Mirza Mustafic / Rückkehr eines verlorenen Sohnes
Mirza Mustafic galt als der neue Miralem Pjanic und wurde als Teenager von vielen europäischen Spitzenvereinen gejagt. Seit Sommer 2019 steht der 21-Jährige beim grenznahen deutschen Regionalligisten SV Elversberg unter Vertrag. Nach ein paar Jahren mit der bosnischen Jugendnationalmannschaft will der technisch versierte Mittelfeldspieler in Zukunft wieder das Trikot der „Roten Löwen“ tragen.
Mirza Mustafic wurde das Fußballspielen in die Wiege gelegt. Vater Sakib spielte im ehemaligen Jugoslawien und heutigen Bosnien-Herzegowina für FK Drina Zvornik. Wie es der Zufall wollte und der Balkankrieg Anfang der 90er-Jahre es später erzwang, wanderte die Familie Mustafic nach Luxemburg aus und Sakib traf dort auf seinen ehemaligen Teamkollegen Fahrudin Pjanic. Wie der Vater von Juventus-Star Miralem Pjanic, förderte auch Sakib Mustafic seinen Nachwuchs von Kindesbeinen an. „Ich war fast täglich mit meinem Vater draußen. Er hat mir alles beigebracht. Ihm verdanke ich mein Riesentalent“, sagt Mirza Mustafic heute über die Zeit in Bonneweg.
Nur kurz schnürte der kleine Techniker die Schuhe für den haupstädtischen Racing. Bereits mit acht Jahren wechselte er zum FC Metz. Dreimal die Woche fuhr er mit seinem Vater zum Training. Mit zwölf zog er ins Internat der „Grenats“ ein. Der Knirps galt als außergewöhnlich talentiert und wurde früher in die Fußballschule eingezogen, als es eigentlich vorgesehen ist. Während andere Kinder in diesem Alter noch davon träumen, Polizist, Feuerwehrmann oder Pilot zu werden, war für Mirza Mustafic der Berufswunsch klar. „Ich wusste von Anfang an, dass mein Leben aus Fußball bestehen wird. Es gab keinen anderen Weg“, sagt der mittlerweile 21-Jährige.
Früh lernte er auch Miralem Pjanic kennen. Als Mirza ins Metzer Internat zog, stand sein Vorbild bereits bei Olympique Lyon unter Vertrag. In Lothringen, aber auch in Luxemburg war man auf der Suche nach einem neuen Wunderkind und fand es in Mustafic. „Wir sind zu Beginn unserer Karriere einen ähnlichen Weg gegangen, haben denselben Ursprung und einen ähnlichen Spielstil. Die Vergleiche haben mich nie belastet, sie waren immer gut für das Selbstvertrauen“, sagt Mustafic.
Wie Pjanic entschied sich auch Mustafic, Luxemburg hinter sich zu lassen und für Bosnien-Herzegowina aufzulaufen. 2014 trat der offensive Mittelfeldspieler ein letztes Mal für die FLF-Auswahl an. Den gleichen Weg schlugen seine damaligen luxemburgischen Teamkollegen Emir Bijelic (Bosnien-Herzegowina, heute: UT Petingen) und Belmin Muratovic (Montenegro, heute: Progrès Niederkorn) ein. „Bosnien hat mich immer gereizt und die Chancen, sich einmal für eine Welt- oder Europameisterschaft zu qualifizieren, waren einfach größer.“ Eine Rolle bei der Entscheidung spielte auch sein Vater: „Die Familie hatte Einfluss auf diese Entscheidung. Das Herz meines Vaters schlägt noch immer für Bosnien. Aber es hätte auch anders laufen können, denn für mich ist Luxemburg meine Heimat. Ich bin hier aufgewachsen.“
Kurz vor seinem Debüt für die Balkan-Republik folgte der Umzug nach Deutschland. Die Ambition, sich stetig weiter zu verbessern, führte 2014 zum Wechsel vom FC Metz zu Borussia Mönchengladbach. Neben den „Fohlen“ wollten Bayer Leverkusen, Arsenal London, 1899 Hoffenheim und der 1. FC Köln den damals 15-Jährigen verpflichten. „Metz wollte mir einen Profivertrag anbieten, aber ich wollte eine größere Herausforderung. Die Bundesliga hat mich schon immer gereizt und ich war damals überzeugt, dass ich mich überall hätte durchsetzen können. Ich habe mich damals für Mönchengladbach entschieden, weil der Verein vielen Nachwuchsspielern eine Chance gab“, erklärt der Rechtsfuß seine Entscheidung.
