/ René Pascucci lebt weiter in der Erinnerung: „Du wuars quelqu’un!“
Der legendäre Spielführer der großen Jeunesse-Mannschaft der späten 1950er-Jahre, René Pascucci, bleibt in Esch und weit über die „Grenz“, ja sogar bis in das Land seiner italienischen Vorfahren hinein, unvergessen.
Von Guy van Hulle
Dessen konnten sich alle am Samstagvormittag im Festsaal der Escher Gemeinde geladenen Gäste überzeugen. Eine ergreifende Feierstunde wurde zu Ehren des vor Jahresfrist im Alter von 91 Jahren verstorbenen Fußballers abgehalten.
Den Respekt, der ihm ein Jahr nach seinem Tode entgegengebracht wurde, verdankt René Pascucci über sein fußballerisches Können hinaus seinen großen menschlichen Qualitäten. Er war ein rechtschaffener Mensch, vereinstreu und bodenständig, ein Antiheld in schwarz-weißem Dress mit Vorbildcharakter, eine Persönlichkeit eben, wie man sie heutzutage im Profifußball kaum noch findet, eine „JeunesseIkone“ wie das Tageblatt in seinem am 10. März erschienenen Nachruf schrieb.
„Pascuccis Renn“, von der Statur her ein relativ klein gewachsener Spieler, kompensierte dies durch sein gutes Stellungsspiel, seine Intelligenz und sein Timing im Kopfballduell. Mit seiner Körpergröße von gerade mal 1,70 m war er dennoch auch auf dem Zentralverteidigerposten ein Fels in der Brandung, wie Pilo Fonck in seiner langen und ausführlichen Laudatio ganz richtig bemerkte.
Der übersichtige Mittelläufer mit der Nummer fünf auf dem Rücken war ein äußerst fairer Spieler von ausgeprägt ruhigem und besonnenem Charakter, der in all diesen Jahren, 22 an der Zahl, nicht einmal verwarnt wurde, geschweige denn einen Platzverweis bekam. Dank all dieser Eigenschaften war er sozusagen dazu prädestiniert, frühzeitig die Rolle des Kapitäns der Bianconeri zu übernehmen, vom unteren Mittelfeld aus die Fäden zu ziehen und seine ebenso talentierten Mitspieler um ihn herum zu motivieren und ins Spiel zu bringen.
Der 1926 in der Burenstraße geborene und in der Hiehl wohnende René Pascucci unterschrieb seine allererste Lizenz in unruhigen Zeiten kurz vor dem Krieg im März 1939 mit 13 Jahren. Von 1946/47 bis 1960/61 spielte er dann ohne Unterbrechung für „seine“ Jeunesse. Unter seiner Regie wartete die Escher Mannschaft in den späten 1950erJahren mit Titelgewinnen „à répétition“ auf, dies sowohl in der Meisterschaft als auch im Pokal, und vertrat anschließend das Land, Jahrzehnte vor der F91-Ära, immer wieder sehr ehrenvoll auf dem internationalen Parkett. Einen würdigen Nachfolger in diesem Amt fand er in der Person von Raymond Ruffini.
Fußball-Ikone mit besonnenem Charakter
In seiner Laudatio ging Sportreporter Pilo Fonck genauer auf den sportlichen Werdegang von René Pascucci ein. Der Höhepunkt ihrer beider Karrieren dürfte das Europacup-Rückspiel gegen Real Madrid am 4. November 1959 gewesen sein, dem im dicht besetzten hauptstädtischen Stadion an die 19.000 Zuschauer beiwohnten. Als blutjunger Reporter übertrug Pilo – auch für ihn war es eine Premiere – dieses bedeutende Spiel, das in das kollektive Luxemburger (Sport-)Gedächtnis einging, live – „Pilo, io Pier“ – auf Radio Lëtzebuerg. Beim Spiel, das mit 2:5 verloren ging, schlug sich die Jeunesse bravurös, punktete zweimal durch Theis und Schaack und verlangte den Weltstars alles ab. In der Runde zuvor hatten Pascucci und Co. unter der Leitung ihres englischen Trainers George Berry übrigens schon den polnischen Meister aus Lodz mit 5:0 bzw. 1:2 ausgeschaltet, genau wie vorher die Schweden aus Göteborg.
