Auftakt Impfkampagne / Reportage: Schüler wollen mehr Freiheiten durch Impfung
Fast unbemerkt ist die Impfkampagne des Bildungsministeriums an Luxemburgs Lyzeen angelaufen. Am Montag waren die Schüler aus sechs Bildungseinrichtungen an der Reihe. Das Tageblatt hat den Auftakt im „Atert-Lycée“ in Redingen begleitet. Dort haben 70 Schüler und drei Lehrkräfte ihr Vakzin erhalten. Eine Reportage.
Mitten in der Turnhalle des „Atert-Lycée“ in Redingen stehen vier Zelte, zwei orangefarbene und zwei weiße. Hier hat sich das mobile Impfteam eingerichtet: eine Ärztin, drei Krankenpfleger und ein Notfallsanitäter. Letzterer muss eingreifen, falls ein Schüler nicht gut auf die Impfung reagieren sollte. Links und rechts der Zelte sind ein paar Dutzend Stühle in mehreren Reihen aufgestellt. Links sitzen die Schüler und warten, bis sie an der Reihe sind. Rechts ist die „Salle de repos“, wo die frisch Geimpften 15 Minuten Platz nehmen sollen, um sich auszuruhen. Jeder Schüler muss vor der Spritze eine unterschriebene Einwilligungsbescheinigung und seinen Ausweis vorzeigen. Die ganzen Regelungen wurden von der „Santé“ vorgegeben. Als Impfstoff kommt das mRNA-Vakzin von Biontech/Pfizer zum Einsatz.
Ich muss mich nun impfen lassen, weil ich sonst den Beruf, den ich anstrebe, nicht ausüben darfSchüler am Atert-Lycée
Jordy ist volljährig. Er sitzt im Wartebereich vor dem Zelt und wartet darauf, dass er zur Impfung hineingerufen wird. In seiner Hand hält er die Einwilligungsbescheinigung. Er ist sich noch immer nicht sicher mit der Impfung. „Ich muss mich nun impfen lassen, weil ich sonst den Beruf, den ich anstrebe, nicht ausüben darf“, sagt er. Jordan möchte als „Auxiliaire de vie“ in einem Altersheim arbeiten und muss dazu ein Praktikum absolvieren. Ohne Impfung ist dies allerdings nicht möglich, sagt er. „Sie wollten mich nicht annehmen.“ Jordy hat bislang noch keinen Arbeitgeber gefunden, bei dem er eine Lehre machen kann. „Deshalb absolviere ich Praktika, bis ich einen ‚Patron‘ finde.“ Der Schüler macht sich Sorgen über langfristige Nebenwirkungen, die durch die Impfung eintreten könnten. „Ich weiß ja nicht, was in dem Mittel drin ist.“ Dennoch ist Jordy der Meinung, dass diese Kampagne die Impfquote anheben könnte. Er glaubt allerdings nicht, dass die meisten Leute sich impfen lassen, weil sie das gut finden, sondern eher, weil sie sich wegen ihrer Arbeit dazu gezwungen sehen.
Insgesamt 1.911 Schüler nehmen laut Bildungsministerium an der Impfkampagne an Luxemburgs Lyzeen teil. Zum Auftakt am Montag waren mobile Impfteams auch im „Lycée du Nord“ in Wiltz sowie im „Lycée Edward Steichen“ in Clerf im Einsatz. Zudem wurden Schüler aus den drei hauptstädtischen Lyzeen „Robert Schuman“, „Lycée de garçons“ und „Michel Lucius“ ins Impfzentrum nach Limpertsberg befördert. Die Impfkampagne in den Lyzeen läuft bis zum 29. Oktober. Genau vier Wochen später bekommen die jeweiligen Schüler ihre zweite Impfung.
Impfungen für 70 Schüler und drei Lehrkräfte
Im „Atert-Lycée“ wird am Montag von 9 bis 12 Uhr geimpft. Die 70 Schüler und drei Lehrkräfte, die an diesem Morgen ihr Vakzin erhalten, wurden alphabetisch in drei Gruppen eingeteilt. Jeff Kohnen, Direktor des „Atert-Lycée“, sagt, dass ein Maximum von 200 Schülern pro Lyzeum und pro Tag vorgesehen ist. Da man mit 70 angemeldeten Schülern diese Quote nicht erreicht habe, konnte man das Vakzin auch impfwilligen Lehrkräften anbieten. Drei von ihnen haben sich daraufhin gemeldet.
Ich wollte mich zuerst nicht impfen lassen7e-Schülerin
Lena hat bei der Impfung gezögert. Die Schülerin einer 7e „général“ sagt: „Ich wollte mich zuerst nicht impfen lassen.“ Doch dann habe sie sich von ihren Freunden überzeugen lassen, die bereits geimpft sind. Mit der Impfung möchte sie einerseits vulnerable Menschen und andererseits sich selber schützen. Vor eventuellen Nebenwirkungen hat Lena keine Angst.