Es war der zweite Umzug innerhalb von drei Jahren. Anpassungsschwierigkeiten hatte der kleine Junge aus Bonneweg jedoch nicht: „Es war am Anfang nicht einfach in der Schule und die Noten waren auch nicht die besten, aber das hat sich schnell geändert. Ich hatte das Glück, dass ich bereits Deutsch sprach und habe mich relativ schnell an mein neues Leben gewöhnt.“ In Gladbach kam er zunächst bei den B- und A-Junioren zum Einsatz. In der Saison 2017/18 wurde er mit 19 Jahren in die U23-Mannschaft befördert und war fortan Stammspieler in der Regionalliga West.
Bereits Ende 2016 schnupperte er erstmals Trainingsluft bei den Profis. Cheftrainer war damals André Schubert. „Ich hatte ein gutes Gefühl und war überzeugt davon, dass ich meine Chance erhalten würde“, sagt Mustafic. Kurz darauf wurde Schubert gefeuert und durch Dieter Hecking ersetzt. „Das war ein ausschlaggebender Moment. Die Situation veränderte sich und ich durfte nicht mehr oft bei den Profis mittrainieren. Jeder im Verein hat mich gepusht und ich habe mich auch weiterentwickelt. Leider hatte ich das Pech, dass der Trainer nicht auf mich gesetzt hat“, blickt Mustafic zurück. Der versierte Techniker wollte Mönchengladbach jedoch nicht verlassen – auch als 2019 der portugiesische Spitzenklub Benfica Lissabon um ihn buhlte: „Ich wollte nicht noch einmal den Verein wechseln und war felsenfest davon überzeugt, mich in Mönchengladbach durchsetzen zu können.“
Den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft schaffte er nicht und so entschied sich Mustafic schlussendlich doch zu einem Wechsel. Im vergangenen Sommer scheiterte ein Wechsel zum niederländischen Erstligisten Heracles Almelo, weil der Trainer des Eredivisie-Vereins einen erfahrenen Spieler auf der Spielmacher-Position verpflichten wollte. Viele Optionen hatte der junge Mittelfeldspieler danach nicht. Über zwei ehemalige Gladbacher kam der Wechsel zum ambitionierten saarländischen Regionalligisten SV Elversberg zustande. Der heutige Dortmunder Co-Trainer Manfred Stefes empfahl SVE-Trainer Horst Steffen das Talent. „Wir hatten ein gutes Gespräch und es war wichtig, dass mein neuer Trainer und der Verein wussten, welcher Spielertyp ich bin“, sagt Mustafic über das Gespräch mit dem ehemaligen Gladbacher U19-Trainer. In Elversberg zählte Mustafic unter Steffen in der Rückrunde nicht immer zum Stammpersonal. Das lag unter anderem auch an einer Schulterverletzung. Wie in Mönchengladbach hat der Zehner auch in Elversberg nicht die nötigen Tore und Assists vorzuweisen, die ein Spieler auf seiner Position haben muss. „Das war ein Grund, warum ich mich bisher nicht durchgesetzt habe. Technisch war ich immer sehr stark, aber meine Statistik war nie gut. Und das ist Vereinen eben wichtig.“
Offenbar hat die Annäherung an Luxemburg Mustafic in den vergangenen Wochen aber gutgetan. In den Testspielen gegen die Fola und den F91 Düdelingen traf er jeweils zweimal. Und auch bei der FLF-Auswahl ist er wieder im Gespräch. Spielerberater Sven Zahles stellte den Kontakt zwischen dem „verlorenen Sohn“ und Manuel Cardoni her. Der U21-Nationaltrainer berief Mustafic daraufhin für die Länderspiele gegen Italien und Irland, die wegen der Corona-Krise abgesagt wurden. Das Comeback von Mustafic für Luxemburg ist jedoch nur verschoben. „Für Luxemburg zu spielen wäre gut für meine Entwicklung. Mittlerweile kann die Nationalmannschaft mit fast jedem Gegner mithalten. Wenn ich meine Leistung bringe, kann ich den Sprung in die FLF-Auswahl schaffen“, sagt Mustafic.
