Katastrophenschutz / Regierungsbericht zum Hochwasser: Opposition bemängelt unvollständige Aufarbeitung
Umweltministerin Carole Dieschbourg hat am Donnerstagnachmittag dem Umweltausschuss und der Kommission für innere Angelegenheiten den Bericht zu den Überschwemmungen am 14. Juli vorgelegt. Die Oppositionsparteien reagieren mit Kritik. „Wir haben keine zufriedenstellenden Antworten auf unsere Fragen bekommen“, sagen die Abgeordneten Gilles Roth (CSV) und Marc Goergen (Piratenpartei).
Die Fluten Mitte Juli waren verheerend und kamen für viele überraschend – obwohl Luxemburg eigentlich über die nötigen Warnsysteme und verantwortlichen Krisenorgane verfügt. Ein regierungsinternes Gutachten sollte die Naturkatastrophe aufarbeiten. Der Bericht der Regierung, der dem Tageblatt vorliegt und der den Abgeordneten in der gemeinsamen Sitzung der Kommissionen für Umwelt und innere Angelegenheiten vorgelegt wurde, will in drei Kapiteln die Geschehnisse rund um die Hochwasserkatastrophe vom 14. und 15. Juli aufarbeiten. Das Gutachten der Regierung – eine federführende Institution wird nicht genannt – befasst sich mit dem „Rahmen für das Krisenmanagement in Bezug auf die Unwetter- und Überschwemmungsrisiken“, der Chronologie der Geschehnisse ab dem 13. Juli und den im Krisenstab vertretenen Akteuren, um schlussendlich ein Fazit unter die Überschwemmungen Mitte Juli zu ziehen.
Im Fazit des Berichts erkennt die Regierung an, dass zukünftig schneller und präziser kommuniziert werden müsse. Auch soll das Hohe Kommissariat für Nationale Sicherheit und das Staatsministerium eine Diskussion anstoßen, wie Gefahrenmeldungen – auch mit Unterstützung der Medien – und in Anbetracht mehrerer Bewertungszellen („cellules d’évaluation“) verschickt werden können. Zudem soll das Innenministerium die Diversifizierung der bereits existierenden Warnkanäle fortführen und überlegen, wie die bereits existierende Infrastruktur – zum Beispiel Autobahnschilder – in Zukunft genutzt werden kann. Unter der Leitung des Energieministeriums sollen neue „best practice“-Regeln ausgearbeitet werden, um insbesondere die elektrische Infrastruktur Naturkatastrophen gegenüber resilienter zu gestalten. Schlussendlich sollen unter der Leitung des Staatsministeriums Kriterien und Verfahren erarbeitet werden, nach denen außergewöhnliche Naturereignisse als Naturkatastrophen klassifiziert werden können.
Nachfragen bleiben unbeantwortet
Die anwesenden Oppositionspolitiker haben nach der Kommissionssitzung jedoch vor allem eins: mehr Fragen. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass der vorliegende Bericht von der Regierung geschrieben wurde“, sagt der Co-Fraktionspräsident der CSV Gilles Roth. „Wir hätten uns eine externe Aufarbeitung gewünscht, die nicht nur die innerstaatliche Perspektive wiedergibt.“ Eine Forderung, die die vier Oppositionsparteien bereits Ende Juli an die Regierung gerichtet hatten – und auch mit dem vorliegenden Bericht nicht erfüllt wurde.