Wenn man ins Kino oder ins Restaurant gehen möchte, dann ist es einfacher mit einer Impfung2e-Schüler
Jordan ist auf 2e „général“. Er ist froh, dass er nun seine Impfung bekommt. Er findet es eine gute Idee, dass dies nun in der Schule angeboten wird. „Dann braucht man nicht weit zu fahren, um ein Vakzin zu bekommen.“ Jordan hat sich für die Impfung entschieden, weil er dadurch an mehr Aktivitäten teilnehmen kann. „Wenn man ins Kino oder ins Restaurant gehen möchte, dann ist es einfacher mit einer Impfung.“ Er hat keine Angst vor Nebenwirkungen und schätzt die Impfung als ungefährlich ein. In seiner Klasse sind fast alle Schüler geimpft, sagt er. „Die noch Ungeimpften werden sich heute alle impfen lassen.“
70 Schüler entspricht etwa fünf Prozent der gesamten Schülerschaft des „Atert-Lycée“. „Das mag nach wenig klingen, aber viele sind bereits geimpft“, sagt Direktor Jeff Kohnen. Wie viele das Vakzin schon erhalten haben, kann er nicht genau sagen. Aus Gesprächen zwischen Lehrkräften und Schülern schätzt er aber, dass die Impfquote bei 70 bis 75 Prozent liegt. „Diese Aktion macht auf jeden Fall Sinn.“ Um in der allgemeinen Bevölkerung eine Impfquote von 85 Prozent zu erreichen, seien solche Kampagnen unerlässlich.
Laut Bildungsministerium lag die Impfquote bei den Lehrern Anfang Oktober bei 90 und bei den Schülern bei 55 Prozent. Direktor Kohnen nimmt an, dass sich bei der Impfkampagne insgesamt weniger Schüler aus dem „Enseignement classique“ anmelden werden. Denn diese würden Schätzungen zufolge zu diesem Zeitpunkt bereits eine höhere Impfquote aufweisen. Im „Atert-Lycée“, das sowohl einen „Enseignement classique“ als auch einen „Enseignement technique“ sowie „Préparatoire“-Klassen anbietet, sei die Impfbereitschaft allerdings ausgewogen.
Als ich vom Lyzeum die Unterlagen für die Impfung bekam, habe ich sofort die Möglichkeit ergriffen6e-Schüler
Lorenzo besucht eine 6e „général“ und wollte sich eigentlich von Anfang an impfen lassen. Nur sei er bislang noch nicht dazu gekommen. Im Sommer sei er im Urlaub gewesen. „Als ich vom Lyzeum die Unterlagen für die Impfung bekam, habe ich sofort die Möglichkeit ergriffen“, sagt er. In erster Linie lässt er sich impfen, damit er wieder ohne Aufwand an Freizeitaktivitäten teilhaben oder Restaurants besuchen kann. Wichtig ist ihm aber auch, dass er seine Großeltern, obwohl diese geimpft sind, beim Besuch nicht anstecken kann. „Ich hoffe, dass sich jeder impfen lässt, denn die Infektionszahlen sind noch ziemlich hoch“, sagt er. Auch in Lorenzos Klasse sind fast alle Schüler geimpft. Er gehört zu den wenigen, die es noch nicht sind.
Im Allgemeinen scheint es den Schülern um die Rückgewinnung ihrer Freizeit zu gehen. Direktor Jeff Kohnen sieht das gelassen. „Man muss sich in die jungen Menschen hineinversetzen“, sagt er. „Ich hätte wahrscheinlich mit 17 Jahren auch so gedacht.“ Und wenn ein positiver Fall in der Schule auftauche, spiele es eine Rolle, ob man geimpft sei oder nicht, fügt er hinzu. Dennoch ist er sich sicher, dass sich viele Schüler aus Überzeugung impfen lassen. Manche hätten eben länger als andere gewartet.
Weil wir die erste Schule waren, war es sportlichDirektor „Atert-Lycée“
Hatten die Lyzeen eigentlich genug Vorbereitungszeit zum Ausführen der Impfkampagne? „Weil wir die erste Schule waren, war es sportlich“, sagt Kohnen. Vor zehn Tagen habe er die Details zum genauen Ablauf der Kampagne erfahren. Die erforderlichen Unterlagen mitsamt Informationsmaterial habe sein Lyzeum vor einer guten Woche an die Schüler verteilt. Diese hatten anschließend übers Wochenende sowie an zwei weiteren Tagen Zeit, sich anzumelden. „Es war machbar“, sagt er. Schulen, die erst im späteren Verlauf der Kampagne an die Reihe kommen, steht seiner Meinung nach mehr Zeit zur Verfügung. Und vielleicht könne dies zu einer höheren Quote bei den Anmeldungen führen, sagt er.
In den Tagen vor der Impfkampagne habe es laut Direktor Kohnen ein paar Infektionsfälle gegeben. Aus Gesprächen mit den Eltern könne er ableiten, dass diese Schüler noch nicht geimpft waren. Genau ein Jahr zuvor sei das „Atert-Lycée“ an seine Grenzen gestoßen, so Kohnen. „Vor den Allerheiligenferien hatten wir viele positive Fälle, darunter auch viele Lehrkräfte, die ausfielen.“ Dies habe Auswirkungen auf die Organisation in der Schule gehabt, sagt er. Nun sieht Kohnen dem Infektionsgeschehen gelassen entgegen. „Ich bin jetzt beruhigt, dass wir diesen Winter schaffen werden, ohne dass die Schule an ihre Grenzen kommt.“
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