Deutschland / Regierungsmitglieder organisieren zwei konkurrierende Wirtschaftsgipfel
Die Union wittert wegen der zunehmend sichtbaren Zerwürfnisse in der Ampelkoalition die Chance auf vorzeitige Neuwahlen. Die Wirtschaft hofft noch auf gute Ergebnisse bei zwei konkurrierenden Gipfeltreffen am Dienstag.
Angesichts der Zerstrittenheit in der Ampel-Regierung über die Wirtschaftspolitik werden Forderungen aus der Union nach einem vorzeitigen Ende der Regierungskoalition lauter. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verwies in der Bild am Sonntag darauf, dass die Koalitionspartner geschworen hätten, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. „Dazu gehört auch die Bereitschaft, eine gescheiterte Koalition aufzulösen. Wenn die Chaos-Ampel dazu nicht in der Lage ist, sollte der Bundespräsident den drei Ampel-Parteien in einem Gespräch die Möglichkeiten zur Trennung aufzeigen“, sagte Dobrindt.
Der Eindruck der Uneinigkeit und Führungslosigkeit in der Ampelkoalition hatte sich vergangene Woche noch einmal vertieft. Denn FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner und sein Fraktionschef Christian Dürr luden die Präsidenten mehrerer Wirtschaftsverbände am Dienstagvormittag zu einem eigenen Wirtschaftsgipfel ein und brüskierten damit den Kanzler. Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor für Dienstagnachmittag die Chefs des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), einiger seiner Mitgliedsverbände und Gewerkschafter zu einem vertraulichen Industriegipfel eingeladen. Scholz will dabei die Nöte speziell der angeschlagenen Industrie erörtern. Lindner dagegen betonte, die Wirtschaft bestehe aus mehr als der Industrie, der Mittelstand dürfe nicht außen vor bleiben.
Wenn die Chaos-Ampel dazu nicht in der Lage ist, sollte der Bundespräsident den drei Ampel-Parteien in einem Gespräch die Möglichkeiten zur Trennung aufzeigenCSU-Landesgruppenchef
Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck erklärte, er sei beim Kanzler nicht mit eingeladen. Auch beim FDP-Gipfel ist der Grünen-Politiker naturgemäß nicht dabei. Habeck hatte aber in einer 14-seitigen „Modernisierungsagenda“ skizziert, wie er die stagnierende Wirtschaft wieder in Schwung bringen will: Im Kern sieht sein Plan die Errichtung eines milliardenschweren Investitionsfonds vor, aus dem Investitionsprämien für Unternehmen und mehr öffentliche Investitionen finanziert werden sollen.
„Bundespräsident müsste eingreifen“
Die Union wittert die Chance auf vorzeitige Neuwahlen – zumal die Koalition auch beim Bundeshaushalt 2025 und beim Rentenpaket II enorm unter Druck steht. Bei beiden Projekten bestehen zwischen SPD und Grünen einerseits sowie der FDP andererseits große Meinungsunterschiede. Für die SPD wäre ein Scheitern des Rentenpakets gleichbedeutend mit dem Ampel-Aus.
„In dieser Dauerstarre einer Regierung müsste jetzt der Bundespräsident eingreifen, ermahnen und eine klare Frist setzen: Entweder es kommt jetzt das Programm für den Aufschwung, oder die Ampel muss den Weg frei machen“, sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. Die Koalition wolle nicht mehr regieren, sondern sich nur noch durchschleppen bis zur Wahl.
Die SPD reagierte verärgert auf den Gegen-Wirtschaftsgipfel der FDP. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte in der Rhein-Neckar-Zeitung: „Der Finanzminister sollte sich auf sein Ressort konzentrieren und nicht versuchen, mit einer eigenen Veranstaltung die Arbeit des Kanzlers zu torpedieren.“ Was Lindner mache, sei „schlicht albern“, so Mützenich. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich besorgt über den Zustand der Koalition. „Was da der Öffentlichkeit als Koalition verkauft werden soll, wird zu einem zunehmend gefährlichen Prozess, der nur Politikzorn und damit Extremismus befördert“, beklagte der ehemalige Vizekanzler in der Augsburger Allgemeinen.
Ätzende Kritik aus der Wirtschaft
Auch aus der Wirtschaft kommt teils ätzende Kritik. Wenn Kanzler und Finanzminister aus den Ergebnissen beider Gipfel eine gemeinsame Wirtschaftspolitik definierten, müsse dies noch im Bundeshaushalt 2025 abgebildet werden. Wenn die Ampel dies nicht mehr schaffe, solle sie ihre Arbeit sofort beenden, forderte die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann. „Ohne Wirtschaftsaufschwung wird ihr so oder so das gesamte Land um die Ohren fliegen.“
Vor den beiden Wirtschafts-Treffen am Dienstag hat DIHK-Chef Peter Adrian an die Regierung appelliert, die Energiekosten für die Breite der gesamten Wirtschaft zu senken, nicht nur für die Industrie. „Eine zentrale Aufgabe für die Politik besteht deshalb darin, für die Breite der Unternehmen eine dauerhaft stabile wie wettbewerbsfähige Energieversorgung zu sichern“, sagte Adrian. „Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung wäre die von uns vorgeschlagene Übernahme der Netzentgelte durch den Klima- und Transformationsfonds“, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
„Es muss konkret in den Betrieben ankommen, dass es wirklich einfacher wird im Alltag – nicht nur in Sonntagsreden oder theoretisch im Gesetzblatt“, betonte er. „Hierfür brauchen wir von der Politik spürbare Sofortsignale, die in der betrieblichen Praxis ankommen. Hierzu gehören steuerliche Entlastungen durch eine investitionsfreundliche Unternehmenssteuerreform genauso wie der Abbau von Belastungen in der Energiepolitik.“
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