managementqualitäten und soziale Kompetenzen seien weiterhin sehr gefragt.
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Wenn jeder sich für die Abschaffung bzw. Automatisierung des eigenen Arbeitsplatzes einsetzen würde bei WEITERER Auszahlung des Gehaltes, wären wir dem Glück viel näher als die ständige Schaffung sinnloser Arbeitsplätze. Das ist meine persönliche Meinung, aber wir haben ja viele Leute hier in Luxemburg die es zuhause nicht aushalten und deswegen arbeiten gehen.