Analyse / Report beleuchtet Nebenwirkungen der Impfungen in Luxemburg
Die bislang in Luxemburg registrierten Nebenwirkungen nach Impfungen gegen das Coronavirus sind in einem Report dargestellt worden. Das auf den 16. April datierte Dokument ist zwölf Seiten lang und kann im Internet eingesehen werden. Es dokumentiert beobachtete Nebenwirkungen in Art und Menge sowohl über alle Impfstoffe als auch nach den einzelnen Marken.
EXTRA: Zur Erinnerung
Viele der hier beschriebenen Symptome und Fälle können stark verunsichern, wenn man vor der Entscheidung steht, sich impfen zu lassen – oder man einem nahestehenden Menschen einen Rat geben soll.
Man sollte sich jedoch immer bewusst machen, dass die medizinischen Schritte im Kampf gegen das Coronavirus besonders argwöhnisch beobachtet werden – auch von der Presse. Die Fälle, über die breit berichtet wurden, waren allerdings immer noch vergleichsweise selten in Anbetracht der großen Anzahl der erfolgten Impfungen.
Zudem können praktisch alle Medikamente teils schwerste Nebenwirkungen haben. Selbst viele frei erhältliche Mittel können tödlich wirken, nicht nur bei falscher Dosierung. So kam etwa eine Studie der Oxford University 2017 zum Schluss, dass in Großbritannien jährlich rund 3.000 Menschen durch Aspirin und verwandte Mittel sterben – weil der Wirkstoff Acetylsalicylsäure nicht nur Schmerzen lindert, sondern auch das Blut verdünnt. Das kann, vor allem bei unentdeckten Defekten, schnell zu schwersten Komplikationen führen. fgg
Erstellt wurde der Bericht (der hier als PDF in französischer Sprache heruntergeladen werden kann) von der „Abteilung für Pharmazie und Arzneimittel“ der Gesundheitsdirektion in Zusammenarbeit mit dem regionalen Pharmakovigilanzzentrum in Nancy. In der Einleitung heißt es, es solle „Transparenz schaffen und das Vertrauen in Covid-19-Impfstoffe erhöhen“. Aufgeführt werden „unerwünschte Ereignisse, von denen vermutet wird, dass sie mit der Impfung in Zusammenhang stehen“, auch wenn ein tatsächlich ursächlicher Zusammenhang nicht unmittelbar nachweisbar ist. Allerdings sei aufgrund der zeitlichen Zusammenhänge mit den Impfungen eine Wahrscheinlichkeit gegeben.
Zugrunde gelegt waren 154.376 Verabreichungen von Impfstoff an 113.942 Personen. 104.359-mal wurde dabei das Mittel „Comirnaty“ von Biontech/Pfizer verabreicht, 36.634-mal das Mittel „Vaxzevria“ von AstraZeneca, 12.029-mal das Mittel von Moderna und 1.354 das Mittel von Janssen (auch bekannt als „Johnson & Johnson“).
Insgesamt kam es 1.125-mal zu „unerwünschten Ereignissen“, was etwa einem Prozent der Geimpften entspricht.
Eine Grafik der leichteren Fälle von Nebenwirkungen zeigt zwar einen sehr deutlichen Anstieg ab Anfang Februar, dies sei allerdings bedingt „durch die Einführung eines zusätzlichen Systems zur Erfassung von Nebenwirkungen über das nationale Impfregister“, betonen die Autoren des Reports.
So systematisch abgefragt wurden die Erfahrungen, als die ersten Geimpften bereits zur zweiten Injektion erschienen. Es zeige sich, dass die Effekte, die zwischen der ersten und zweiten Dosis auftraten, meist nicht schwerwiegend waren: Es handelte sich meistens um die ohnehin „häufig“ zu erwartenden Reaktionen wie Fieber oder Schmerzen der Muskeln, Gelenke oder des Kopfes.
Auffällig ist, dass bei Frauen deutlich öfter Nebenwirkungen aufgetreten sind: Sie stellen 764 Fälle, während Männer nicht einmal halb so oft vertreten sind mit 324 Vorkommnissen (bei 37 Fällen ist das Geschlecht nicht bekannt).
