Chamber / Resilienz in aller Munde: Das Parlament debattiert über die Wehrpflicht – und das, obwohl sie niemand will
Die Abgeordneten reden am Mittwoch über die Sicherheitslage in Europa, die luxemburgischen Kapazitäten im Katastrophenschutz oder über die Militarisierung der Gesellschaft. Die Wehrpflicht ist schnell abgehandelt. Doch umsonst war der Tagesordnungspunkt nicht.
In der Politik ist es sinnvoll, sicher geglaubten Konsens hin und wieder zu überprüfen. Insbesondere, wenn die zuständige Ministerin eine Debatte über jenen Konsens erwartet. Das sagte Yuriko Backes (DP) zumindest im Interview mit dem Luxemburger Wort im Sommer 2024. Der Aufhänger war die öffentliche Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland. Dort bestimmte zu diesem Zeitpunkt das bekannte Sommerloch die Nachrichtenlage. Für Oppositionspolitiker immer eine Chance, alte Themen aufzuwärmen und die politische Stimmung zu testen. Dabei ist eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland praktisch unmöglich. Die Kosten für den Wiederaufbau der Infrastruktur alleine würden den Wehretat sprengen. Warum also erwartet die luxemburgische Verteidigungsministerin eine solche Debatte in Luxemburg?
Einstimmig gegen die Wehrpflicht
Verteidigungsministerin Backes weiß es am Mittwoch in der Chamber selbst nicht so genau. „Die Wehrpflicht ist keine Lösung für Luxemburg“, sagt sie. Doch für welches Problem eigentlich? Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine habe sich die Sicherheitslage massiv verschlechtert, referiert der CSV-Abgeordnete Alex Donnersbach. Für eine Wehrpflicht verfüge man jedoch weder über die nötige Infrastruktur, noch wolle die CSV Leute zum Wehrdienst verpflichten. Dennoch: „Wir müssen die Gesellschaft als Ganzes resilienter machen, um Diktatoren wie Putin entschlossen entgegenzutreten.“
Der Begriff der Resilienz wird in der Parlamentsdebatte zum Lieblingswort der Fraktionsredner der Koalition aus CSV und DP. Der liberale Abgeordnete Guy Arendt spricht sich für den Aufbau einer Reservisteneinheit aus, welche die Armee im Kriegsfall unterstützen und die Resilienz der Gesellschaft verbessern könne. Zudem solle die Armee attraktiver gemacht und die Ehrbarkeit des Soldatenberufs hervorgehoben werden. „Resilienz“ bedeutet in diesem Sinne eine stärkere Repräsentation des Militärs in der Öffentlichkeit.
Liz Braz (LSAP) hält von der Wehrpflicht ebenfalls nichts. Jedoch könne man Luxemburger im Rahmen eines freiwilligen Gemeinschaftsdienstes in Schlüsselqualifikationen ausbilden, die sowohl in Kriegs- als auch Friedenszeiten nützlich seien, beispielsweise im sozialen Bereich oder dem Umweltschutz. Durch „Skillmapping“ könne der Staat einen Überblick über die Fähigkeiten der Bürger erlangen und sie besser einsetzen. Resilienz, so Braz, bedeute viel mehr als militärische Verteidigung. Es sei die Fähigkeit einer Gesellschaft, sich anzupassen und gleichzeitig widerstandsfähig gegen Bedrohungen zu sein.
Aufrüstung alternativlos
In den Augen der Regierung beschränkt sich Resilienz hingegen auf das Militärische. Zum Aufbau des belgisch-luxemburgischen Bataillons, so Alex Donnersbach, müsse man über 200 Soldaten rekrutieren. Dafür hat die Chamber bereits im November gepanzerte Fahrzeuge aus Frankreich bestellt — für eine Rekordsumme von 2,6 Milliarden Euro. Die gelernte Diplomatin Yuriko Backes versucht, das Framing der Aufrüstungspolitik zu lenken. „Ich würde das Geld lieber für zivile Sachen ausgeben, aber leider ist das nicht die Realität, in der wir leben“, erklärt sie.
Diese Alternativlosigkeit bereitet Marc Baum („déi Lénk“) Sorgen. Der Abgeordnete warnt vor einer militaristischen Gesellschaft, „die sich kollektiv an der Waffe ausbildet und sich kollektiv militärische Konflikte vorbehält“. Eine Gesellschaft, so Baum, die Gewalt als legitimes Mittel ansieht und friedliche Konfliktlösungen riskiert. Das Letzte, was junge Menschen angesichts der Unsicherheit, mit der sie in die Zukunft schauen, brauchten, sei ein Jahr damit zu verlieren, durch den Schlamm zu robben.
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