Fünf Kritikpunkte hat der CSV-Politiker dem Tageblatt genannt, die allesamt nicht von Umweltministerin Dieschbourg beantwortet werden konnten. „Erstens hat es im Vorfeld der Überschwemmungen teils sehr unterschiedliche Wetterwarnungen gegeben“, sagt Roth. „Noch am Morgen des 14. Juli wurde vom staatlichen Wetterdienst vor Starkregen gewarnt, ehe dann am frühen Nachmittag eine Vorwarnung für mögliche Überschwemmungen verschickt wurde.“ Andere Meteorologen hätten schon viel früher vor den Überschwemmungen gewarnt. Auf der Pressekonferenz am Tag nach den Überschwemmungen habe dann auch Dieschbourg gesagt, dass sie nicht von den Fluten überrascht worden sei. „Dieser ganze Vorgang muss extern aufgearbeitet werden.“
Probleme mit Warn-App „GouvAlert“
Dann müsse laut Roth auch das technische Versagen der Warn-App „GouvAlert“ untersucht werden. Dem stimmt auch Marc Goergen von den Piraten zu. „Ein sogenanntes SSL-Sicherheitszertifikat ist dem Bericht zufolge nicht erneuert worden“, sagt er. Auf Anfrage habe die Umweltministerin geantwortet, dass es informatisch nicht mehr nachzuverfolgen sei, wann genau das Zertifikat abgelaufen sei. „Das ist schlichtweg falsch“, meint Goergen.
Dennis Fink, Sprecher des „Chaos-Computer-Club Lëtzebuerg“, hat bereits im August auf Tageblatt-Anfrage seine Einschätzung zum SSL-Zertifikat von GouvAlert gegeben: „In der Regel besitzen SSL-Zertifikate ein Ablaufdatum, nachdem die Geräte dieses Zertifikat nicht mehr als gültig ansehen“, sagt Fink. „Das Erneuern dieser Zertifikate wird heute aber meistens automatisiert, damit sich das Zertifikat einige Tage vor dem Ablaufdatum automatisch erneuert.“ Dass dies bei der Gouvalert-App nicht gemacht wurde, könne er nicht verstehen und es stelle sich die Frage nach einer Teilschuld. „Hier kann man schon davon reden, dass das als grob fahrlässig einzuschätzen ist.“
Kommunikation mit der Bevölkerung
Doch nicht nur die GouvAlert-App hat an dem Tag nicht nach Plan funktioniert. „Die SMS-Benachrichtigungen, die an die Bürgermeister des Landes verschickt wurden, kamen sehr spät und waren nicht sehr eindeutig formuliert“, sagt Roth. Hier müsse in Zukunft klarer kommuniziert werden. Warum könne die Regierung nicht alle Bürger des Landes im Katastrophenfall per SMS benachrichtigen, fragt der CSV-Abgeordnete. Goergen kritisiert zudem, dass die Abgeordneten in puncto „Cell Broadcast“, einem Mobilfunknetzsystem zum Versenden von Notfall-SMS, keine weiteren Ausführungen von der Umweltministerin erhielten. „Keiner will irgendetwas wissen“, sagt Goergen. „Beim nächsten Katastrophenfall wissen wir dann wieder nicht, was wie wo wann passiert.“
Gilles Roth kritisiert zudem, dass die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und den Rettungsdiensten nicht in allen Fällen gut funktioniert habe. Daraus ergebe sich für den Abgeordneten dann ein weiterer Kritikpunkt. „Es sind zwar keine Leute zu Schaden gekommen“, sagt Roth. „Viele Menschen haben aber einen erheblichen Materialschaden zu beklagen, der nicht unbedingt von allen Versicherungen komplett übernommen wird.“ Das bringe den Abgeordneten schlussendlich zu seinem fünften Anliegen.
„Es stellt sich für mich die Frage, ob die Menschen die Restbeträge, die von den Versicherungen nicht rückerstattet wurden, nicht beim Staat geltend machen können“, sagt Roth. „Die hätten sich ja anders vorbereiten können, wenn das Warnsystem im Vorfeld ordentlich funktioniert hätte.“ Insgesamt wäre es von Vorteil, wenn die Geschehnisse Mitte Juli ordentlich und schonungslos aufgearbeitet worden wären, um in Zukunft Schlimmeres zu verhindern, sind sich die beiden Abgeordneten Gilles Roth und Marc Goergen einig. „Sonst passiert das im November noch einmal“, sagt Roth.
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