Zwar sind auch deutlich mehr Frauen geimpft worden (92.275 Frauen gegenüber 66.877 Männern), aber nur etwa 38 Prozent mehr. Das weibliche Geschlecht ist quotenmäßig bei den Nebenwirkungen also deutlich überrepräsentiert. Ob sich dies durch tatsächliche medizinische oder eher durch andere Effekte erklärt, kann der Report nicht feststellen.
Klar ist: Von den Fällen, die aus Luxemburg an die zentrale europäische Datenbank EudraVigilance übermittelt wurden, ist die überwiegende Mehrheit von 89 Prozent „nicht schwerwiegend“: Die Symptome bleiben höchstens einige Tage und verschwinden folgenlos. Neben den bereits beschriebenen Effekten gehören dazu auch Reaktionen an der Injektionsstelle, Verdauungssymptome, Unwohlsein, Schwindel, Blutdruckstörungen oder auch tagelange starke Müdigkeit. Das seien alles bekannte Reaktionen, die auch in den Packungsbeilagen beschrieben werden – und letztlich ein gutes Zeichen: Schließlich weisen sie darauf hin, dass das Immunsystem des Geimpften aktiviert.
Immerhin 11 Prozent aller Nebenwirkungen sind „schwerwiegend“ beziehungsweise „medizinisch relevant“. Oft führten sie zur (vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit. Auch hier betreffen die meisten Fälle grippeähnliche Symptome, nur eben im heftigeren Ausmaß. Sie sind allerdings nicht „klinisch“ bedeutsam.
Das waren 19 Fälle: Denn 13-mal kam es zur Einweisung ins Krankenhaus – und dreimal sind sogar Menschen gestorben, während drei weitere Fälle lebensbedrohlich wurden, die Patienten jedoch (bisher) nicht gestorben sind.
Diese Fälle können Menschen naturgemäß sehr verunsichern, auch wenn sie extrem selten sind: Drei von 113.942 Personen stellen schließlich lediglich knapp 0,002 Prozent dar.
Die tödlichen beziehungsweise lebensbedrohlichen Verläufe betrafen je drei Frauen und Männer. Die Altersspanne reichte von 75 bis 94 Jahren.
Bezüglich der vor allem in Verbindung mit AstraZeneca berichteten Thrombosen erklärt der Report, dass es sechsmal zu arteriellen oder venösen Thrombosen gekommen war, zweimal sogar zu den gefürchteten Lungenembolien. Die betreffenden Fälle bei vier Frauen und zwei Männern konnten durch geeignete Behandlung allerdings einem „günstigen Ausgang“ gebracht werden.
Anders jedoch lag der Fall bei einer 74-jährigen Frau: Bei ihr kam es zu einer kaskadierenden Verringerung der Blutplättchen mit Einblutungen. Die Frau starb zwei Wochen nach einer Impfung mit AstraZeneca (das Tageblatt berichtete). Das Ergebnis einer Autopsie lag zum Redaktionsschluss des Reports noch nicht vor.
Fälle von Thrombose der Venen im Hirn oder im Bauch mit gleichzeitigem Abfall der Blutplättchen-Anzahl, wie sie international beobachtet wurden, kamen in Luxemburg allerdings nicht vor.
Auch Biontech/Pfizer ist nicht immer ungefährlich
Für manche dürfte überraschend sein, dass es in Zusammenhang mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer zu mehreren sehr schweren oder sogar tödlichen Verläufen gekommen ist. Zwei Männer im Alter von 77 und 91 Jahren sind gestorben.
EXTRA: Der Moderna-Impfstoff
Der Moderna-Impfstoff, der weniger weit verbreitet ist, wird häufiger mit dem Auftreten von grippeähnlichen Erkrankungen, Herzrasen und Injektionsreaktionen in Verbindung gebracht.
Bisher sind aber keine Fälle bekannt, die als sehr schwer klassiert werden müssten. fgg
Der jüngere starb drei Tage nach der ersten Impfstoffdosis an einer Pneumopathie, einer schweren Degeneration von Lungengewebe. Allerdings heißt es im Report: „Der Zusammenhang mit dem Impfstoff bleibt sehr zweifelhaft.“ Der zweite, ältere Patient starb eine Woche nach der ersten Dosis an einer Lungenembolie.
