/ Rot-weiß-blaue Luftballons – Vicky Wagner leitet seit 43 Jahren die Brasserie Montpellier
Die Brasserie Montpellier wirkt wie aus der Zeit gefallen. Sie liegt in der gleichnamigen Straße etwas abgelegen im Viertel Lallingen. Seit 1976 pflegt Vicky Wagner dort einen herrlich unkomplizierten Umgang mit ihren Kunden. Die bedanken sich mit reger Präsenz am Tresen. Im August werden sie belohnt. Dann soll im Hinterhof der neue Biergarten eröffnet werden.
Von Marco Goetz
Später Dienstagnachmittag im Viertel Lallingen, in einer Straße, durch die man nicht unbedingt täglich durchfährt. Die ockergelbe Fassade glänzt im Sonnenlicht. „De roude Léiw“ hängt schlapp an der Fahnenstange. Es ist schwülwarm. Auf der Terrasse sind die meisten Tische frei, denn im Innern des Wirtshauses ist es besser. Ein Ventilator sorgt für frische Luft. Rot-weiße-blaue Luftballons schweben überm Tresen – wie eine langsam schrumpfende Erinnerung an Nationalfeiertag.
Das Telefon klingelt. Vicky Wagner, die Wirtin, hebt ab: „Hallo, Montpellier hier“, meldet sie sich. Klingt irgendwie lustig. Mit der südfranzösischen Stadt hat die Brasserie eigentlich nichts zu tun. Das Café trägt den Namen der Straße, in der es sich befindet: die rue Montpellier. Und die wiederum soll daran erinnern, dass Montpellier zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Ziel geflüchteter Luxemburger gewesen ist.
Tarzans Kneipe
An Charme fehlt es dem Café nicht. Das liegt nicht zuletzt an der umtriebigen Wirtsfrau. 1950 in Beles geboren, übernimmt sie das Lokal im Jahr 1976. Es sei der Wunsch ihres Ex-Mannes ge wesen, der unter dem Namen „Tarzan“ eine in ganz Esch bekannte Persönlichkeit war.
Mit 43 Jahren Dienst am Tresen ist Vicky die dienstälteste Wirtsfrau in Esch – wenn nicht sogar des Landes. Vor ihr waren drei andere Wirte in dem 1926 gebauten Haus, das, wie damals üblich, als „Café-Epicerie“ geschaffen wurde. Die edel anmutenden Eingangstüren aus Holz und Glas zeugen noch von dieser Zeit.
Aus dem Raum mit der „Epicerie“ wurde später der Speisesaal der Brasserie. Seit dem 1. Juni dieses Jahres gibt es keine Tagesmenüs mehr: „Zu viel Aufwand“, sagt Vicky, die aber gleich hinzufügt: „Bei mir muss keiner hungrig nach Hause gehen.“ Kleinigkeiten zum Essen gäbe es immer. „Und wer sich zeitig anmeldet, bekommt auch mehr aufgetischt.“ Eine leckere Spaghetti bolo à la Vicky zum Beispiel.
Tennis, Handball, Judo, Fußball
Im Fernseher läuft Wimbledon. Am Telefon unterhält sich Vicky mit jemandem über das Spiel. Sport habe sie schon immer interessiert, sagt sie. 25 Jahre lang ist sie Vorstandsmitglied im damaligen Handball Fola Esch gewesen. Am Escher Judoclub hängt sie heute noch. Fußball mag sie auch. Den FC Köln ganz besonders, was unschwer am Dekor der Brasserie zu erkennen ist: „Wer nichts von Fußball kennt, hält zum FC Bayern“, sagt Vicky schmunzelnd.
Fränz, ein Stammkunde, erzählt von Fußballspielen, die von Vicky organisiert wurden. Wirtshausmannschaften, die gegen einander antraten, habe es früher viele gegeben. Zum Beispiel „Die Comptoiresbraddler“ gegen den „FC Brasserie Montpellier“.
Wenn es darum ging, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam etwas zu unternehmen, war Vicky nie verlegen. So hat sie auch Reisen für ihre Stammkunden organisiert. Mit dem Bus in die Camargue zum Beispiel oder mit dem Flieger nach Mallorca. Vergangene Woche hat sie einen Bus gemietet, um mit der Stammkundschaft die Brauerei „Bofferdingen“ zu besichtigen: „Ein heiterer Ausflug!“
Zukunft im Biergarten
Als Wirtsfrau wurde Vicky übrigens nur ein einziges Mal polizeilich verwarnt. 1976, drei Monate nach der Übernahme des Cafés. Der Grund: „Ich hatte zu früh geöffnet“, sagt sie lachend. Sie erzählt von „ordentlich Ramba-Zamba im Café“, von Partys, an Silvester zum Beispiel oder zum Geburtstag eines Stammkunden und davon, dass sich die Nachbarn nie beschwert hätten.
Heute lässt Vicky es etwas ruhiger angehen. Eine Putzfrau brauche sie aber immer noch nicht. Am Sonntag wird nach dem Frühshopping geschlossen. Montags ist Ruhetag. Ansonsten läuft der Betrieb, mit Ausnahme von zwei Wochen Ferien im August, von morgens 10 bis nachts 1 Uhr. Ab und an helfen Vickys Kinder.
In den Abendstunden lässt es sich gemütlich auf der Terrasse vor dem Café aushalten. Wenn sich nicht gerade zwei Autofahrer auf der Rennstrecke wähnen, hält sich der Verkehr in bescheidenen Grenzen.
Bald schon sollen die Gäste es sich auch im Hinterhof der Brasserie bequem machen können. Dort lassen Vicky und ihr Lebenspartner Carlo einen Bier garten anlegen. Noch sind einige Arbeiten zu erledigen, aber im August soll es so weit sein. Rechtzeitig zu Vickys 69. Geburtstag.
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