Feierstunde im Zeichen der Freundschaft
Eingangs hatte der frisch gebackene Escher Bürgermeister die in- und ausländischen Gäste herzlich begrüßt, betont freundliche Worte, denen sich sein italienischer Amtskollege Dottore Presciutti, der extra mit einer aus Gualdo-Tadino angereisten Delegation (der Heimat von Pascuccis Eltern und Vorfahren), anschloss und auf die historische Gemeinsamkeit hinwies, die seine Gemeinde mit der von Esch seit nunmehr über einem Jahrhundert miteinander verbindet.
Renato Pascucci bezeichnete er sowohl als „un Gualdese“ wie auch als „Escher Jong“, als einen Italo-Luxemburger Weltbürger, der beiden Ländern zur Ehre gereiche. Die informelle Städtepartnerschaft werde durch das Andenken an Pascuccis Biografie sowie an die seiner Eltern, die 1924 von Gualdo nach Esch auswanderten, verkörpert und aufgefrischt. Audun-le-Tiche, die lothringische Gemeinde von gleich nebenan, ist nämlich ein offizieller Partner von Gualdo-Tadino.
Die Familiengeschichte der Pascuccis steht stellvertretend für zahlreiche weitere Einwanderer und deren Lebenslauf aus der Provinz Perugia bzw. den Regionen Umbrien und Emilia Romagna im Laufe des 20. Jahrhunderts. Dabei ist und bleibt Pascuccis mustergültige sportliche wie berufliche Karriere – er war gelernter Schreiner – ein Beispiel für perfekte Integration bzw. für die kulturelle Verschmelzung beider Länder.
Diese schon ein bisschen wehmütig anmutende feierlich-freundschaftliche Zusammenkunft schlug eine Brücke vom Sport über die Vergangenheit bis hin zu den sowohl ökonomisch wie auch sportlich glorreichen „tempi passati“. Er bot nicht nur die Gelegenheit, an für Jeunesse weitaus erfolgreichere Zeiten zu erinnern, sondern auch über den parallel hierzu verlaufenden Rückgang der Schwerindustrie nachzudenken.
In einer Zeit, in der die italienische Präsenz in Esch und Umgebung immer mehr schwindet, wie man nicht zuletzt anhand der zahlreichen italienischen Namen in Todesanzeigen überall erkennen kann, entsprach dieser offizielle, schon etwas nostalgischer Empfang einem beidseitigen Wunsch und Bedürfnis nach Besinnung, Austausch und Zusammenhalt.
Trainer „Paiu“ und seine Jungs
Nach dem Ende seiner aktiven Spielerkarriere wurde Pascucci Lasep-Sportlehrer in den Escher Grundschulen und war Ende der 1960er ein sehr geschätzter Trainer im Jugendbereich bei seinem Stammverein Jeunesse. Talentierten Junioren wie Jeannot Schaul, Guy Allamano, Gilbert Simonelli oder Jang Mond bereitete er auf die Erste Mannschaft vor. Weniger bekannt ist, dass er auch zeitweise den Progrès Niederkorn trainierte und bei seiner Jeunesse gleich viermal als Haupttrainer aktiv war bzw. als Interimstrainer einsprang.
Die Saison 1957/58 krönte Spielertrainer „Paiu“ an der Spitze seines Teams sogar mit dem Landesmeistertitel. Kein Wunder also, dass sie, wie im Lied von Serge Reggiani, alle von nah und fern herbeigeeilt waren, sogar aus dem 1.250 km fernen Gualdo: Ruffini, May, Ontano, Di Pentima, Presciutti, Simonelli, Barboni, Vinciotti, Zwally, Kirsch, Tornambe, Di Genova, Malano, Cazzaro und Co., um ihrem früheren Mitspieler und Trainer zu huldigen. „Complimenti e grazie mille, René, du wuars quelqu’un!“
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Ehre wem Ehre gebührt! René Pascucci war ein AUsnahmefussballer und ein beispielhafter Sportler.