Drei lebensbedrohliche Fälle gab es ebenfalls in Zusammenhang mit einer „Comirnaty“-Impfung, wie die Marke von Biontech/Pfizer heißt. Hier handelte es sich um zwei Frauen im Alter von 78 und 94 Jahren sowie einen 80-jährigen Mann. Bei allen traten die Symptome am Tag der Impfung auf: Es handelte sich jeweils um ein akutes „Koronarsyndrom“ – mit Unwohlsein, Engegefühl in der Brust und Kurzatmigkeit, die mit einer Sauerstoff-Entsättigung einherging. Glücklicherweise konnte durch geeignete Behandlung ein „günstiger“ Verlauf hergestellt werden, konstatiert der Report.
Ebenfalls wurden zwei tiefe Venenthrombosen (ohne Thrombozytopenie, also eine Verringerung der Blutplättchen) bei zwei Männern im Alter von 73 und 85 Jahren beobachtet – und eine Lungenembolie bei einer 54-jährigen Frau in Zusammenhang mit einer infektiösen Lungenentzündung.
Zu weiteren „schwerwiegenden Ereignissen“, die die Betroffenen ins Krankenhaus brachten, zählten mehrere Fälle mit starkem Unwohlsein, Schwindel mit Sehen von Doppelbildern und Blutdruckspitzen mit Nasenbluten, Rektalbluten sowie ein epileptischer Anfall.
AstraZeneca – besser als sein Ruf
Das Mittel von AstraZeneca („Vaxzevria“) hat längst einen zweifelhaften Ruf, nachdem Todesfälle, vor allem in Verbindung mit Hirnthrombosen, aufgeschreckt haben. Dabei ist das Vakzin in der Fachwelt längst rehabilitiert und wird in vielen Ländern in allen ursprünglich möglichen Altersgruppen verimpft. In Luxemburg können Jüngere, die eigentlich noch nicht an der Reihe des Impfplanes sind, sich um eine Impfung mit AstraZeneca bewerben. Die Jüngeren würden dann Dosen erhalten, die liegengeblieben sind, weil sie in großer Zahl von anderen Impfkandidaten abgelehnt wurden.
Die Logik heißt: Trotz aller möglichen Risiken überwiegen die Vorteile einer Impfung – nicht nur für die Gesellschaft, die möglichst schnell zur Herdenimmunität gebracht werden soll, sondern auch für den einzelnen Impfkandidaten. Denn wirklich groß sind die Risiken nicht – und für Medikamente schon gar nicht unüblich (siehe Extra).
Allerdings ist es aber doch zum oben beschriebenen Todesfall der 74-jährigen Frau gekommen, der derzeit noch genauer untersucht wird. Außerdem ist es bei einer 75-jährigen Frau zu einer Lungenembolie mit Zeichen einer akuten Herz-Lungen-Krankheit gekommen, allerdings ohne die befürchtete Anomalie der Bluttplättchenzahl (Thrombozytopenie). Die Patientin hat sich noch nicht erholt, heißt es im Report mit Stand des 16. April.
„Vaxzevria wird derzeit engmaschig auf Thrombosen in Verbindung mit Thrombozytopenie überwacht“, versprechen die Autoren des Reports – weisen aber darauf hin, dass in Luxemburg keine entsprechenden Fälle bekannt geworden sind.
Ansonsten sei es bei der Mehrzahl der nicht schwerwiegenden Wirkungen zu grippeähnlichen Symptomen gekommen – mit Gelenk- und Muskelschmerzen, die von den geimpften Personen „stark betont werden“, wie es heißt. Unklar ist, ob die Schmerzen tatsächlich entsprechend stark waren: Der Effekt ist naheliegend und bekannt, dass Schmerzen umso stärker wahrgenommen werden, wenn man sie beobachten soll und sich darauf konzentriert – und gerade die Nachrichten rund um „Vaxzevria“ könnten eine entsprechende „Nebenwirkung“ haben.
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