Chamber / „Rede zur Lage der Prozedurvereinfachungen“: Parteien reagieren auf Luc Friedens Zukunftsvision
Luc Friedens Rede zur Lage der Nation stößt bei den Oppositionsparteien nicht unbedingt auf Gegenliebe. CSV und DP sind ihrerseits überzeugt vom eingeschlagenen Kurs der Regierung. Die Stimmen aus der Chamber.
„Regierungserklärung bis“
„Wenn der aufgewirbelte Staub sich erst mal gelegt hat, muss man feststellen, dass nicht viel Neues gesagt wurde“, sagt die Grünen-Abgeordnete Sam Tanson im Anschluss an Luc Friedens Rede im Parlament. „Es gab vor allem Ankündigungen von Kürzungen verschiedener Prämien im Umwelt- und Mobilitätsbereich und die Anpassung der Steuertabelle um 2,5 Prozent, wo jedoch nicht klar ist, wie das gegenfinanziert werden soll.“ Auch bei der administrativen Vereinfachung sei vieles noch nicht klar. Positiv sei, dass eine Prämie auf elektrische Gebrauchtwagen eingeführt werden soll und eine zentrale Anlaufstelle („guichet unique“) im Rahmen der Armutsbekämpfung geschaffen werden soll. „Da müssen jedoch noch die Details abgewartet werden.“ Auch fragt sich die Grünen-Politikerin, ob das Personal entsprechend aufgestockt werden solle.
Die Ankündigungen im Energie-Bereich seien nicht neu. Im PNEC sei bereits die Idee von Fotovoltaikanlagen entlang der Autobahnen festgeschrieben, beim Konzept der Natur auf Zeit liege bereits ein Gesetzesprojekt der Vorgängerregierung vor. Auch beim Adoptionsrecht gebe es einen Entwurf der Vorgängerregierung. „Es klingt, als sei vieles neu, was es schlussendlich aber nicht ist“, sagt Tanson und spricht von einer „Regierungserklärung bis“. Die alles entscheidende Frage bleibe aber weiterhin die Gegenfinanzierung der angekündigten Steuererleichterungen.
„Hauptproblem scheint bürokratischer Dschungel zu sein“
„Wenn ich die Rede von Premierminister Luc Frieden zusammenfasse, dann scheint Luxemburgs Hauptproblem ein bürokratischer Dschungel zu sein“, kritisiert die LSAP-Fraktionsvorsitzende Taina Bofferding die Rede zur Lage der Nation. Die administrative Vereinfachung könne laut Ausführungen des Premiers alle Probleme des Landes lösen. „Das ‚once-only’ im Logement ist ein interessantes Konzept – trotzdem muss der Wohnraum vor allem bezahlbar sein.“ Die Ideen im Wohnungsbau und der Zehn-Punkte-Plan des Premierministers seien alles andere als neu. „Da liegen bereits mehrere Reflexionen vor.“ Besonders beim „Remembrement ministériel“ werde die Oppositionsführerin genau zuhören. „Ich habe vor drei, vier Jahren ein Gesetzesprojekt vorgelegt“, sagt Taina Bofferding und fordert Innenminister Léon Gloden auf, „endlich“ die nötigen Gesetzesänderungen vorzulegen, um die vom Staatsrat vorgelegten „oppositions formelles“ aus dem Weg zu räumen.
Auch bei der Armutsbekämpfung scheint ein Abbau bürokratischer Hürden laut Taina Bofferding der einzige Lösungsansatz der Regierung zu sein. „Was ist mit ‚housing first’-Konzepten, was ist mit der Erhöhung des Mindestlohns oder zumindest dessen Steuerbefreiung?“, zitiert Taina Bofferding einige von der LSAP ausgearbeitete Alternativen. „Wir wurden dann auf einen nationalen Aktionsplan vertröstet, der in dieser Rede mit keinem einzigen Wort erwähnt wurde.“ Eine Vereinfachung der Prozeduren löse das Problem nicht alleine. Alles in allem will die LSAP-Politikerin verstanden haben, warum Luc Frieden seine Rede nach den Europawahlen gehalten hat: „Bei so einer dünnen Rede kommt es wohl ganz gelegen, dass wir auch heute noch weiter über die Europawahlen diskutieren.“ Es wäre logischer gewesen, diese Rede zur politischen „Rentrée“ im Herbst zu halten. „Dann hätte die Regierung ihre Analyse vorlegen können und die darauf passenden Maßnahmen mit dem Budgetentwurf gleich mit vorstellen.“
„Wie im Bettemburger Märchenpark“
„Ich fühle mich wie im Bettemburger Märchenpark nach dieser Rede“, sagt der Piraten-Abgeordnete Sven Clement nach Friedens Ausführungen. „Uns wurden keine Details genannt – und wenn, dann waren sie eher negativer Natur.“ Ein Beispiel sei das Kürzen von Prämien für Elektroautos, was dem Piratenpolitiker zufolge zeige, dass die CSV-DP-Regierung nicht an das Elektroauto glaube. „Die Frage, die ich mir stelle: Wie soll alles finanziert werden?“ Zwar begrüße man die angekündigten Steuererleichterungen – der Luxemburger Finanzrat habe das Defizit im Staatshaushalt jedoch auf fast das Doppelte angehoben als ursprünglich geplant. „Die Regierung verteilt aber weiterhin Geld.“ Er sei kein Wirtschaftsboss wie Luc Frieden, jedoch sei er der Meinung, dass die Rechnung nicht aufgehen könne, wenn man mehr Geld ausgebe, als man einnehme. „Ich bin gespannt, ob das Märchen aufgeht.“
„Eine verpasste Chance“
