/ Residenzen statt Paläste: Der 1863 gegründete Anstreicherbetrieb Regenwetter im Porträt
Als Nicolas Regenwetter im Jahr 1863 nahe Rodemack einen Anstreicherbetrieb gründete, konnte er nicht ahnen, dass dieser mehr als anderthalb Jahrhunderte lang bestehen und gar den Titel eines Hoflieferanten erlangen sollte. Heute ist seine Ururenkelin Véronique Regenwetter Betriebschefin. In einem immer schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld hat sie es erreicht, dass das Unternehmen auch nach ihr weiterbestehen wird.
Noch ist es nicht so weit. Bis mindestens Ende 2023 möchte Véronique Regenwetter den Betrieb, den ihr Ururgroßvater einst gründete, leiten. „Dann bin ich 60 und werde in Rente gehen“, sagt die ebenso energische wie symphatische Frau, um schließlich ein „Oder vielleicht doch noch nicht …“ anzuhängen. Müde sei sie, vor allem die immer zunehmenden administrativen Hürden würden ihr das Leben schwer machen. „Dann denke ich manchmal, ich wünsche mir nur noch, meine Ruhe zu haben!“ Doch ob sie in rund viereinhalb Jahren wirklich – im übertragenen Sinne – den Pinsel niederlegt, steht noch nicht fest: „Ich liebe meine Arbeit einfach zu sehr!“ Auf jeden Fall, und darauf ist die Unternehmenschefin stolz, wird die Firma auch nach ihrem Abgang unter dem Namen Regenwetter bestehen bleiben. Selbst wenn sich keine ihrer beiden Töchter dazu entscheiden sollte, in die Fußstapfen der Mutter zu treten, ist die Nachfolge bereits gesichert.
Seit vielen Jahrzehnten darf sich der in der rue de Bragance in Luxemburg-Stadt ansässige Betrieb mit dem Titel „Fournisseur de la Cour“ schmücken. „Auch wenn wir schon seit langem keinen Auftrag mehr vom großherzoglichen Hof erhielten – die Konkurrenz ist groß –, bedeutet der Titel dennoch eine Ehre für uns.“ Aber einmal der Reihe nach! Wir schreiben das Jahr 1863: Der Erfinder James L. Plimpton erhält ein Patent auf den Rollschuh, die erste Rollen-Rotations-Druckmaschine wird in den USA patentiert, in Paris wird Le Petit Journal geboren, in Luxemburg die UGDA („Union du Grand-Duc Adolphe“) gegründet und nahe Rodemack, jenem mittelalterlichen Örtchen unweit der Grenze zum Großherzogtum, lässt sich Nicolas Regenwetter mit seinem Anstreicherbetrieb nieder.
„Damals arbeiteten wir vor allem für die Schmelzbetriebe in Lothringen“, erklärt Véronique Regenwetter die Tatsache, dass die erste Niederlassung der Firma nicht in Luxemburg selbst lag.
Umzug und Hotels
Der Sohn von Nicolas, Pierre Regenwetter senior, übernahm den väterlichen Betrieb und dessen Sohn wiederum, Pierre Regenwetter junior, 1900 geboren, verlegte den Firmensitz im Jahr 1924 in die Hauptstadt und ließ hierzu an der Ecke rue Zitha/rue Goethe ein repräsentatives Wohn- und Geschäftshaus errichten, das nach wie vor noch existiert. „Heute befinden sich in dem Gebäude mehrere Anwaltskanzleien und unser Firmensitz liegt in der rue de Bragance“, betont die Ururenkelin des Gründers. Mitte der 1960er-Jahre übernahm schließlich ihr Vater Georges die Firma.
1983 wurde aus dem Familienunternehmen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung: „Regenwetter & Fils, succ. Georges Regenwetter s.à.r.l.“ „Unter der Leitung meines Vaters führten wir eine ganze Reihe großer Baustellen aus“, erzählt Véronique Regenwetter. „So etwa Mitte der 1980er-Jahre das Hotel Royal in der Hauptstadt oder auch das Hotel Interconti in Dommeldingen. Und wir arbeiteten zu dieser Zeit sehr viel für die Firma Giorgetti.“
Wenig später begann die Berufskarriere von Véronique Regenwetter im väterlichen Betrieb. Eigentlich unvorhergesehen. Denn ursprünglich hatte sie das nicht vorgehabt (siehe „Zur Person“). Doch nach ihrem Studienabschluss an einer Schweizer Hotelschule erschien ihr die Arbeit im Familienunternehmen dennoch reizvoll: „Also fing ich am 12. Januar 1987 an, hier zu arbeiten, machte zunächst die Gesellen-, dann schließlich Anfang der 1990er-Jahre die Meisterprüfung. Damals zählte unser Betrieb 42 Mitarbeiter.“
Renovierung des Palastes
Zu den ersten großen Arbeiten, an denen sie beteiligt war, zählte 1994 die Renovierung des großherzoglichen Palastes. Weitere imposante Baustellen, auf denen die Firma Regenwetter in dieser Zeit im Einsatz war, befanden sich auf Kirchberg: unter anderem in der Philharmonie, diversen Büro- und Bankgebäuden. „Wir hatten immer eine ausgewogene Kundschaft, die sich aus Institutionen und Privatpersonen zusammensetzt.“
Aber diese goldenen Zeiten gingen irgendwann zu Ende. „Als ich den Betrieb meines Vaters im Jahr 2000 übernahm, beschäftigten wir rund 130 Personen. Doch leider musste ich ein sehr striktes Restrukturierungsprogramm umsetzen und den Personalbestand stark reduzieren.“
Derzeit arbeiten rund 35 Menschen in der Luxemburger Traditionsfirma. „Wir sind jedoch dabei, den Personalbestand wieder aufzustocken, obwohl dies sehr schwierig ist“, sagt Véronique Regenwetter, „denn es ist fast unmöglich geworden, gute Handwerker zu finden.“ Die Kundschaft hat sich inzwischen gewandelt. Statt Palästen sind es heute Residenzen, in denen die Maler zum Einsatz kommen. „Wir arbeiten viel mit Promotoren zusammen und führen ebenfalls wesentlich mehr kleinere Arbeiten bei Privatpersonen durch, als dies vor der Jahrtausendwende der Fall war.“ Vom großherzoglichen Hofe indes kämen seit langen Jahren leider keine Aufträge mehr, bedauert die Firmenleiterin. Doch glücklicherweise sei man darauf nicht angewiesen.
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