Zunächst genießt aber der Aufstieg mit der SV Elversberg in die dritte Bundesliga Priorität. „Wie es danach mit meiner Karriere weitergeht, hängt einzig und alleine von mir ab.“
Alte Talente und neue Möglichkeiten aus Brasilien
Mirza Mustafic ist einer von vielen Fußballern, die in Luxemburg ausgebildet wurden, sich aber schon früh dafür entschieden, für das Land ihrer Vorfahren anzutreten. Der prominenteste Fall ist und bleibt Miralem Pjanic (Juventus Turin/Bosnien-Herzegowina). Der zuletzt am meisten diskutierte Fall ist der von Stürmer Dany Mota, der in der italienischen Serie C bei Perugia spielt und 2019 zu fünf Einsätzen für die portugiesische U21-Nationalmannschaft kam. Der 21-Jährige ist im Besitz der doppelten Staatsangehörigkeit und könnte noch immer in die FLF-Auswahl berufen werden. Das gilt nicht für den Diekircher Mica Pinto (Sparta Rotterdam/NL), der für Portugal eine U20-WM spielte, als er noch nicht Luxemburger Staatsbürger war. Ryan Johansson (FC Sevilla/ESP) spielte in der Jugend bereits für Luxemburg, Schweden und Irland. In Zukunft wird der ehemalige Hosterter wohl für die Skandinavier auflaufen. Zuletzt entschied sich der 17-jährige Demin Skenderovic (UT Petingen) für einen Verbandswechsel. Der Abwehrspieler wartet derzeit auf das OK der UEFA, um für Montenegro antreten zu dürfen.
Es geht aber auch umgekehrt. Die FLF beschäftigte sich in den vergangenen Monaten mit einigen interessanten Dossiers. Immer mehr junge Fußballer, deren Vorfahren aus Luxemburg ausgewandert sind, melden sich beim Verband. Dazu zählen der groß gewachsene 15-jährige Torwart Fred Emmings (Minnesota United/USA) und der gleichaltrige Offensivspieler Lucca Andrioli (Esporte Clube Juventude/Brasilien). Hinzu kommt, dass durch die „Loi 1900“ einige Brasilianer die luxemburgische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Laut transfermarkt.de sind dies der 20-jährige Verteidiger Bernardo Schappo (FC Ituano) und der 22-jährige Offensivspieler Gustavo Alexandre Hemkemeier (Toledo Colonia Work). „Wir dürfen uns den Möglichkeiten nicht verschließen, aber wir suchen auch nicht gezielt nach Talenten im Ausland. Wenn einer sich meldet und für uns spielen will, dann laden wir ihn ein und bewerten, ob er uns in Zukunft weiterhelfen kann. Die einheimischen Spieler genießen aber weiterhin Priorität“, sagt U21-Nationaltrainer Manuel Cardoni. del
Steckbrief
Name: Mirza Mustafic
Geboren am 20.6.1998
Staatsangehörigkeit: Luxemburger und Bosnier
Position: Offensives und zentrales Mittelfeld
Bisherige Vereine: RFCU Lëtzebuerg, FC Metz (F), Borussia Mönchengladbach, SV Elversberg (beide D)
Leistungsdaten: 50 Spiele (2 Tore) für Borussia Mönchengladbach II, 15 Spiele (2 Tore) für Elversberg
Nationalmannschaft: Bis zur U17 für Luxemburg (bis 2014), von der U17 bis zur U19 für Bosnien-Herzegowina im Einsatz
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