Standpunkt / Robert Goebbels über Fernand Kartheiser: Jodeln auf „Lëtzebuergesch“, und keiner hört zu
Der neue EP-Abgeordnete Fernand Kartheiser übte sich in „Hurra-Nationalismus“. Er wollte im Europäischen Parlament „Lëtzebuergesch“ reden, wurde jedoch nach dem ersten Satz vom amtierenden Parlamentspräsidenten unterbrochen. Luxemburgisch sei keine Amtssprache, könnte also nicht in die anderen Sprachen übersetzt werden. Der sprachgewandte Herr Kartheiser sprach daraufhin auf Englisch von „Diskriminierung“. Hatte aber sein Ziel erreicht. Alle nationalen Medien berichteten über den Versuch des ADR-Helden, als „Sproochmates“ den Rest von Europa auf Luxemburgisch zu berieseln.
Die Europäische Union würde mit Sicherheit „Lëtzebuergesch“ als Amtssprache akzeptieren. Immerhin wurde dem Wunsch der Iren entsprochen, auf „Gaelic“ reden zu dürfen. Oder Malta, das bei seinem Beitritt darauf bestand, neben Englisch „Maltesisch“ als zweite Amtssprache einzuführen.
Der Rest von Europa hatte kein Problem mit solchen Forderungen. Die Kosten tragen ohnehin Irland und Malta. Die Irländer verzichteten darauf, die europäische Gesetzgebung auf Gälisch zu übersetzen. Die meisten Irländer sprechen ohnehin Englisch, die meisten Malteser ebenfalls. Malta versuchte anfänglich, den „Acquis communautaire“, also die über 100.000 Seiten europäische Regelwerke auf Maltesisch zu übersetzen, fand aber schnell heraus, dass der Aufwand sich nicht lohnte. Was würde es bringen, europäische Direktiven auf Luxemburgisch zu übersetzen? Herr Kartheiser sollte es versuchen!
15 Jahre Tätigkeit im Europäischen Parlament haben mich gelehrt, dass es sinnlos wäre, „Lëtzebuergesch“ als Amtssprache einzuführen. Diese könnte höchstens im Plenum eingesetzt werden. Die kleineren Sprachen der Union werden in den Ausschüssen, wo der wichtigste Teil der gesetzgeberischen Arbeit stattfindet, nicht übersetzt. Und die allerwichtigsten Verhandlungen, der Trilogue zwischen Rat, Parlament und Kommission, finden ohnehin auf Englisch statt. Selbst unter einem französischen Vorsitz der EU.
Ein Abgeordneter, der will, dass ihm auch zugehört wird, hat Interesse daran, sich in den wichtigsten Amtssprachen auszudrücken: Deutsch, Französisch, vor allem Englisch. Viele Abgeordnete – Dänen, Schweden, Finnländer, auch Griechen, Zyprioten, Slowenen oder Tschechen – adressieren sich zuerst in ihrer Heimatsprache an den Präsidenten, um dann sofort auf (meistens) Englisch zu wechseln. Zwar gibt es im Plenarsaal theoretisch Simultanübersetzungen in allen 24 Amtssprachen, doch sind Übersetzungen beispielsweise aus dem Ungarischen ins Finnische oder Portugiesische so jämmerlich, dass die meisten Abgeordneten, wenn sie überhaupt ihre Kopfhörer aufsetzen, lieber direkt die Übersetzungen ins Englische oder Französische hören. Da kein Dolmetscher alle Sprachen beherrscht, muss in den meisten Kabinen eine Übersetzung über einen „Pivot“ stattfinden. Das heißt, wenn ein Kroate Kroatisch redet, gibt es in den anderen Kabinen vielleicht ein oder zwei Dolmetscher, die überhaupt „Kroatisch“ verstehen. Die anderen Dolmetscher hören sich dann deren Simultanübersetzung in einer ihnen geläufigen Sprache an, meistens Englisch, Französisch, Deutsch oder Spanisch, wobei über drei Etappen viel Substanz verloren geht.
Herr Kartheiser mag noch so schön auf „Lëtzebuergesch“ jodeln, er würde bestenfalls zeitverzögert und schlecht übersetzt. Und niemand würde ihm zuhören. Was wahrscheinlich ein Gewinn für die europäische Idee wäre.
* Der Autor Robert Goebbels war EP-Mitglied von 1999 bis 2014.
- Polizei meldet Sprengung eines Geldautomaten in Reisdorf - 17. Januar 2025.
- Nach Autopsie: Ministerin Hansen gibt weitere Details zu Todesursache - 17. Januar 2025.
- Navid Kermani: „Die großen Probleme unserer Zeit lassen sich nicht national lösen“ - 16. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos