Editorial / „Reduce, reuse, recycle“: Kleidung mit Löchern gehört nicht in den Mülleimer
Fast Fashion ist ein Problem. Laut deutschem Bundesumweltministerium werden 40 Prozent der in Deutschland gekauften Kleidung nie oder nur selten getragen. Die Umwelt leidet unter dem rücksichtslosen Umgang mit den Rohstoffen und die Menschen, die die Textilien für einen Hungerlohn herstellen, leiden unter den erschreckenden Arbeitsbedingungen. Wenn das T-Shirt fünf Euro kostet und die Jeans zehn, dann müsste eigentlich offensichtlich sein, dass etwas nicht stimmt. Produziert wird immer schneller und immer billiger. Unser Verhältnis zur Kleidung muss sich verändern.
Vorweg: Natürlich ist klar, dass es sich nicht jeder leisten kann, nachhaltige Bio-Kleidung zu kaufen. Das ist auch überhaupt nicht der Punkt. Aber es gibt genug Menschen, die nicht aus finanziellen Gründen zur Wegwerfmode greifen. Wenn satte 30 Prozent der Klamotten, die man am Wochenende auf der „Vinokilo“ in den Ausstellungshallen der Luxexpo im Kilogramm kaufen konnte, aus unverkauften Lagerbeständen bestehen, dann muss man sich doch Fragen stellen. Das sind völlig neue Produkte. Noch schlimmer: 60 Prozent der angebotenen Kleidung kommen aus einer Kleidungsvernichtungsfabrik. Die Rohstoffe werden zerstört, anstatt sinnvoll wiederverwertet zu werden. Das geht beispielsweise mit dem Prinzip der Upcycling-Mode, das dem Stoff ein zweites Leben gibt.
Projekte wie „Benu Village“ machen genau das. Aus alten Textilien wird neue Kleidung. Die sozioökonomische und -ökologische Kreislaufwirtschaft des „Benu“ wurde für diese Initiative vergangenes Jahr mit dem „Climate Star Award“ ausgezeichnet. Doch es geht auch noch einfacher. Warum nicht öfter auf Secondhand-Kleidung zurückgreifen? Auch in Luxemburg gibt es genügend Geschäfte, die sich auf bereits getragene Mode spezialisieren.
Doch bevor es überhaupt so weit kommt, müssten wir uns eigentlich nach den drei „R“ der Abfallhierarchie richten: „Reduce, reuse, recycle“ – zuerst „reduce“, also den Konsum verringern. Kleidung darf nach ein paar Jahren, oder nach den ersten Löchern, nicht plötzlich zur Wegwerfware werden. Denn seien wir einmal ehrlich: Ein Pullover mit einem kleinen Loch erfüllt noch immer seine Funktion und kann zudem ohne Probleme getragen werden. Gleichzeitig muss es dann aber auch in Ordnung sein, sich in der Öffentlichkeit mit Klamotten zu zeigen, die schon etwas mitgenommen wirken – denn normalerweise erntet man für diesen gewagten Modestil eher herablassende Blicke.
Außerdem ist es bei den meisten Textilschäden relativ einfach, das Problem mit Nadel und Faden selbst zu beheben. Falls Nähen allerdings nicht zu den eigenen Talenten gehört, kann man das Kleidungsstück auch in die lokale Änderungsschneiderei geben. Dann unterstützt man zusätzlich noch die Luxemburger Geschäftsleute, anstatt den internationalen Textildiscountern weiter Geld in die billig produzierte Hosentasche zu stecken. Und: Dadurch, dass man dem Pulli ein zweites Leben gibt, hat er doch sofort wesentlich mehr Charme.
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Wenn der alte Mann mit seinen abgenutzten, upgecycleten Klamotten aus seiner Luxuslimousine steigt, sorgt das für Verwirrung!
Seitdem Kleidung mit „Klamotten“ bezeichnet wird, wird sie auch als solche „wertgeschätzt“, nämlich gar nicht. Überall geht es nur noch um’s „Shoppen“ bis zur Vergasung und weil man nicht endlos Geld zur Verfügung hat, muss es billig sein (dafür „duften“ Klamotten entsprechend). Qualität und Kaufvergnügen, was man sich bei Bedarf gönnte, spielt nur noch eine sehr untergeordnete bis keine Rolle. Die Freude über ein neues Teil gibt es nicht mehr, es ist zum Alltäglichen geworden. Was früher ein kleines Highlight war, ist heute nichts mehr Besonderes. Kleiderschränke quollen nicht über, sondern waren gut sortiert und übersichtlich, vor allem wusste man sofort, was man zu welcher Gelegenheit anzuziehen hatte, anstatt ratlos vor den (Müll-)bergen zu stehen: was ziehe ich nur an?