„Das war die Rede eines Bürokraten ohne bewegende Vision für unser Land“, bemängelt der ADR-Fraktionsvorsitzende Fred Keup. Teilweise könne man die administrativen Maßnahmen zwar begrüßen – was diese allerdings kosten sollen, sei nicht ersichtlich. „Für mich hätte der Premierminister in seiner ersten Rede zur Lage der Nation die Sache motivierter nach vorne bringen können“, sagt Keup. „Eine verpasste Chance von Luc Frieden.“
Der ADR-Politiker vermisst, dass die Themenfelder Sicherheit, Kriminalität, Migration, Integration und Sprachen nicht angesprochen worden seien. „In einem Land mit so vielen Ausländern kann ich mir das fast nicht vorstellen“, sagt Keup. Auch vermisse der ADR-Politiker Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen aufs Staatsbudget. „Ich frage mich, ob das alles bis zum Schluss durchdacht war.“
„Ich habe das Gefühl, dass die Regierung sich gefunden hat“
„Es war eine gute, komplette Rede, die Luxemburg in den geopolitischen Kontext gesetzt hat“, sagt der DP-Fraktionsvorsitzende Gilles Baum. Premierminister Luc Frieden habe nicht alle Themenfelder anreißen können, habe es aber bei den wichtigsten gemacht. Die Wohnungsbaupolitik habe er mit seinem Zehn-Punkte-Plan angesprochen, ebenso wie die Armutsbekämpfung und die ökologische Transition. „Die wirtschaftliche Entwicklung, KI sind alles Punkte, wo wir in Europa ein bisschen hinterherhinken“, sagt Gilles Baum. Deswegen sei es wichtig gewesen, dass der Premierminister diese erwähnt habe. „Das steht auch alles in unserem Koalitionsvertrag, in dem sehr viel von der DP eingeflossen ist.“ Er sei demnach sehr zufrieden mit der heutigen Rede. „Ich habe das Gefühl, dass die Regierung sich nun gefunden hat und mit Vollgas loslegen kann.“
Zur Kritik der Gegenfinanzierung seitens der Oppositionsparteien meint Gilles Baum, dass man abwarten müsse, wie viele Steuern der Staat im ersten Halbjahr eingenommen habe. „Dann wissen wir, wo wir hinsteuern“, sagt Baum.
Wann die geplante administrative Vereinfachung umgesetzt werden soll – und insbesondere das Prinzip des „silence vaut accord“ –, stehe noch nicht genau fest. „Ich gehe aber davon aus, dass wir für den 1. Januar 2025 bereit sein werden.“ Zur Kritik von LSAP und „déi gréng“, dass viele der Ankündigungen in der Kontinuität der Vorgängerregierung stehen würde, meint Baum: „Die zehn vergangenen Jahre haben wir nicht alles umgesetzt bekommen, weswegen wir nun auch Sachen umsetzen, die von der LSAP oder ‚déi gréng‘ angestoßen wurden.“
„Vor den Wagen gesprungen“
„Es war eine klare und deutliche Rede mit Ankündigungen“, sagt der CSV-Fraktionsvorsitzende Marc Spautz den anwesenden Journalisten. Zudem habe Premierminister Luc Frieden Fristen für einige Projekte gesetzt, auch wenn noch andere Institutionen mitspielen müssen. „Die Erklärung entspricht dem, was im Koalitionsvertrag zwischen CSV und DP abgemacht wurde.“ Auch sei nun deutlich zu erkennen, was in den vergangenen Monaten an Vorbereitungsarbeit geleistet wurde. „Die jeweiligen Minister werden in den kommenden Wochen die entsprechenden Projekte der Chamber vorlegen.“
Zur Kritik der fehlenden Gegenfinanzierung meint Friedens Parteikollege Spautz, dass diese „ein bisschen vor den Wagen gesprungen ist“. Am 30. Juni könne Finanzminister Gilles Roth zum Abschluss des zweiten Trimesters etwaige Gegenfinanzierungsmaßnahmen präsentieren. „Ich bin jedoch glücklich über die Ankündigungen zur Bekämpfung der Kinderarmut und der Anpassung der Steuertabelle“, sagt Spautz, der davon ausgeht, dass einige Gesetzesprojekte wohl noch vor der Sommerpause vorgestellt werden sollen.
„Wie ein CEO, der ‚chef chantier‘ spielt“
„Wir haben heute keine Rede zur Lage der Nation, sondern eine Rede zur Lage der Prozedurenvereinfachung gehört“, kommentiert Marc Baum von „déi Lénk“ die Ausführungen von Luc Frieden. Und das von einem CEO, der glaube, er müsse in einem Betrieb „chef chantier“ spielen und nur die administrativen Prozeduren vereinfachen, um alle Probleme des Unternehmens zu lösen. „Arbeitsbekämpfung, Logement sind alles wohl nur Fragen der administrativen Vereinfachung.“ Dabei würden zahlreiche Studien belegen, dass beispielsweise im Logement gerade steuerliche Ansätze nötig seien. „Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird dann jedoch die Körperschaftssteuer gesenkt.“ Es werde also wieder einmal mit der Gießkanne das Geld an die verteilt, die es eigentlich nicht nötig haben. Die Anpassung der Steuertabelle sieht Marc Baum ebenfalls eher kritisch. „Mit der Indextranche, die im Herbst fallen soll, werden also eigentlich nur 1,5 Indextranchen angepasst“, sagt Baum. Und auch davon würden dann vor allem die davon profitieren, die bereits viel haben. Frieden habe gesagt, es sei Zeit, um etwas Abstand vom politischen Klein-Klein zu gewinnen und die Zukunft Luxemburgs vorzuzeichnen. „Davon habe ich jedoch nichts gesehen“, sagt Baum.
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